AL08CR06

AS (2008) CR 06

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2007

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(1. Teil)

BERICHT

6. SITZUNG

Mittwoch, 23. Januar 2008, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Albrecht KONEČNỶ, Österreich, SOC

(Dok. 11474, 11460 und 11471)

 

Danke sehr, Herr Vorsitzender!

Wir haben drei ausgezeichnete Berichte zu behandeln, und doch hinterlassen sie, zusammengenommen, einen sehr widersprüchlichen Eindruck. Ein Eindruck, der im Wesentlichen unsere eigene Arbeit beschreibt, und der diese nicht in einem glanzvollen Licht darstellt.

Man kann auch sagen, dass wir unsere Hausaufgaben auf diesem Gebiet in den letzten Jahren ganz eindeutig nicht erfüllt haben. Es ist allerdings auch wahr, dass der Europarat und diese parlamentarische Versammlung in den letzten fünfzehn Jahren eine gewaltige Aufgabe in Europa erfüllt hat, und es war klar, dass das für uns vordringlich war.

Trotzdem: Europa ist keine Insel. Es ist in vielen Reden angeklungen, wie sehr wir mit Nachbarregionen verbunden sind, und wir müssen diese Realität gestaltend in die Hand nehmen.

Die Länder, die am südlichen Ufer des Mittelmeers liegen - und das sind ja nicht nur jene, die im Maghreb liegen, sondern noch ein paar andere sehr bedeutsame Länder, die sich in derselben geographischen Position gegenüber Europa befinden -, sind Partner, und ich verwende bewusst diesen Ausdruck, der durch die Geschäftsordnung nicht vergeben ist. Parter, die wir ansprechen müssen und mit denen wir gemeinsam arbeiten müssen.

Dazu genügt ein gelegentliches Seminar und eine gelegentliche Tagung nicht. Dazu brauchen wir eine konsistente Politik der Partnerschaft, in der wir unsere Probleme mit den Entwicklungen in diesen Staaten artikulieren, in der wir die gemeinsamen Probleme, wie die Migration, adressieren und versuchen, Lösungen zu finden. Eine Politik, in der wir versuchen, unsere Aufgaben zu erfüllen, aber auch von unseren Partnern die Erfüllung ihrer Aufgaben einfordern.

Dasselbe gilt für den zentralasiatischen Raum, und auch dort geht es um Partner, von denen wir etwas zu verlangen haben, aber denen wir auch etwas anzubieten haben.

Schließlich: wir sind mit einer sehr wiedersprüchlichen Situation im Bezug auf die Beobachter konfrontiert. Ich verstehe schon das Argument, dass man rückwirkend keine Bestimmungen erlassen soll und kann, gerade wenn man auf die Mitarbeit der Partner Wert legt. Ich danke unserer kanadischen Kollegin ganz besonders dafür, dass sie in einer sehr offenen und freien Weise darauf hingewiesen hat, welche Probleme es von der Seite der beiden Kammern des kanadischen Parlaments gibt, Regeln, die wir gerade erst beschlossen haben, zu erfüllen, und dass das sicherlich nicht dazu beiträgt, die Beobachterrolle ausfüllen zu können.

Ich glaube, es wäre, unabhängig von den Entschließungen und Empfehlungen, über die abzustimmen sein wird, ein Ergebnis dieser drei Berichte, aber auch ein Ergebnis der heutigen Debatte, dass die parlamentarische Versammlung sich dieses Themas konzentriert annimmt.

Wir müssen uns dieser Aufgabe systematisch annehmen und eine konsistente Politik entwickeln, die nicht darauf verzichtet, Forderungen an den Partner zu stellen, aber die auch nicht darauf verzichtet, Staaten, die sich auf einer anderen Stufe der Entwicklung befinden, trotzdem zu unterstützen und unsere Werte dort zu propagieren.

Renate WOHLWEND, Liechtenstein, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 11471)

Herr Präsident,

Liebe Kollegen,

Auch ich danke den Berichterstattern und den Ausschuss-Sekretariaten. Wir haben mit den Berichten zu dem Themenkomplex “Außenbeziehungen des Europarates” interessante, aufschlussreiche Arbeitspapiere vorliegen. Zu Wort gemeldet habe ich mich speziell wegen des Berichts von Kollegen Wilshire, “Der Europarat und seine Beobachterstaaten, die derzeitige Lage und ein Weg voran”.

Der politische Ausschuss hat die Aspekte Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte völlig ausgespart und dem Rechtsausschuss zugespielt, der eine Stellungnahme mit einer Anzahl von einschlägigen Änderungsvorschlägen vorgelegt hat.

Liebe Kollegen, es ist wert, das Dokument 11500 zu lesen, in welchem unter Federführung von Kollegen Pieter Omtzigt klar konzeptioniert die Rechts- und Menschenrechtsthemen dargestellt sind, die einer besonderen Erwähnung bedürfen.

Sie haben bereits gehört, dass die Beobachterstaaten USA und Japan immer noch die Todesstrafe anwenden. Nach diversen Debatten in den neunziger Jahren hat die Parlamentarische Versammlung in den Jahren 2001, 2003, 2006 und im letzten Jahr aufgrund von Berichterstattungen des Rechtsausschusses festgehalten, dass die Todesstrafe eines Staates unwürdig ist, der sich der Hochhaltung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Respekt der Menschenrechte rühmt.

Wir haben Japan und die Vereinigten Staaten wiederholt zum Dialog über das Thema Moratorium von Hinrichtungen und Abschaffung der Todesstrafe eingeladen. Während es vor wenigen Jahren gelungen war, ein Kooperationsseminar in Japan mit der dortigen Parlamentarischen Liga gegen die Todesstrafe abzuhalten, hatten wir keinerlei Antwort seitens der Vereinigten Staaten.

Persönlich denke ich, es ist wichtig, in unserer heute zu verabschiedenden Entschließung und Empfehlung den davon betroffenen Beobachterstaaten frühere Beschlussfassungen dieses hohen Hauses in Erinnerung zu rufen, und dabei, liebe Kollegen, wünsche mir Ihre Unterstützung.

Die Versammlung, aber auch das Ministerkomitee dürfen nicht die Grundfesten des Europarates vergessen. Wir müssen auf beiden Ebenen, Ministerkomitee und Parlamentarische Versammlung, den Dialog weiter suchen und hoffentlich finden. Nicht nur, wie von sehr vielen Vorrednern ausgeführt, für wirtschaftliche, kulturelle, interreligiöse Themen; nein, wie bereits von Kollege Kox erwähnt, müssen wir auch Menschenrechtsfragen diskutieren, selbst, wenn es manchmal unbequem ist.

Den Bericht des Kollegen Wilshire zur “Beziehung zu den Beobachterstaaten, heutige Lage und künftiger Weg”, ohne jeden Hinweis auf ausstehende Probleme in grundlegenden Menschenrechtsbelangen zu verabschieden, wäre nur eine halbe Sache. Wir können den Weg voran nur dann antreten, wenn wir die derzeitige Lage ehrlich, kritisch und allumfassend bewerten, und unter “allumfassend” verstehe ich auch den Dialog in wichtigen Menschenrechtsthemen, einschließlich der Abschaffung der Todesstrafe.

Hakki KESKIN, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 11465 rev.)

Dem Berichterstatter, Herrn Karim Van Overmeire, danke ich für seine sehr gute, gelungene Arbeit. Ich erlaube mir dennoch, hier zwei Ergänzungen vorzunehmen:

- Die Gewaltenteilung ist die größte Errungenschaft der französischen Revolution. Sie ist die Grundvoraussetzung einer Demokratie. Die Legislative hat die Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Ich möchte Sie bitten, mit mir darüber nachzudenken, inwieweit eine tatsächliche Kontrolle der Regierung durch das Parlament stattfindet.

Ich rede hier nicht allein von einer Kontrolle der Regierung durch die Opposition; auch die Regierungspartei, die Mehrheitspartei also, müsste gemäß der Gewaltenteilung eigentlich die Regierung kontrollieren.

Wir wissen jedoch alle, dass dies leider nur sehr selten oder gar nicht erfolgt: Auch bei berechtigter Kritik nimmt die Regierungspartei die eigene Regierung in Schutz. Und die Kritik der Opposition bleibt wegen fehlender Mehrheit im Parlament nur von bescheidener Wirkung.

Wir sollten daher ernsthaft darüber nachdenken, wie wir den Parlamentarismus noch effektiver gestalten können, wir wir eine tatsächliche Gewaltenteilung erreichen können, also eine Kontrolle der Regierungen durch die Parlamente.

- Meine zweite Ergänzung betrifft die Funktionsweise der politischen Parteien. Politische Parteien sind Grundelemente der parlamentarischen Demokratie. Ohne sie gäbe es keine funktionierende Demokratie. So unverzichtbar die politischen Parteien für die Demokratie sind, so grundlegend sind aber auch die demokratischen Strukturen innerhalb der Parteien.

Deshalb stellen sich hier die folgenden Fragen:

- wie demokratisch sind die Strukturen der Parteien?

- Wie demokratisch sind die Wahlen in den Parteien?

- Gibt es eine funktionierende Kontrolle der Mitglieder, und welchen Einfluss können die Mitglieder bei den Entscheidungen der Parteien haben?

- Wie demokratisch oder autoritär werden die Beschlüsse in den Parteien gefällt?

- Wie demokratisch werden die Kandidaten für die Parlamentswahlen gewählt oder ernannt?

Der Europarat muss sich mit diesen sehr wichtigen Fragen ernsthaft und beharrrlich befassen, wenn wir eine tatsächlich funktionierende parlamentarische Demokratie haben wollen. Dass wir alle ein solche Demokratie wollen, davon bin ich überzeugt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Yuri SHARANDIN, Russische Föderation, EDG

(Dok. 11465 rev.)

(Rede auf Russisch. Der Sprecher benutzt ein deutsches Zitat)

“Die Welt ist rund und lässt sich drehn. Was unten war, wird oben stehn”

(Weiter auf Russisch.)

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 11465 rev.)

Herr Präsident,

Dieser Bericht, so gründlich er auch eine ganze Serie von berechtigten Forderungen enthält, hat aus meiner, der schweizerischen Sicht, einen Mangel.

Sie wissen ja, dass die Schweiz nicht nur eine Demokratie mit einem repräsentativen Parlament ist, das die Bevölkerung in ihrer Vielfalt zu verkörpern hat, sondern eine direkte Demokratie.

Das heißt, das Volk gibt die oberste Macht im Staat nicht aus der Hand. Es behält sich stets das letzte Wrot vor. So kann jedes Gesetz, das vom Parlament verabschiedet wird, mittels 50 000 amtlich beglaubigter Unterschriften einer Referendumsabstimmung unterzogen werden.

Änderungen der Verfassung bedürfen gar einer obligatorischen Volksabstimmung, wo dann gar ein doppeltes Mehr erreicht werden muss, nämlich die Mehrheit von Volk und Kantonen.

In der Schweiz steht somit das Volk, der Souverän, auch immer über der parlamentarischen Mehrheit. Aufgrund dieser Erkenntnis sind die hier aufgelisteten Forderungen für schweizerische Verhältnisse natürlich nur mehr von relativer Bedeutung.

Ich persönlich wünschte mir noch mehr Staaten mit direkter Demokratie. Zwar dauern bei uns die gesetzgeberischen Verfahren etwas länger, aber die Bürger haben die Gewissheit, dass sich politisch nichts hinter ihrem Rücken oder über ihren Köpfen abspielt. Und damit ist letztlich das oberste Ziel eines Staates am besten gewährleistet, nämlich, für das Volk da zu sein – und nicht umgekehrt!

In einem wichtigen Punkt, der im Bericht etwas zu kurz kommt, möchte ich den Kollegen Van Overmeire aber speziell unterstützen, nämlich bei Punkt 14, wo es um die Rolle der Medien geht.

Der freie und faire Zugang zu den Medien, insbesondere zu den öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehkanälen, muss konsequent allen offen stehen, und das erst recht auch vor Wahlen. Aber da wird leider in vielen Staaten noch arg gesündigt - beispielsweise auch in der Schweiz, direkte Demokratie hin oder her.

Den Rest meiner Redezeit möchte ich dazu nutzen, Ihnen kurz etwas über das neue System von Mehrheit und Opposition zu sagen, wie wir es in der Schweiz seit der Dezember-Sitzung, also seit wenigen Tagen, nun praktizieren.

Meine Partei, die Schweizerische Volkspartei, hat sich nämlich in die Opposition begeben, obwohl sie aus den letzten Parlamentswahlen vom 21. Oktober als klare Siegerin hervorgegangen ist. Noch nie ist in der Schweiz eine Partei so stark gewesen wie die SVP. Noch nie kam eine Partei auf einen Wähleranteil von 29%, bzw. Auf 63 von 200 Mitgliedern in der Volkskammer.

Warum aber gingen wir in die Opposition? Einzig und allein deshalb, weil uns die Bundesversamlung in der Dezember-Sitzung nicht diejenigen beiden SVP-Vertreter in die siebenköpfige Landesregierung gewählt hat, die wir selber vorgeschlagen hatten. Man hatte uns zwar zwei SVP-Leute gegeben, aber nicht diejenigen, die wir wollten. Deshalb betrachten wir uns nun, was das Verhätlnis zur Regierung anbetrifft, in der Opposition.

In politischer Hinsicht wird scih deswegen faktisch aber nichts ändern. Jede Partei betreibt im Bundesparlament ihre eigene Politik. Mal kommt es zu dieser, mal zu jener Mehrheit. Das war schon immer so bei uns. Vertragliche Koalitionen, wie sie in einem konventionellen Mehrheits- und Oppositionssystem – mit faktischem Stimmenzwang – üblich sind, gibt es in der Schweiz nicht.

Das wollte ich Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, so und aus erster Hand, gesagt haben. Wahrscheinlich haben Sie in Ihren Medien etwas anderes gelesen, aber faktisch hat sich bei uns nichts geändert.

Ich danke Ihnen.