AL08CR07

AS (2008) CR 07

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(1. Teil)

BERICHT

7. SITZUNG

Donnerstag, 24. Januar 2008, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 11461)

 

Danke, Herr Präsident!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Dieser Bericht wurde von Ruth-Gaby Vermot-Mangold aus der Schweiz erarbeitet. Ich bin lediglich die Sprecherin, denn Ruth-Gaby Vermot hat das Schweizer Parlament und somit auch den Europarat anfangs der Woche verlassen und kann ihren Bericht nicht mehr persönlich vertreten.

Kinderhandel, illegale Adoption, die Bekämpfung des Frauenhandels, des Organhandels, der Gewalt gegen Frauen und die Sorge um das Schicksal von Flüchtlingen sind einige Themen, die Ruth-Gaby Vermot während der 12 Jahre, die sie im Eruoparat war, sichtbar gemacht hat. Dieser letzte Bericht der aktiven Parlamentarierin beinhaltet denn auch eine starke und wichtige Forderung: Kinder und ihre Mütter oder Eltern benötigen wirksamen Schutz durch einen Staat, der nicht in illegale Geschäfte mit Kindern verwickelt ist. Kinder und ihre Mütter brauchen einen verlässlichen Staat.

Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Gaby Vermot hat sich aufgrund von Hinweisen von Ärztinnen, Journalisten und Politikerinnen aus der EU mit dem Schicksal von Kindern in der Ukraine befasst, die gleich nach der Geburt verschwunden sind und von denen bis heute jede Spur fehlt.

Eine der Mütter erzählte, sie habe ein Zwillingspaar geboren. An ihrem Handgelenk wurden zwei Armbänder mit den unterschiedlichen Geburtszeiten der beiden Kinder befestigt: um 19.00 Uhr war das eine, um 19.10 Uhr das andere Kind geboren worden. Die beiden Kinder wurden zur Untersuchung in andere Räume verbracht. Mehrmals bat die Mutter, ihre Kinder sehen zu dürfen. Plötzlich wurden die Geburtszeiten auf den Armbändern so korrigiert, dass beide Kinder die genau gleiche Geburtszeit hatten. Und nur Stunden später sagte man den entsetzten Eltern, dass eines der Zwillingskinder gestorben sei. Die Eltern durften ihr totes Kind nicht sehen. Es sei bereits eingeäschert worden.

Die Mutter glaubt jedoch nicht an den Tod ihres Kindes. Täglich suche sie nach ihm, auch wenn sie, wie sie sagt, ein quicklebendiges wunderbares Kind habe. Anderen Eltern teilte man mit, ihre Kinder seien zu früh auf die Welt gekommen oder gleich nach der Geburt gestorben. Die Bitten der Eltern, ihr totes Kind sehen und begraben zu können, wurden immer abschlägig behandelt. Das tote Kind, so hieß es, sei bereits im Labor zur Untersuchung oder eben bereits begraben. Die Eltern begannen zu zweifeln und beschuldigten den Staat, ihre Kinder für den Organhandel, für pharmazeutische Versuche oder die illegale Adoption zu mißbrauchen. Sie wurden mit ihren Zweifeln und ihrer Trauer allein gelassen.

Die Geschichten um die verschwundenen Kinder lassen niemanden kalt. Während die Behörden die Vorkommnisse als Hirngespinste abtun, werden sie unter anderem von Medienschaffenden und Nichtregierungsorganisationen bestätigt. Die Staatsanwaltschaft in Kiev versprach der Berichterstatterin, die Dossiers nochmals zu überprüfen und eine gründliche Untersuchung zu veranlassen. Die Eltern haben jedoch bis heute nichts davon gehört.

Solange jedoch die Ukraine die Fälle von verschwundenen Kindern und die Fälle der rund 300 ungeklärten Adoptionen ins Ausland nicht gründlich untersucht, sind Tür und Tor für Spekulationen geöffnet. Von Organhandel, Kinderhandel, illegaler Adoption und von kriminellen Aktivitäten ist die Rede, in die Ärzte, Pflegende und Behörden verwickelt sein sollen. Auf der anderen Seite stehen aber auch adoptionswillige Eltern, die aus Verzweiflung oder aus Skrupellosigkeit nicht davor zurückschrecken, ihren Kinderwunsch mit Geld zu befriedigen, und die sehr wohl bereit sind, bhördlich kontrollierte Adoptionsstellen zu umgehen.

Die Ukraine hat 2007 ein Dekret verabschiedet, das festlegt, dass die Adoptionsdokumente von potentiellen ausländischen Adoptiveltern nur für ein Jahr gültig sind. Da Adoptionen aber langwierig sind und Begegnungen zwischen Kindern und Adoptiveltern nur spät ermöglicht werden, verfallen die Papiere meist, bevor eine Adoption zustande kommt. Kein Wunder, dass hier großzügige Trinkgelder die Hände wechseln, um den Verlauf der Adoption zu beschleunigen. Wie rasch eine internationale Adoption möglich ist, zeigen uns ja auch die großen Vorbilder von Bühne und Film, die es immer wieder fertig bringen, Babys unter weltweiter Anteilnahme innerhalb kürzester Zeit mitzunehmen.

Ein weiteres Beispiel: In Moldawien wurden in Zeitungsinseraten in den Jahren 2001/2003 Kinder und Neugeborene zum Preis von einigen Tausend Euro zum Verkauf angeboten. Außerdem wurde alleinstehenden, armen Müttern nahegelegt, ihre Kinder in Waisenhäusern abzugeben, wo sie gut gepflegt würden.

In einem öffentlich ausgestrahlten Film kamen betroffene Frauen zu Wort. Als sie ihre Kinder wieder zurückholen wollten, wurde ihnen gesagt, dass ihre Kinder bereits andere Eltern gefunden hätten. Wie auch Rumänien hat Moldawien reagiert und ein Gesetz geschaffen, das es Müttern erlaubt, bis 6 Monate nach der Geburt den Verzicht auf das Kind zu widerrufen. Ob jedoch das Gesetz auch implementiert ist, konnte nicht bestätigt werden. Rumänien hat hinsichtlich der internationalen Adoption ein Moratorium erlassen.

Forderungen:

1. Die Berichterstatterin fordert die Staaten auf, das Verschwinden von Kindern oder verdächtige Adoptionsverfahren dringend strafrechtlich zu untersuchen. Allerdings sollen diese Untersuchungen unter Beizug von externen Experten und Expertinnen getätigt werden, denn nur so kann das Vertrauen der betroffenen Eltern in die Justiz wieder einigermaßen hergestellt werden.

2. Väter oder andere Familienangehörige sollen die Geburt begleiten können. Kinder gehören immer zu ihren Eltern, und nicht den Ärzten oder dem Krankenhaus. Die Neugeborenen sollen rasch gratis registriert werden und innerhalb kurzer Zeit eigene Identitätspapiere bekommen.

3. Die zentrale Forderung ist jedoch, dass die betreffenden Staaten die Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels ratifizieren, denn illegale Adoption ist gleichzusetzen mit Kinderhandel. Auch sollen in allen Ländern Gesetze geschaffen werden, die Adoptionen aufgrund internationaler Normen transparent regeln. Die wirksame Umsetzung der Kinderrechts-Konvention ist äußerst dringlich, fordert sie doch den Schutz der Kinder und verlangt, dass jedes adoptierte Kind Informationen über seine Ursprünge, seine Herkunft und seine Wurzeln erhalten muss, so es diese später haben will.

4. Jede Mutter, alle Eltern, die einer Adoption zugestimmt haben, haben das Recht, ihre Entscheidung nach einer bestimmten Zeit zu widerrufen.

Herzlichen Dank.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 11461)

Herzlichen Dank, Herr Präsident!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Noch einmal, liebe Gaby, danke für diesen engagierten Bericht und Ihnen allen, die sich hier zu Wort gemeldet haben, für die engagierte Diskussion.

Die Conclusio, die für mich jetzt bleibt, ist erstens, dass Menschen keine Waren sind. Zweitens: Es geht darum, dass in diesen Fällen, wo es ein Ursprungsland gibt und ein Land, wo die Kinder dann aufwachsen, internationale Standards gesetzt werden, damit man hier die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen hat.

Drittens muss dort, wo sie verletzt werden, dort, wo Kinder wirklich gegen den Willen der Eltern verschleppt werden, die Härte des Gesetzes greifen. Hierzu brauchen wir die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen. Es müssen die Netzwerke der organisierte Kriminalität zerschlagen und die entsprechenden strafrechtlichen Bedingungen dafür geschaffen werden.

In den letzten Monaten, in den letzten Tagen, haben wir immer wieder von den verschiedensten Fällen in Bezug auf internationale Adoptionen gelesen. Man glaubt gar nicht, dass das heute möglich ist, aber immer wieder ist offensichtlich der Kinderwunsch für viele Menschen hier in unseren Ländern so groß, dass man nicht davor zurückschreckt, Kinder wirklich zu kaufen.

Wie gesagt, brauchen wir also entsprechende Gesetze, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit einerseits internationale Adoptionen sehr wohl möglich sind, andererseits aber dort, wo Missbrauch passiert, man die entsprechenden Handhaben hat.

In diesem Sinne herzlichen Dank noch einmal, Gaby, und danke für Deine engagierte Arbeit. Du wirst uns sehr fehlen.

Attila GRUBER, Ungarn, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 11467)

Danke, Herr Präsident!

Im Fernsehen, in der Werbung, sehen wir ständig fitte, sportliche Figuren. Aber wie sieht es wirklich aus? In Wahrheit hat die Fettleibigkeit in Europa insbesondere unter jungen Menschend alarmierend zugenommen und stellt heute ein zentrales Problem der öffentlichen Gesundheit dar.

Die Anzahl der in der EU von Übergewicht und Fettleibigkeit betroffenen Kinder wird sich schätzungsweise jährlich um mehr als 400 000 erhöhen; diese Zahl ist zu den mehr als 14 Million EU-Bürgern hinzuzurechnen, die bereits heute übergewichtig sind, darunter mindestens 3 Millionen fettleibige Kinder! Jedes vierte Kind in der EU ist bereits von Übergewicht betroffen.

Spanien, Portugal und Italien berichten bei Kindern im Alter von 7 bis 11 Jahren von Übergewicht- und Fettleibigkeitsraten von über 30%. Die Zunahmerate von Übergewicht und Fettleibigkeit im Kindesalter variiert, wobei England und Polen die steilsten Anstiegskurven zu verbuchen haben.

Generell sind Kinder heute weniger körperlich fit als die Generationen der siebziger und achtziger Jahre. Verantwortlich dafür ist nicht so sehr ein höherer Kalorienkonsum, sondern vielmehr mangelnde körperliche Bewegung, die dann zu Übergewicht führt: Die Kinder essen nicht mehr, sondern sie bewegen sich weniger.

Außerdem gilt, dass Übergewicht im Kindesalter sich tendenziell bis ins mittlere Lebensalter hin kumuliert. Deshalb ist es besonders wichtig, ein optimales Körpergewicht während des gesamten Lebens zu erreichen.

Abgesehen von dem Leid, das Menschen dadurch zugefügt wird, sind auch die beträchtlichen wirtschaftlichen Konsequenzen der Zunahme von Fettleibigkeit zu berücksichtigen. Es wird geschätzt, dass die Fettleibigkeit in der EU bis zu 7% der Kosten des Gesundheitssektors ausmachen, und dieser Anteill wird noch weiter ansteigen, da auch die Fettleibigkeitstrends nach oben zeigen.

Außerdem gibt es recht verlässliche Studien, denen zufolge regelmäßige körperliche Bewegung einen positiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden und insbesondere auf das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen haben kann, besonders in benachteiligten Gruppen, wie beispielsweise bei Kindern mit Lernproblemen oder geringem Selbstvertrauen.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Beteiligung an Sport und körperlicher Bewegung einerseits und sozialen Bindungen und sozialer Integration andererseits. Über den Sport kann man sich Normen, Werte und Fähigkeiten aneignen, die auch in anderem Zusammenhang sehr nützlich sein können. Außerdem ist fast sicher davon auszugehen, dass Sport sowohl bei der Verhütung von Kriminalität als auch bei der Rehabilitation straffällig gewordener Menschen eine wichtige Rolle spielen kann.

Wir tragen eine große Verantwortung dafür, dass Europa mit Hilfe des Sports psychisch wie körperlich gesünder wird!

Danke.

Bernd HEYNEMANN, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 11467)

Herr Präsident,

Monsieur Platini,

liebe Kollegen!

Ich freue mich, dass heute mit dem UEFA-Präsidenten Herr Platini persönlich anwesend ist, zumal, wie wir ja schon erfahren haben, Fußball nicht nur weltweit die beliebteste Sportart ist, sondern die UEFA, und damit der Fußball selbst, ganz einfach ein europäisches Integrationsinstrument ist.

Ich komme selber aus dem Bereich des Fußballs: Ich war 1998 als aktiver Schiedsrichter bei der WM in Ihrem Land und bin auch jetzt noch für die UEFA als Schiedsrichterbeobachter aktiv.

Ich möchte mich zu einigen Punkten des Berichtes von Herrn Arnaut äußern, und zwar den Punkten 8, 10 und 12, denn dies sind Themen, die nicht nur Europa betreffen, sondern die wir auch in Deutschland diskutieren.

Das größte Problem ist natürlich der sogenannte Hooliganismus, der nicht als Problem benannt und identifiziert ist, sondern verschiedene Facetten aufweist: Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass es zum Einen den Fan gibt, der ins Stadion geht und noch zur Mannschaft hält, der den Fußball und den Sport unterstützt. Dann gibt es den Hooligan, der ganz einfach den Sport im Stadion missbraucht, um Randale zu machen und Aggressivität los zu werden.

Und schließlich gibt es die schlimmste Variante des Hooligans, die Ultras, die den Sport nicht um des Sportes willen schätzen, sondern nur noch als Instrument nutzen, und außerhalb des Stadions und in den Städten randalieren. Was es da für Auswüchse geben kann, ist nicht nur in letzter Zeit deutlich geworden, sondern auch 1998, bei der Fußballweltmeisterschaft. Dort haben wir gesehen, dass ein Polizist fast totgeprügelt wurde.

Hier gilt es, mit Fanprojekten die Unterstützung der staatlichen Stellen und der Vereine zu sichern. Besonders wichtig ist es auch, dass die Mannschaften mit einbezogen werden. Wie vorhin schon angeklungen ist, betrifft das Phänomen des Hooliganismus nicht nur die obersten Ligen, sondern tritt neuerdings auch in den untersten Spielklassen auf.

Ein zweiter Punkt, der nicht nur international, sondern insbesondere intranational viel diskutiert wird, ist die „6+5-Regelung“ im Fußball. Ich glaube, hier gibt es noch viel Bedarf, denn es gibt viele Mannschaften, in denen nicht einmal einheimische Spieler auf der Ersatzbank sitzen - auch Chelsea, wie ich gelesen habe, und auch bei uns in der Bundesliga gab das schon. Hier müssen wir ganz einfach diskutieren, um wieder Vorbilder in den einzelnen Ländern für die Jugend zu schaffen.

Jugend ist hier auch das Stichwort: Verträge für Minderjährige sind natürlich nicht nur abzulehnen, sondern sind Auswüchse, die wir uns ganz einfach nicht leisten können. Ich glaube, hier sollten wir mehr Kraft und Initiative in den Schul- und in den Straßenfußball investieren. Herr Platini hat gesagt, dass die Begeisterung auf der Straße, wo mit einfachen Mitteln Fußball gespielt werden kann, weiter erhalten ist, und ich glaube das auch.

Ein letzter Aspekt ist die Gehaltsobergrenze. In Deutschland diskutieren wir zur Zeit Gehaltsobergrenzen für Manager, und auch im Fußball wird und in anderen Sportarten wird über Gehaltsobergrenzen diskutiert. Wir haben gehört, dass der Sport insgesamt viel kommerzieller geworden ist, und dass ganz einfach ein Markt da ist. Ich denke, Reglementierung seitens des Staates oder der Verbände hilft da wenig.

Eine letzte Bemerkung zum Bericht von Herrn Arnaut, den ich sehr befürworte, und dem ich für diesen Bericht gratuliere, mache ich natürlich in eigener Sache; sie betrifft Punkt 15, die Zusammenarbeit zwischen Europäischem Parlament und Europäischer Union. Ich glaube, hier können wir in diesem Punkt mit gutem Beispiel vorangehen.

Herr Platini kommt aus Frankreich, Europarat und Europaparlament haben ihren Sitz in Frankreich, in Straßburg, und wir haben in diesem Jahr die Fußball-Europameisterschaft. Vielleicht könnten die beiden Präsidenten des Europarates und des Europaparlamentes mit Herrn Platini im Vorfeld dieser Europameisterschaft ein Fußballspiel zwischen Europarat und Europaparlament organisieren? Das wäre nicht nur ideal, sondern auch aktive Politik.

Vielen Dank.