AL08CR14

AS (2008) CR 14

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(2. Teil)

BERICHT

14. SITZUNG

Mittwoch, 16. April 2008, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 11537)

Danke, Herr Präsident!

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Fähigkeit der Frauen, Kinder zu gebären, hat ihr Leben schon immer sehr stark an diese Funktion gebunden. Nicht immer sind die gesellschaftlichen Verhältnisse so, dass sie den Frauen diese Aufgabe leichter oder überhaupt möglich machen. Im neunzehnten Jahrhundert starben bis zu zwei Drittel aller Frauen nach der Geburt ihres Kindes an Kindbettfieber - für unsere heutige Auffassung von Medizin unvorstellbar.

In unserem einundzwanzigsten Jahrhundert kann es einer Frau in Europa passieren, dass sie wegen medizinisch unzulänglicher Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches stirbt oder erkrankt und Ärzte sich weigern, sie zu versorgen. Auch das sollte unvorstellbar sein.

Beim 28. internationalem Ratstreffen in Mexiko Stadt am 17. August 2007 bekannte sich Amnesty International zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches sowie zur Gewährleistung, dass Frauen Zugang zu Gesundheitsvorsorge haben, wenn Komplikationen durch Schwangerschaftsabbrüche entstehen.

Amnesty wies darauf hin, dass Frauen medizinische Dienstleistungen nach Schwangerschaftsabbrüchen verweigert werden, während keine Verweigerung bekannt ist, wenn die behandlungsbedürftige Person im Verdacht steht, ein Verbrechen begangen zu haben. Diese Verweigerung medizinischer Hilfe im Falle der Folgen eines Schwangerschaftsabbruches muss als Form von Gewalt gehen Frauen gewertet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die WHO schätzt weltweit etwa ein Drittel aller Schwangerschaften als ungeplant ein. Ein Viertel aller schwangeren Frauen entscheidet sich zu einem Abbruch, die Hälfte davon findet illegal, nicht fachgerecht und unter hygienisch prekären Bedingungen statt, was bei 40% der betroffenen Frauen zu schweren Komplikationen führt, die die Gesundheit und Leben dieser Frauen gefährdet. Das bedeutet für weltweit geschätzte 70 000 Frauen jährlich den Tod.

In der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedsländer des Europarates ist der Schwangerschaftsabbruch legalisiert; mit wichtigen Folgen: Die Legalität des Abbruchs und eine Versorgung auf dem heute üblichen Stand der Medizin verringert die Anzahl der Komplikationen auf 1%.

Die Statistiken zeigen, dass die Rate der Schwangerschaftsabbrüche in den westeuropäischen Ländern seit ihrer Legalisierung sinkt. Die Rechtslage hat kaum Einfluss auf die Entscheidung der Frauen, ein Kind auszutragen oder abzutreiben. Nicht einmal die Todesstrafe, sehr geehrte Damen und Herren, hält sie davon ab. Die Rechtslage hat aber sehr wohl Einfluss auf die Sterblichkeitsrate der Frauen im gebärfähigen Alter.

Trotz Aufklärung und Verhütung werden jährlich in Europa geschätzte 500 000 bis 800 000 illegale und unsichere Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Teilweise werden sie von nicht geschulten Personen, und oft unter hygienisch desolaten Bedingungen durchgeführt. Das sind leider die Fakten.

Was sagen uns diese Statistiken? Frauen haben Schwangerschaftsabbrüche als allerletze Möglichkeit, ein ungewolltes Kind nicht zu gebären, historisch gesehen immer und geographisch gesehen überall durchgeführt. Diese Entscheidung fällt keiner Frau leicht. Und hier gilt es anzusetzen.

Aufklärung muss durchgängig und frühzeitig erfolgen. Verhütungsmittel, die auch immer moderner werden, müssen allen Mädchen und Frauen, allen Jungen und Männern bekannt gemacht, ihre Anwendung erklärt und das geeignete Mittel empfohlen werden. In einer gemeinsamen Anstrengung aller muss es gelingen, die Instrumente der Familienplanung allen Bevölkerungsgruppen bekannt und zugänglich zu machen.

Ich bin überzeugt davon, dass angemessene Strategien für sexuelle und reproduktive Gesundheit einschließlich einer verpflichtenden Sexualerziehung junger Menschen dazu beitragen wird, dass weniger Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Der Anstieg der Rate der Schwangerschaftsabbrüche bei jüngeren Frauen innerhalb der europäischen Union unterstreicht diese Notwendigkeit.

Schwangerschaftsabbruch kann immer nur die ultima ratio sein und wird unter keinen Umständen als eine Methode der Familienplanung betrachtet, und es war auch nie Intention dieses Berichtes, das so zu sehen, das möchte ich hier noch einmal betonen.

Was wir heute Nachmittag in diesen Bericht noch einführen möchten, ist, dass der Abbruch innerhalb angemessener Schwangerschaftsgrenzen durchgeführt werden soll, dass die Straffreiheit innerhalb bestimmter Grenzen beinhaltet sein soll, und dass es das Recht auf Zugang zu sicherer und legaler Abtreibung geben soll. Das, glaube ich, sind drei Abänderungsanträge, die Missverständnisse ausräumen sollen, falls es sie gibt. Es ist nicht daran gedacht, Schwangerschaftsabbruch als Familienplanung zu betrachten, und selbstverständlich soll so ein Abbruch innerhalb angemessener Fristen durchgeführt werden, oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Ich möchte das noch einmal betonen, weil hier schon Gerüchte in Umlauf gekommen sind.

Es geht uns um den Schutz der Frauen. Durch die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches wird keine zu einem solchen gezwungen, auch nicht animiert. Ein Schwangerschaftsabbruch ist eine, die letzte, Möglichkeit. Ich sage Ihnen auch noch etwas. Die Entscheidungsfreiheit der Frauen ist eine Frage des Rechtes eines jeden Menschen auf Respekt der körperlichen Integrität, und die garantierte Freiheit, die Kontrolle über den eigenen Körper auszuüben.

Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen bedeutet nach allen bisherigen Erfahrungen keine Vermeidung, ja nicht einmal eine Reduzierung von Schwangerschaftsabbrüchen - im Gegenteil. In Ländern, in denen Schwangerschaftsabbrüche legalisiert sind, geht diese Gesetzgebung mit umfangreichen Beigleitsmaßnahmen einher: Aufklärungskampagnen, verpflichtende Sexualerziehung in Schulen, umfangreiche Kontrazeptionsberatung etc.

Schwangerschaftsabbruchverbote bedeuten nur eines: heimlich durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche, Hinterhofabbrüche, die Frauen traumatisieren und ihre Gesundheit Risiken aussetzen. Auch die Erschwerung des Zugangs zu entsprechender medizinisch einwandfreier Versorgung und lange Wartezeiten verschlechtern die Situation und gefährden die Gesundheit der betroffenen Frauen.

Ich möchte auch ansprechen, dass Frauen, die über entsprechende Geldmittel verfügen, Schwangerschaftsabbrüche in anderen Ländern durchführen lassen, wenn es in ihrem illegal ist – das ist eine Tatsache. Und da sprechen wir dann vom sogenannten Abtreibungstourismus. Dieser Abtreibungstourismus ist keine Erscheinung der heutigen Tage.

Die Routen verlaufen durch ganz Europa: Irinnen fahren nach England, Österreicherinnen fuhren vor der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches in Österreich ins damalige Jugoslawien, Polinnen kommen nach Österreich, und so fort. Auch dieses Phänomen stellt Ungleichheit zwischen den Europäerinnen dar und diskriminiert gerade die Frauengruppen, die in finanziell schlecht gesicherten Verhältnissen leben. Die Reichen fahren in die Kliniken ins Ausland, die Armen landen im Hinterhof. Aber kein Schwangerschaftsabbruch wird dadurch verhindert. Auch das sollen wir uns vor Augen halten.

Grundsätzlich möchte ich Ihnen noch sagen, dass in unterschiedlichen internationalen Resolutionen die Einstellung der parlamentarischen Versammlung mit den bisher gemachten Deklarationen übereinstimmen, so auch der UNO-Menschenrechtsauschuss.

Zum Abschluss: Selbstverständlich ist es das Ziel, gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, die es Frauen ermöglichen, mit Freude die Kinder, die sie gemeinsam mit ihrem Partner haben, zu gebären und gemeinsam großzuziehen. Das ist das Ideal, das wir alle anstreben. Zu meinem größten Bedauern ist es derzeit noch ein Ideal und für viele keine Realität. Dieser Realität der zahlreichen Frauen, die sich aus den verschiedensten Gründen außer Stande sehen, ein Kind zu gebären, haben wir uns zu stellen. Ihr Recht auf Gesundheit, Entscheidungsfreiheit und körperliche Integrität zu schützen, ist Ziel dieses Berichts.

Herzlichen Dank.

Gisela WURM, Österreich, SOC

Antwort zu Dok. 11537

Sehr geehrte Kolleginnen, liebe Kollegen !

Ich möchte noch einmal hier feststellen: Es war nie in der Intention des Berichts, dass der Schwangerschaftsabbruch bis zum 8. oder 9. Monat durchgeführt werden soll. Es war immer Intention des Berichts, dass er, wenn die Frau sich dazu entscheidet, innerhalb von angemessenen Fristen vorgenommen werden soll. Das noch einmal zur Klarstellung.

Herzlichen Dank.

Sabine LEUTHEUSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE/ADLE

Frage an Frau Julia TIMOSCHENKO, Premierministerin der Ukraine

Herzlichen Dank, Frau Premierminister, für Ihre Rede!

Sie sprachen von Verfassungsänderungen für mehr Demokratie. Werden Sie in diesem Schritt auch das imperative Mandat in Ihrer Verfassung und in den Gesetzen mit auf den Prüfstand stellen und entfernen? Denn es ist nicht vereinbar mit der Demokratie.

Und ein letztes Wort: Wenn Sie etwas sagen könnten zum Fall Gongadze und der Verantwortung der wirklichen Auftraggeber.

Vielen Dank.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

Frage an Frau Julia TIMOSCHENKO, Premierministerin der Ukraine

Frau Premierminister!

Meine Frage geht in die gleiche Richtung. Ein wichtiges Ziel Ihrer Politik ist es ja, die Sicherheitsinteressen Ihres Landes zu erfüllen, und deshalb meine Frage: Wie sollte Ihrer Meinung nach eine für Ihr Land ausreichende, verlässliche und auch erreichbare europäische Sicherheitsarchitektur aussehen?