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AS (2008) CR 21 AD01 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2008
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(3. Teil)
BERICHT
21. SITZUNG
Dienstag, 24. Juni 2008, 10.00 Uhr
NICHT MÜNDLICH GEHALTENE
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Doris BARNETT, Deutschland, SOC
(Dok. 11612)
Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir in diesen Tagen auf 10 Jahre Einsetzung des Ausschusses für Gleichstellung von Frauen und Männern zurückblicken, sollten wir nicht vergessen, wie mühevoll unser bisher zurückgelegter Weg war und welche Fortschritte doch in den letzten Jahren dank gemeinsamen Handelns erreicht wurden:
Vor 90 Jahren wurde das Wahlrecht für Frauen eingeführt, die bis dahin als politisch unmündig galten.
Vor 60 Jahren dann wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern festgeschrieben. Dass dennoch frauenspezifische Diskriminierung und Menschenrechtsverletzung an der Tagesordnung war, fand dagegen weniger Berücksichtigung. Damals war noch viel Überzeugungsarbeit in unseren Gesellschaften nötig, um dem Prinzip der Gleichheit der Geschlechter vor dem Gesetz Akzeptanz zu verleihen.
1975 dann rief die UN das Internationale Jahr und die Dekade der Frau aus, was einen entscheidenden Wendepunkt für Frauen ausmachte. Die Diskriminierung von Frauen wurde zum ersten Mal international ein Thema, ja, es wurde sogar zur ersten Weltfrauenkonferenz nach Mexiko eingeladen. 1975 war auch das Jahr, in dem in Deutschland die Möglichkeit für Männer abgeschafft wurde, ohne Wissen und Wollen ihrer Ehefrauen deren Arbeitsplatz fristlos zu kündigen. Wie dieses Beispiel zeigt, waren massive Eingriffe in die Rechte der Frauen bis vor kurzem sogar in der fortschrittlichen westlichen Welt möglich.
Allerdings können wir heute feststellen, dass der gesellschaftliche Konsens bezüglich der Gleichstellung von Männern und Frauen in den Focus aller Lebensbereiche zugenommen hat und heute Standard ist, auch wenn die tatsächliche Umsetzung Lücken aufweist.
So wurde anlässlich der Zweiten Weltmenschenrechtskonferenz in Wien in 1993 auch die „Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“ verabschiedet, die Gewalt gegen Frauen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich als Menschenrechtsverletzung ansieht. Damit ist Gewalt geächtet und wird bestraft – allerdings muss sie auch zur Anzeige kommen.
Zwei Jahre später, 1995, fand in Peking die 4. Weltfrauenkonferenz statt. Mit der Annahme der Aktionsplattform haben sich 189 Staaten verpflichtet, die Armut von Frauen zu bekämpfen, den gleichberechtigten Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen und zu Bildung und Gesundheit zu fördern.
Auch in der Europäischen Union wurde und wird weiterhin die Gleichstellung der Geschlechter und damit die Teilhabe von Frauen vorangetrieben und in diversen Richtlinien, die von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen sind, vorangetrieben. Jetzt gilt es, diesen Anspruch von Gleichstellung mit Leben zu erfüllen. Allerdings wäre es viel zu wenig, würden wir darunter nur das Recht verstehen, vor Gericht – und zwar bis vor den Menschenrechtsgerichtshof – ziehen zu können und das Recht einzuklagen. Die „Gleichstellung der Geschlechter“ – ein Leitbild unserer Wertegemeinschaft – muss zum Allgemeingut werden, das nicht ständig hinterfragt werden braucht.
Noch haben wir dieses Ziel nicht erreicht, auch wenn wir auf einem wirklich guten Weg sind. Noch sind Forderungen – wie jetzt auch in der Empfehlung – nach Bekämpfung von Diskriminierung, z.B. im Bereich Beschäftigung, Renten, Abbau des Gehaltsunterschieds, notwendig, wenngleich deren Durchsetzung erst den kommenden Generationen zu Gute kommt. Quotenregelungen haben einen wichtigen Beitrag zur stärkeren Vertretung von Frauen, gerade im politischen Bereich, geleistet, aber sie sind kein Allheilmittel. Qualifizierte Bewerberinnen benötigen effektive Unterstützungs-Netzwerke, um Schlüsselpositionen zu erobern.
Der Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen hat bei uns in Deutschland Verfassungsrang. Dennoch erleben wir, dass z.B. die Umsetzung dieses Grundsatzes bei den 7.619.400 Frauen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland leben, nicht einfach ist. Oft fehlt der wichtigste Schlüssel überhaupt – die Sprache. Deshalb engagieren wir uns nicht nur offiziell, sondern auch in vielen privaten Projekten und Initiativen um die bessere Teilhabe gerade dieser Frauen.
Denn zu Recht fordert die Empfehlung einerseits die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, besonders die sogenannten „Ehrenverbrechen“, andererseits sind auch Maßnahmen notwendig, das Augenmerk der Vertreter der Religionen und der Zivilgesellschaft dahin zu lenken, dass kultureller und religiöser Relativismus die Grundrechte der Frauen nicht unterminieren dürfen.
Wir wissen: es ist nicht damit getan, die Grundrechte der Geschlechter im eigenen Land sicherzustellen, nein, auch in unserem internationalen Handeln, in der Entwicklungszusammenarbeit müssen wir der Gleichberechtigung der Geschlechter zum Durchbruch verhelfen. In Deutschland gehört die Geschlechtergerechtigkeit zu einem der drei Grundpfeiler der Entwicklungszusammenarbeit neben guter Regierungsführung und friedlichem Umfeld.
10 Jahre Gleichstellungsausschuss hat mit Sicherheit dazu beigetragen, das Recht der Frauen auf Gleichbehandlung, auf Gleichstellen, auf Gleichheit, nicht nur ins Bewusstsein der Delegierten zu befördern, sondern über diese in den Mitgliedstaaten auch Fortschritte zu erreichen. Auch wenn dieser Fortschritt manchmal wie eine Schnecke daher kommt, werden wir nicht ungeduldig – schließlich haben wir Frauen nur diesen Weg, von dem uns aber keiner abbringt.