AL08CR24

AS (2008) CR 24

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(3. Teil)

BERICHT

24. SITZUNG

Mittwoch, 25. Juni 2008, 15.00 Uhr

SCHRIFTLICHE REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Doc. 11628 und Addendum)

Herr Präsident!

werte Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte mich erst einmal bei Herr Holovaty für seinen guten Bericht bedanken. Ich bedanke mich auch bei all den Kolleginnen und Kollegen, die den Monitoringprozess für uns qualifizieren und die uns hier die Basis gelegt haben für diese regelmäßige Bestandsaufnahme, die uns so wichtig ist und die uns Maßstab gibt. Ich möchte einige grundsätzliche Bemerkungen zum Monitoring machen. Unser Monitoring ist ein historisch gewachsener Prozess. Er ist historisch ausgerichtet und versucht die Werte, die gestern noch galten zu benutzen, um das was heute passiert zu bewerten. Wir haben wir immer wieder Probleme damit, dass es andere Entwicklungen gibt, nicht-politische, nicht-demokratische, die sich schneller entwickeln als die Gesellschaften, die sich demokratisch organisieren.

Der Markt, der sich in einer rasanten Eile globalisiert, hat dazu geführt, dass ausgetauscht wird, dass Menschen sich mischen und dass die Werte auf dieser Welt durcheinander gekommen sind. Zu den Werten die überall gelten gehören der Euro, der Dollar, die Barrels von Öl, Getreidesäcke – Werte, auf die man sich schnell einigt. Da gibt es keine langen Diskussionen, das geht sehr schnell, das geschieht an den Börsen. Das geht schneller als so mancher demokratischer Beschluss und das formt unser tägliches Leben. Wir sitzen hier und sprechen über demokratische Regeln, die wir uns schaffen und wir sehen, dass unsere Gesellschaften deformiert werden durch das, was die Wirtschaft viel schneller macht.

Wir hatten in Europa in den letzten 500 Jahren ein heftiges Wachstum. Wenn man das menschheitsgeschichtlich betrachtet ist das enorm. Es ging los, als die Kolonien geschaffen wurden, als andere Länder ausgebeutet wurden, Ressourcen aus anderen Ländern nach Europa gebracht wurden. Da wurde Europa stark und wuchs. Kulturen entwickelten sich, neue Technologien wurden importiert und wir haben sehr viel gelernt und sehr viel geraubt. Und das ging weiter und es ist immer noch so. Wir haben zwar keine Kolonien mehr, aber die reichen Länder haben ihren Vorsprung verteidigt. Wir leben immer noch davon, dass es in der Welt Länder gibt, die wir ausbeuten. Es sind unsere Unternehmen – und damit meine ich die reichen Länder –, die Diamanten in Afrika schürfen. Es sind unsere Unternehmen, die das Erdöl aufkaufen, monopolisieren, an den Börsen spekulieren und die dafür sorgen, dass die Kasse stimmt.

Das führt dazu, dass wir dann die Probleme diskutieren, die wir heute Morgen diskutiert haben: die Probleme der Migration. Welcher Mensch verlässt schon gern seine Heimat? Welcher Mensch geht schon gern in ein anderes Land, wo er die Sprache nicht kennt? Wir sind diejenigen, die das verursachen und das schon seit vielen Hundert Jahren. Diese Verantwortung ist nicht Gegenstand unseres Monitoring. Wir machen ein Monitoring über die Folgen, aber nicht über die Ursachen. Wenn wir eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung auf dieser Erde wollen, wenn wir nicht ein neues Mittelalter wollen, wo Oligarchen sich mit privaten Militärfirmen ihren Reichtum sichern, dann müssen wir die Demokratie nicht nur national verstehen. Was Andreas Gross sagte, ist ganz richtig – wir müssen transnationale Demokratien haben. Aber können wir das übertragen, was sich national bewährt hat? Ich glaube, dass ist angesichts der vorher beschriebenen Kräfte nicht so einfach möglich. Ich glaube, dass wir hierfür vielmehr Zeit brauchen und ich glaube, dass wir hier Schutzzonen sichern müssen. Menschen organisieren sich – das ist was wir wollen. Menschen helfen sich gegenseitig. Sie sorgen dafür, dass sie keine Angst haben müssen vor Krankheiten, vor Hunger, vor Not. Das wollen wir demokratisch ermöglichen. Die Skandinavier zeigen uns beispielhaft, wie man wirtschaftlich stark sein, aber trotzdem diesen Zusammenhalt organisieren kann. Was wir brauchen ist ein Best-Practice-Monitoring, welches in die Zukunft gerichtet ist, welches versucht, gesellschaftliche Nachhaltigkeit zu erfassen. Dies ist mein Appell an ein zukünftiges Monitoring und ich wünsche mir, dass wir uns an die Arbeit machen.

Vielen Dank!

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 1 Doc. 11623)

Herr Vorsitzender,

die Antragsteller kennen keinen Staat, der bereit wäre wesentliche politische Rechte in so großzügiger Weise von der Staatsangehörigkeit abzukoppeln und wir halten das auch für die richtige Position, denn Mitbestimmung bedeutet natürlich auch immer Teilhabe an der Verantwortung als Bürgers eines Staates. Deshalb hätten wir gern, dass sie diesem Antrag zustimmen.

Hakki KESKIN, Deutschland, UEL/GUE

(Amendement 1 Doc. 11623)

Es gibt viele Befragungen darüber, warum die Leute, die Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes nicht annehmen wollen oder können. Weil Sie gezwungen werden, ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufzugeben. Aber viele sind nicht bereit, dies zu tun, und deshalb ist es sehr entscheidend, die Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft zu tolerieren.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 2 Doc. 11623)

Herr Vorsitzender,

selbstverständlich hat die Mitgliedschaft in der EU auch Konsequenzen für die Position der Bürger in den Mitgliedsstaaten. Das entspricht der Logik dieses Bündnisses und deshalb glauben wir, dass es berechtigt ist, unserem Antrag zuzustimmen.

Hakki KESKIN, Deutschland, UEL/GUE

(Amendement 2 Doc. 11623)

Wir reden über die politischen Mitwirkungsmöglichkeiten, über die politische Partizipation der Migrantinnen und Migranten. Wenn man diesen Menschen nicht einmal das kommunale Wahlrecht gewähren will, wie soll es dann überhaupt eine politische Mitwirkungsmöglichkeit geben. Daher müssten wir ganz konsequent solch einen Antrag ablehnen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 3 Doc. 11623)

Wir meinen, dass Assimilation in der Regel die Folge erfolgreicher Integration ist und deshalb der im Text vorhandene Gegensatz zwischen beiden Positionen nicht gegeben ist und nicht den Tatsachen entspricht.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 4 Doc. 11623)

Die hier angesprochene Problematik ist in der Bundesrepublik Deutschland jahrelang heftig erörtert worden und hat dort zu dem Ergebnis geführt, dass wir meinen, dass sich jemand entscheiden muss zwischen den verschiedenen Staatsangehörigkeiten, um Loyalitätskonflikten vorzubeugen, die beispielsweise entstehen können, wenn zweierlei Kultur- oder Rechtskreise im Spiel sind. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dieses Wahlrecht ausüben zu lassen bzw. zu verlangen, dass sich der Betroffene entscheidet, welche Staatsangehörigkeit er erhalten will.

Andreas Gross, Schweiz, SOC

(Amendement 4 Doc. 11623)

Die Idee der doppelten Nationalität ist eine der segensreichsten Einrichtungen für die Integration. Und sogar die Deutschen haben es gemerkt, aber sie gewähren es nur den Schweizern, z.B., weil die Schweizer reich sind. Sie müssen es allen gewähren, nicht nur den Reichen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 5 Doc. 11623)

Im Grunde genommen dreht sich die Problematik unserer Anträge immer um zwei Fragen, unter anderem darum, dass wir der Meinung sind, dass es einer engeren Bindung zu einem Staat bedarf, wenn ein Wahlrecht ausgeübt werden soll. Und deshalb glauben wir nicht, dass der bloße Aufenthalt in einem Land ausreicht, sondern es muss eine engere, bessere Bindung zum Staat existieren, wenn dieses Recht zugebilligt werden soll.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 6 Doc. 11623)

Herr Präsident,

jeder von uns weiß eigentlich, dass es gute Gründe dafür gibt, dass solche Einschränkungen in besonders gefährlichen Fällen möglich sind. Ich denke nur etwa an rassistische Betreibungen oder an Terrorismus und deshalb finde ich, muss es bei dieser Möglichkeit bleiben.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 1 Doc. 11625)

Herr Präsident,

im Grunde genommen geht es wieder um die Fragen, die wir vorhin schon einmal erörtert haben und deshalb kann ich auf die Begründung von vorhin verweisen: In Deutschland hat diese Diskussion dazu geführt, dass wir meinen, dass der jeweilige Betroffene sich unter zwei oder mehreren möglichen Staatsangehörigkeiten entscheiden muss.

Hakki KESKIN, Deutschland, UEL/GUE

(Amendement 1 Doc. 11625)

Wir haben vorhin sogar einige Male darüber abgestimmt. Es geht darum, mit welchen Möglichkeiten wir den Menschen in unseren Ländern, in denen sie dauerhaft, seit Jahrzehnten leben, gleiche Rechte gewähren können. Und da können wir nicht da und dort tricksen, sondern nur mit Hilfe des Erwerbs der Staatsangehörigkeit können diese Menschen gleiche Rechte haben. Deshalb bin ich entschieden dagegen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 2 Doc. 11625)

Auch hierüber haben wir bereits geredet, aber was hier formuliert ist, geht weit über das hinaus, was überhaupt in den Staaten bislang vorhanden ist, nämlich ein uneingeschränktes Wahlrecht für Migranten, die 5 Jahre oder weniger im Lande leben, d.h. völlig losgelöst von der Staatsangehörigkeit. Das glaube ich, kann man so nicht stehen lassen.

Hakki KESKIN, Deutschland, UEL/GUE

(Amendement 2 Doc. 11625)

Also es geht nicht um das allgemeine Wahlrecht, sondern es geht um das Wahlrecht auf kommunaler und lokaler Ebene. Für das allgemeine Wahlrecht ist in der Tat der Erwerb der Staatsbürgerschaft notwendig. Deshalb habe ich dafür plädiert, aber das kommunale Wahlrecht können viele Länder mit einem einfachen Gesetz gewähren. Dies ist inzwischen in vielen Ländern, außer in Deutschland, Österreich und Luxemburg der Fall.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Fortsetzung Amendement 2 Doc. 11625)

In der deutschen Übersetzung ist es genau anders formuliert, als es der Kollege Keskin jetzt sagt. Deshalb wäre ich dankbar, wenn die verbindliche englische Übersetzung – die mir allerdings nicht vorliegt – zum Ausgangspunkt der Diskussion genommen würde. Bei der deutschen Übersetzung heißt es „Gewährung des Wahlrechts an Migranten, einschließlich des aktiven und passiven Wahlrechts“, d.h., in deutsch jedenfalls, dass quasi das umfassende Wahlrecht gewährt werden soll. Es kann sein, dass das vom englischen Text abweicht. Das kann ich aber nicht beurteilen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

(Amendement 3 Doc. 11625)

Ehrlich gesagt, haben wir Verständnisschwierigkeiten für diese Formulierung, denn darüber, wer Mitglied dieser Versammlung wird, entscheiden die nationalen Parlamente. Man muss also Angehöriger des nationalen Parlaments oder einer Institution im jeweiligen Staat sein, so dass der Geschäftsordnungsausschuss eigentlich keinen Entscheidungsspielraum hat, andere Regeln dabei einzuführen.