AL08CR35

AS (2008) CR 35 ADD

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(4. Teil)

BERICHT

4. SITZUNG

Donnerstag, 2. Oktober 2008, 15.00 Uhr

NICHT GEHALTENE REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Hakki KESKIN, Deutschland, UEL/GUE

(Doc. 11724, Dringlichkeitsdebatte)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen und Herren!

Der Krieg zwischen Georgien und Russland um Südossetien hat mich tief schockiert. Die Bilder von getöteten und um ihr Leben fliehenden Menschen haben mir erneut auf schreckliche Weise gezeigt, was Krieg bedeutet. Der Krieg zwischen zwei Mitgliedstaaten des Europarates bedarf einer eingehenden Analyse. Ich will hier einige Grundüberlegungen vortragen:

Wie Sie wissen haben Südossetien und Abchasien schon im Zuge der Auflösung der Sowjetunion mehrfach erklärt, dass sie nicht bei Georgien verbleiben, sondern lieber zu Russland gehören oder unabhängig werden wollten. Das Völkerrecht erlaubt jedoch keine Gründung neuer Staaten auf dem Wege einseitiger gewaltsamer Sezession! Dies bedeutet: Abchasien und Südossetien waren und sind völkerrechtlich weiterhin integraler Bestandteil Georgiens. Daran ändert auch die nach dem jüngsten Krieg erfolgte Unabhängigkeitsanerkennung durch Russland nichts!

Allerdings darf die Vorgeschichte dieser russischen Unabhängigkeitsanerkennung nicht unterschlagen werden. Georgien hat grundsätzlich das Recht, seine territoriale Integrität gegen Abspaltungen zu verteidigen. Und genau zu diesem Zweck waren die UNO bzw. die OSZE auch seit vielen Jahren mit der Konfliktbeilegung beschäftigt. Die Lösung solcher Konflikte erfordert viel Geduld und Kompromissbereitschaft auf allen Seiten. Die Raketenangriffe Georgiens auf die südossetische provinzhauptstadt Zchinwali haben diese Bemühungen zunichte gemacht und den Krieg ausgelöst.

Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass Georgiens Entscheidung für den Krieg von den USA gedeckt gewesen war. Washington hat in den Jahren zuvor Georgien militärisch aufgerüstet und in beträchtlicher Zahl Militärberater im Land stationiert. All dies dient dem Ziel, Georgien möglichst rasch in die NATO aufzunehmen und die militärische Einkreisungspolitik gegenüber Russland fortzusetzen und zu verstärken. Hierzu gehört auch die Stationierung des neuen Rakentenabwehrsystems in Tschechien und Polen, das sich in erster Linie nicht gegen den Iran, sondern eindeutig gegen Russland richtet! Diese Politik war und bleibt falsch, da sie den Geist des Kalten Krieges atmet. Sie ist gefährlich, da sie letztlich die europäischen Staaten für die Politik der Busch-Administration instrumentalisiert.

Die eigenen Sicherheitsinteressen Europas, die vielmehr in einer kooperativen Einbindung Russlands liegen müssten, werden durch diese Politik der US-Regierung untergraben. Dem Frieden in Europa und in der Welt ist damit keinesfalls gedient!

Natürlich sind auch an Russland kritische Worte zu richten. Russland hat seinerseits völlig überzogen auf das militärische Vorgehen Georgiens reagiert und ist mit seiner Armee tief nach Georgien eingedrungen. Der Krieg wurde damit weit über die eigentliche Konfliktzone hinausgetragen. Russland muss die territoriale Integrität seiner Nachbarn und die Unverletzlichkeit international anerkannter Staatsgrenzen ohne Wenn und Aber respektieren! Die militärischen Angriffe auf Städte wie Gori oder Poti sind durch nichts zu rechtfertigen! Sofern sich der Einsatz von Streubomben durch die Kriegsparteien zweifelsfrei bestätigen lässt, liegt darüber hinaus ein schwerer Verstoß gegen geltende völkerrechtliche Bestimmungen zum humanitären Umgang mit der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten vor!

Welche Konsequenzen müssten nun gezogen werden? Zunächst diejenige, dass alle Beteiligten an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen. Bestrebungen, die die Isolierung Russlands in internationalen Institutionen und Organisationen zum Ziel haben, sind politisch kurzsichtig und töricht. Dies gilt selbstverständlich auch für die Parlamentarische Versammlung des Europarats. Es ist wichtig, dass die Streitparteien ihre konträren Positionen hier vortragen können! Konträre Positionen verschwinden ja nicht dadurch, indem man einer Seite die Möglichkeit nimmt, ihre Position zu artikulieren!

Darüber hinaus müssen die Friedensvermittlungen wieder in Gang gebracht werden. Der Europarat, vor allem aber die EU müssen sich fragen lassen, in wieweit sie mit präventiven Maßnahmen ernsthaft zur Lösung dieses Konfliktes beigetragen haben, bevor es zum Ausbruch dieses Krieges kam. Wir müssen in Zukunft rechtzeitig und maßgeblich zur politischen Lösung der Konflikte beitragen und deren Eskalation vermeiden helfen. Hierzu gehört ganz sicherlich in der gleichen Region die rasche Beendigung der Besetzung von Teilen des Territoriuims Aserbaidschans und eine Lösung des Berg-Karabach-Konflikts.

Die NATO und allen voran die USA sind aufgefordert, ihre Politik gegenüber Russland ernsthaft zu überprüfen. Die globalen Probleme dieser Welt, wie der Kampf gegen Hungersnöte, unheilbare Krankheiten, den Klimawandel und für eine gerechte Entwicklungsperspektive der armen Länder sind ohne oder gegen Russland nicht zu lösen. Und der Südkaukasus braucht keine Ausdehnung der NATO, sondern eine neue regionale Sicherheitsarchitektur auf der Basis der Prinzipien der OSZE. Um die vorhandenen Konflikte friedlich zu lösen, kann des Gebot der Stunde deshalb nur lauten: Kooperation statt Konfrontation!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!