AL09CR13       AS (2009) CR 13

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

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(2. Teil)

BERICHT

13. SITZUNG

Dienstag, 28. April 2009, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Andreas GROSS, Schweiz, SOC

(Dok. 11701)

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

Sie sind konfrontiert mit einem Bericht, der aus zwei Teilen besteht. 60 Seiten, eine umfassende Analyse – die erste – von Serbien seit der Trennung Serbiens von Montenegro, der Auflösung der Staatsunion und der Unabhängigkeit des Kosovo.

Wir müssen uns bewusst sein, dass die letzten zehn Jahre im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern für Serbien vielleicht die schwersten waren. Das serbische Volk musste sich von Krieg, von Diktatur erholen.

In einem halben Jahr sind es genau 10 Jahre, seit die friedlichen Demonstranten in Belgrad Milošević zum Rücktritt gezwungen haben. Es ist sehr schwierig, diesen Weg zu gehen - Territorium zu verlieren, Gebiete abzutreten, zumal in einem Umfeld, in dem man sich unverstanden fühlt und das Gefühl hat, dass niemand einem hilft. Und es ist auch sehr schwierig, weil man in dieser Zeit mit eigenem Versagen, mit eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert wird.

Die letzten Monate waren voll von Wahlen, sehr umstrittenen Wahlen, und sehr grundsätzlichen Weichenstellungen. Wir sind sehr froh, dass in den Präsidentschaftswahlen im Februar 2008 und in den Parlamentswahlen im Mai 2008 die knappe Mehrheit der serbischen Stimmberechtigten einen europäischen Weg eingeschlagen hat. Es ist sozusagen ein Zurückfinden in die europäische Heimat, denn Serbien war immer ein europäischer Staat und gehörte immer zu Europa, aber hat in Europa lange keine Heimat gefunden, wenn man das so sagen möchte.

Die Resultate dieser Wahlen waren Koalitionen, besondere Koalitionen, in denen das Alte, zu Überwindende genauso vertreten war wie das Neue, Strömungen, welche diesen Weg nach Europa dezidiert einschlugen und verfolgen wollten. Es ist ein Reformprozess eingeleitet worden, durch den der Opposition ein Mitspracherecht eingeräumt werden konnte, nachdem wir kritisiert hatten, dass das Parlament z.B. blockiert war – Sie sehen diese Veränderung zwischen dem ersten und dem zweiten Bericht, dem Hauptbericht und dem Anhang. Heute funktioniert das Parlament so, dass die verschiedenen Bestandteile der Opposition zur Sprache kommen, ohne dass beispielsweise der radikalste Teil der Opposition die Parlamentsarbeit blockieren kann.

Selbstverständlich nehmen wir zahlreiche weitere notwendige Reformen vor. Die großen Pakete sind dabei der ganze Bereich der Gerichtsbarkeit, der ganze Bereich der Partei und der Wahlen, der ganze Bereich der Regionalpolitik und vor allem auch der Kooperation mit der internationalen Justiz im Bezug auf die Kriegsverbrecher.

Im Grundsatz ist es aber ein Bericht, welcher der serbischen Bevölkerung für den eingeschlagenen Weg gratulieren möchte, der zeigt, dass sich seit den knappen Wahlen Mehrheiten konsolidiert haben, sich die Opposition ausdifferenziert hat, dass nicht alle in der Opposition diesen europäischen Weg heute in Frage stellen.

Auch zeigt Ihnen dieser Bericht, dass mein Kollege und ich bereit sind, alles zu tun, damit Serbien das Monitoringverfahren abschließen kann. Wir möchten das so tun – das steht nicht in der Resolution, aber wir haben das in der Kommission und in Serbien gesagt –, dass wir mit dem Präsidenten des Staates zusammen eine Roadmap etablieren und feststellen, welche Reformen bis wann ins Auge gefasst werden müssen, um die Monitoringverfahren abschließen zu können. Und wir sind sehr froh, dass die Botschafterin und auch die Kollegen im Parlament signalisiert haben, dass der Präsident bereit ist, diesen Weg zu gehen und wir freuen uns, dass das für Serbien im Europarat gemacht werden kann.

Detlef DZEMBRITZKI, Deutschland, SOC

(Dok. 11701)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch von meiner Seite aus ein Kompliment und einen Dank an unsere Kollegen Herrn Goerens und Herrn Gross, die diesen Bericht vorgelegt haben. Er zeigt differenziert auf, welche Herausforderungen schon gemeistert worden sind, und welche noch zu lösen sind.

Ich denke, dass ein Rückblick immer wieder notwendig ist, um deutlich zu machen, dass diejenigen, die derzeit Verantwortung tragen, nicht direkt für die schreckliche Politik Miloševićs verantwortlich gemacht werden können, für die dieser in seinem Land eigentlich nie zur Rechenschaft gezogen wurde. Herr Kollege Farina hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Serben selbst Milošević sozusagen zum Teufel gejagt haben.

Srebrenica ist angesprochen worden. Dabei muss man sich immer wieder erinnern, dass beim Dayton-Abkommen Milošević noch mit am Tisch saß und die internationalen Vertreter hier Dinge akzeptierten, die eigentlich nicht zu akzeptieren waren. Die Konsequenzen dieser Politik müssen unsere Kolleginnen und Kollegen von heute austragen.

Kollege Gross hat zu Recht auf die schwierigen zehn Jahre verwiesen, denn wenn man sich in die Situation der Betroffenen versetzt, so ist eigentlich immer wieder die Quadratur des Kreises erwartet worden! Einerseits wurde erwartet, den inneren Reformprozess mit vielen Herausforderungen an die eigene Bevölkerung umzusetzen, und andererseits den staatspolitischen Prozess, zu sehen in Montenegro, im Kosovo.

Ich glaube, dass man an dieser Stelle auch den jetzigen Verantwortungsträgern, ob Präsident, Regierung oder Parlament, Komplimente machen und ihnen Anerkennung aussprechen muss, dass sie diesen Prozess bis hierher in dieser Form durchgestanden haben.

Ich glaube, dass, wie die letzten Wahlen gezeigt haben, die EU, die ja hier für Serbien die Perspektive aufgezeigt hat, die Zusagen, die ihm unterbreitet wurden, wirklich einzuhalten hat und dort, wo zusätzliche Unterstützung notwendig ist, diese auch erbringen muss. Wenn man sich das Wahlergebnis anschaut, dann war es insbesondere die junge Generation, die dazu beigetragen hat, dass dieser europafreundliche, nach Europa wollende Kurs sich durchgesetzt hat.

Vielleicht ist die jetzige Koalition in Serbien ja auch schon ein wenig ein Zeichen dafür, dass der innere Versöhnungsprozess in Gang gesetzt worden ist und tatsächlich gelingen kann. Das ist meine Hoffnung, und wir sollten das unterstützen. Der Bericht legt ja da eine entsprechende Fährte bzw. setzt eine Roadmap fest, aus der hervorgeht, dass dieser Versöhnungsprozess sich nicht nur auf Serbien selbst bezieht, sondern z.B. auch auf Serbien/Kosovo und letztendlich auf die Konflikte, die insgesamt in dieser Region immer noch schwelen, auszudehnen ist.

Hier appelliere ich insbesondere an die Innenpolitiker unserer Länder, insbesondere an die Innenpolitiker der EU: Hier wäre ein Visaregime zu schaffen, das insgesamt mehr Freizügigkeit besonders für junge Leute ermöglicht, als das bisher der Fall ist. Hier liegt ein Schlüssel, wo wir in Europa helfen können, mehr Verständigung und mehr Versöhnung zu ermöglichen.

Herr Kollege MacShane, Sie haben die Reisefreiheit angesprochen. Für uns ist ja immer die besondere Bitterkeit, dass dieser der Prozess jetzt im ehemaligen Jugoslawien so schmerzlich zu spüren ist, wo doch gerade Jugoslawien damals im Ostblock eigentlich das Land war, wo wir Alternativen erkannten.

In dieser Region sehen wir heute Slowenien und Kroatien, die sich in Konflikt befinden - nicht im großen Konflikt, aber in einem, der kaum nachvollziehbar ist. Wir sehen Mazedonien und Griechenland im Streit um den Namen, wir sehen Serbien und Kosovo… Daher mein Appell: Ich glaube, dass wir als Parlamentarische Versammlung des Europarates alle aufgerufen sind, zur Beilegung dieser Konflikte beizutragen.

Diese Region muss endlich zusammen finden. Diese Konflikte sind doch zu überwinden, und zwar ohne Aggression, vielmehr in einer gemeinsamen Verständigung unter dem Dach des Europarates bzw. der Europäischen Union.

Vielen Dank.

Doris STUMP, Schweiz, SOC

(Dok. 11784)

Herr Präsident,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Im Namen der sozialistischen Fraktion kann ich diesen Bericht und die Resolution voll umfänglich unterstützen.

Wir müssen immer wieder und mit aller Deutlichkeit, mit Nachdruck und großer Beharrlichkeit auf die vielfältigen Verletzungen der Rechte der Frauen auf dieser Welt hinweisen und alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, einsetzen, um diese Verletzungen der körperlichen Integrität und der Menschenrechte der Frauen zu verhindern und zu bekämpfen.

Der vorliegende Bericht greift nicht zum ersten Mal in diesem Rat die Probleme der Genitalverstümmelung und der Zwangsheirat auf und fordert unsere Mitgliedsstaaten auf, Maßnahmen zur Vermeidung dieser Gewalttaten und von Menschenrechtsverletzungen, sowie Maßnahmen zum Schutz von Opfern dieser Taten zu treffen, denn Menschenrechtsverletzungen lassen sich nie mit kulturellen Unterschieden, mit einem Kulturrelativismus rechtfertigen.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen bestehen einerseits in Informations- und Sensibilisierungskampagnen über die Rechte von Mädchen und Frauen, und andererseits in der Forderung nach gesetzlichen Grundlagen zum Schutz von Opfern, auch wenn die Frauen in ihre Herkunftsländer entführt werden.

In der Schweiz wird im Moment ein Gesetz diskutiert, das es möglich machen soll, Eltern zu verurteilen, wenn ihre Töchter in irgendeinem anderen Land genital verstümmelt wurden. Die Verurteilung einer Tat, die nicht in der Schweiz begangen wurde, soll also trotzdem in der Schweiz erfolgen können. Das ist rechtlich offenbar eine neue Kreation, soll aber in Zukunft möglich sein.

Der vorliegende Bericht zählt diese Maßnahmen im Detail auf und ich denke, wir sollten sie so gut wie möglich umsetzen. Das Problem ist leider immer wieder, dass besonders für Informationskampagnen nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Diese Kampagnen dürfen nicht daran scheitern, dass wir diese Mittel nicht zur Verfügung stellen, weil wir sonst die Menschenrechte dieser Mädchen und Frauen nicht gewährleisten wollen. Diese Informationskampagnen müssen eine hohe staatspolitische Priorität bekommen, in viel größerem Maße, als das bisher in den meisten Ländern der Fall ist.

Gewalt gegen Frauen ist nicht nur ein Problem von Migrationsfamilien. Wir haben genügend Hinweise und Erfahrung damit, dass in europäischen Ländern Gewalt gegen Frauen in verschiedensten Formen – Vergewaltigung, sexuelle Ausbeutung, häusliche Gewalt – nach wie vor verbreitet ist. Deshalb müssen wir diese Informationskampagnen breit ausrichten, sodass alle Frauen und Mädchen davon profitieren und nicht mehr unter diesen Gewaltmöglichkeiten leiden, die Männer, oft auch europäische Männer, nutzen, um Frauen zu missbrauchen, Mädchen ausnutzen. Dies darf nicht mehr möglich sein.

Deshalb ist eine neue Konvention des Europarates gegen Gewalt gegen Frauen von großer Dringlichkeit. Ich danke der Berichterstatterin und den Mitarbeiterinnen dieses Berichtes dafür, dass sie nochmals darauf hingewiesen haben.