AL09CR14ADD1       AS (2009) CR 14

Addendum 1

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

________________________

(2. Teil)

BERICHT

14. SITZUNG

Mittwoch, 29. April 2009, 10.00 Uhr

NICHT MÜNDLICH GEHALTENE REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Doc. 11859)

Sehr geehrter Herr Präsident!

Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Europarats, sich um Menschen zu kümmern, die durch Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Terror in Not geraten sind, meist um Leib und Leben fürchten müssen. Ihnen zu helfen, müssen wir alles uns Mögliche tun. Und die Aktivitäten und Vorschläge unserer Berichterstatter im Konflikt zwischen Gorgien und Russland entsprechen genau dieser Vorgabe. Dafür Anerkennung und Dank.

Diese Bemühungen dürfen auch nie aufgegeben werden, etwa weil die Lösung unendlich schwierig ist und sich über lange Zeit hinzieht. Dabei müssen wir ein Beispiel für konsequente Beharrlichkeit geben, denn es gehört zum innersten Kern der Aufgaben des Europarats, nie müde zu werden, sich in humanitären Angelegenheiten zu engagieren. Und zwar verlässlich und beharrlich, denn nur so gewinnt und behält man Glaubwürdigkeit und Durchsetzungsvermögen in humanitären Dingen.

Außerdem gibt es bei der Umsetzung der vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen, v.a. auf russischer Seite, große Defizite, so dass wir leider feststellen müssen, dass viele vereinbarte Schritte noch nicht umgesetzt worden sind. Unsere Berichte nennen diese nicht eingelösten Versprechen klar beim Namen, z.B. halten russische Truppen sich immer noch in dem im georgischen Kernland gelegenen Ort Perevi auf und die internationalen Beobachter haben immer noch keine ausreichende Bewegungsfreiheit.

Wir dürfen aber ob des so eindringlichen aktuellen Elends auch nicht müde werden, die Ursachen dafür anzuprangern und die dafür Verantwortlichen zu nennen. Diese Ursachen liegen letztlich darin, dass Regierungen von Staaten elementare Gebote des Völkerrechts und des humanitären Menschenrechts absichtlich massiv verletzt haben und diese Verletzungen immer noch anhalten.

So wurden und werden elementare Menschenrechte, wie z.B. das Gebot körperlicher Unversehrtheit, genauso wie das Verbot der Vertreibung oder von Terror und Folter nicht beachtet. Oder im Falle des Völkerrechts gegen das ganz zentrale Recht jeden Staats auf territoriale Integrität, d.h. den Grundsatz, dass Staatengrenzen nur friedlich und einvernehmlich geändert werden dürfen, verstoßen.

Diesem Eckstein des Völkerrechts kommt deshalb eine so große Bedeutung zu, weil wir aus Erfahrung und der Geschichte – bis hin zum jüngsten Krieg in Georgien – wissen, dass jeder Verstoß zwangsläufig fatale Folgen hat: So

- gibt es regelmäßig große Opfer unter der unschuldigen Zivilbevölkerung; in Georgien z.B. durch den Einsatz von Streubomben auf beiden Seiten;

- werden Tausende von sesshaften Menschen zu heimatlosen Flüchtlingen gemacht, was

- immer mit massenhaftem Absturz in Elend und Armut einhergeht, die lange anhält, weil

- regelmäßig auch die für den Alltag der Bevölkerung unverzichtbare Infrastruktur und wirtschaftliche Basis vernichtet wird.

- Und es werden Angst und Schrecken, Misstrauen, Wut, Hass und Vergeltungs- und Rachegefühle gesät, was auf unbestimmt lange Zeit

- Jedes gedeihliche Zusammenwirken unter Nachbarn zum gegenseitigen Nutzen und zur Mehrung des Wohlstands der Bevölkerung unmöglich macht.

Das bedeutet, dass die Menschen in der Region um Jahrzehnte zurück geworfen werden. Dabei müssten sie ihre Kraft, ihre Talente bündeln, um die reichhaltigen Chancen zu nutzen, die in diesem von der Natur und der Lage so begünstigten Teil unserer Erde vorhanden sind, gemeinsam zu entwickeln und zu nutzen.

Dies verhindert zu haben, halte ich für ein Verbrechen an der jetzt von Leid und Elend geplagten und um ihre Zukunftschancen gebrachten Bevölkerung.

Und weil wir am Beispiel Georgiens wieder einmal erleben mussten, wie schnell sich nicht gelöste Konflikte in einen offenen Krieg verwandeln können, müssen wir alles daran setzen, ähnliche Problemlagen schon vor dem Ausbruch eines Feuers zu befrieden – unter Berücksichtigung unserer Erfahrungen und unseres Wissens um die zentrale Bedeutung wichtiger völkerrechtlicher Prinzipien, wie der Achtung des Rechts auf territoriale Unversehrtheit.

Das bedeutet für den südkaukasischen Raum eben, dass jetzt mit aller Kraft daran gearbeitet werden muss, den weiteren möglichen Brandherd friedlich zu beseitigen, nämlich den Konflikt um Nagorno-Karabach, dem auch die Missachtung von Völkerrecht zugrunde liegt. Hier hat im übrigen Russland – wie bei allen sog. frozen conflicts – kraft direkter oder indirekter Beteiligung auch eine besondere Verantwortung und wir müssen verlangen, dass Russland diese verantwortungsbewusst und lösungsorientiert auch nutzt. Das immer wieder anzumahnen gehört geradezu zu unserer Pflicht als Europarat.