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AS (2009) CR 22
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

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(3. Teil)

BERICHT

22. SITZUNG

Mittwoch, 24. Juni 2009, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

 


Herta DÄUBLER-GMELIN, Deutschland, SOC

(Dok. 11934)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte zunächst meiner Freude Ausdruck geben, dass wir Sie, sehr verehrter Professor Cassese, zu diesem wichtigen Thema der Diskussion über den Stand der Menschenrechte hier in Europa hier bei uns begrüßen dürfen.

Wir freuen uns ganz besonders, weil wir in Ihnen ja nicht nur einen der wichtigsten Völkerrechtler unter uns haben, sondern auch einen Mann, der erhebliche Erfahrungen im Bereich der internationalen Strafgerichtsbarkeit mitbringt und außerdem dafür verantwortlich ist, dass der UN-Bericht über die schwersten Menschenrechtsverletzungen im Darfur zusammengestellt werden konnte, der UN-Bericht, der dann die Grundlage dafür war, dass Darfur als Fall an den Internationalen Strafgerichtshof gegangen ist.

Als wir vor einigen Monaten vorgeschlagen haben, die Überwindung der Straflosigkeit zum Thema der diesjährigen Grundsatzdiskussion über den Zustand der Menschenrechte in den Ländern des Europarates zu machen, wurde vielfach gefragt: Ist denn das überhaupt ein wichtiges Thema? Haben wir denn nicht die europäische Konvention für Menschenrechte und nationale Schutzsysteme für Menschenrechte? Haben wir denn nicht Verantwortlichkeit von Staaten, von Polizei, von Gerichten? Haben wir nicht nationale Strafgesetze? Haben wir nicht den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und sollte das nicht ausreichen, um Straflosigkeit gar nicht erst möglich zu machen?

Wir haben festgestellt, dass das nicht so ist. Wir müssen noch viele Schritte mehr unternehmen, um die Straflosigkeit tatsächlich durchzusetzen, weil Straflosigkeit bei schweren Menschenrechtsverletzungen einfach nicht Platz greifen darf.

Übrigens haben wir bei der Diskussion um dieses Thema nie Zweifel daran gehört, dass Straflosigkeit überwunden werden muss, und das ist gut. Straflosigkeit darf nicht Platz greifen! Diese Feststellung spiegelt das Rechtsbewusstsein wider, das uns hier in den 47 Ländern des Europarates eint, und es spiegelt das Gerechtigkeitsempfinden der 800 Millionen Menschen wider, die in diesen Staaten leben und über die Einhaltung derer Menschenrechte wir hier zu wachen haben.

Es ist der Schutz der Menschenrechte, es ist die Sorge für individuelle Gerechtigkeit, aber es ist auch der Gedanke der Abschreckung und der Vorbeugung weiterer Menschenrechtsverletzungen, die uns darauf beharren lässt, dass Straflosigkeit, wo immer wir sie finden, überwunden werden muss.

Das gilt auch für Immunität von politisch oder militärisch Mächtigen, sowie für Anstifter, Hintermänner und Drahtzieher. Denn es ist viel weniger die Höhe der Strafe, die der Verletzung von Menschenrechten vorbeugt, oder davon abschreckt, Verbrechen zu begehen, die Menschenrechtsverletzungen bedeuten; sondern es ist die Gewissheit, dass man nicht straflos davonkommt, egal, wie mächtig man ist, die tatsächlich helfen kann, Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Nun aber zu der Frage: Wo gibt es denn Straflosigkeit bei uns in den Ländern des Europarates? Wir wissen, dass es sie in vielen Staaten in Afrika und Asien gibt; darüber lesen wir in den Nachrichten jeden Tag. Aber es gibt sie eben auch in unseren Mitgliedsstaaten in vielfältigster Form, und wenn wir uns die Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und die dort gefällten Urteile anschauen, dann entdecken wir die Schwachstellen und die unterschiedlichen Formen von Straflosigkeit, die wir überwinden müssen.

Jeder von uns redet sehr häufig mit Nichtregierungsorganisationen, die sich Gott sei Dank in unseren Ländern zivilgesellschaftlich betätigen und uns sagen, wo Schwachstellen sind. Gestern haben wir mit einer Menschenrechtsorganisation aus dem Nordkaukasus geredet, die uns über Fälle des Verschwindenlassens und der Nichtverfolgung von schwersten Unterdrückungsmaßnahmen berichtet haben.

Solche Beispiele hören wir natürlich auch aus anderen Bereichen des Europarates, ob nun aus der Türkei oder aus der Republik Moldowa; Sie alle könnten die Kette der Beispiele natürlich verlängern. Da werden Menschenrechtsaktivisten unterdrückt und verschwinden, und es finden eben nicht genügend Strafverfolgung bzw. keine ausreichenden Ermittlungen statt. Da wird die freie Meinungsäußerung unterdrückt, da werden von Polizisten oder von ihnen geduldet durch Hooligans Demonstrationen von Homosexuellen nieder geprügelt.

Da werden Journalisten und Oppositionelle erschossen, und es häufen sich die Fälle, wo Täter, zufällig oder nicht, nie gefunden werden. Da werden Roma diskriminiert, da werden Ausländer geschlagen, da werden Juden oder Muslime wegen ihrer Religion beleidigt, ohne dass der Staatsapparat wirksam einschreitet, obwohl die Europäische Konvention für Menschenrechte den Schutz und auch die Ermittlung klar vorschreibt.

Und es werden selbstverständlich - darüber wird auch meine Kollegin noch sehr deutlich reden - in vielen Fällen Frauen Gewalt, auch sexueller Gewalt, ausgesetzt; das große Thema der sogenannten Ehrenmorde durch fehlgeleitete oder falsch erzogene verblendete junge Leute ist ebenfalls ein Beispiel.

Lassen Sie mich sagen, dass wir dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich für seine großartige Arbeit danken. Ich möchte diesem Dank noch etwas hinzufügen: Ich bedanke mich bei allen Mitgliedern der Delegationen hier in diesem Haus, die in ihren eigenen Ländern nicht nur den Finger auf Schwachstellen legen, sondern in manchmal sehr zähen Verhandlungen mit Regierungen, auch mit Polizei und anderen Agenturen dafür sorgen, dass sich die Zustände verbessern; das ist manchmal sehr schwer.

Und ich bedanke mich auch bei den vielen aktiven Menschenrechtsaktivisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Tag für Tag in außerordentlich mutiger Weise dafür sorgen, dass Missstände aufgedeckt und Menschenrechte geschützt werden, dass Menschen weniger leiden.

Dies alles enthält der Bericht. Das Memorandum ist außerordentlich lesenswert, deshalb empfehle ich Ihnen, es sehr sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen und auch zu Hause, in den nationalen Parlamenten, zu verwerten.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Forderungen sagen, die wir anschließen. Diese Forderungen richten sich natürlich an das Ministerkomitee, bei der Kontrolle der Umsetzung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes nicht nachzulassen. Sie richten sich an das Ministerkomitee, hier klare Richtlinien für die Überwindung der Straflosigkeit auszusprechen und den Europäischen Gerichtshof zu stärken.

Alles das und noch mehr fordern wir. Aber wir haben natürlich auch Forderungen auch an uns selbst zu stellen, an die Mitglieder des Hauses in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder von nationalen Parlamenten. Hier gibt es noch sehr viel zu tun. Lassen Sie uns deshalb zusammen stehen und es gemeinsam angehen.

Herzlichen Dank.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Dok. 11934)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben heute einen Bericht vorliegen, der uns vor Augen führt, dass wir nur einen Teil dessen erledigen, was notwendig ist. Wir haben jahrelang Rechtssysteme geschaffen und ganz dezidiert Regeln aufgestellt. Wir alle wissen und haben schriftlich vorliegen, was Recht ist und was eigentlich zu tun wäre. In dieser Welt sehen wir aber Millionen von Menschen, die erniedrigt werden, Tausende werden getötet, Menschen, die in vielen Ländern gefoltert werden.

Dann treffen sich Regierungen, um zu verhandeln. Bei diesen Verhandlungen sitzen jene, die diese Verbrechen anordnen selbst am Tisch. Wir kennen sie, wir wissen in welchen Ländern gemordet und gefoltert wird. Und auch wir treffen uns mit diesen Kollegen. Es ist unerträglich zu wissen, welche Verbrechen in dieser Welt geschehen, und wie wenig sie geahndet werden.

Viele Staaten haben ein Interesse daran, in anderen Staaten Rohstoffe zu ernten, Gold, Kupfer, Diamanten, Öl, Gas,…

Wir die reichen Staaten missbrauchen schwache Staaten und lassen es zu, dass diese Staaten schwach bleiben, weil dann die Rohstoffe billiger sind und weil man dann leichter Menschen bestechen kann. Wir nehmen in Kauf, dass die dort bestochenen Menschen foltern und töten, damit wir leichter an die Rohstoffe kommen. Dieser Zustand kann nur dann weitergehen, wenn wir diese Situation nicht gemeinsam angehen. Daher finde ich die von Professor Cassese und der Berichterstatterin Herta Däubler-Gmelin vorgebrachten Vorschläge – Herta, vielen Dank für Deinen Fingerzeig an die Versammlung – vorzüglich. Nämlich die Einrichtung einer Monitoringkommission, die konsequent auf die nicht bestraften Taten hinweist, und die Gerichte, Politiker und Regierungen benennt, die diese Verbrechen decken, mitmachen, die Strafen verzögern, die sich nicht um die Strafverfolgung der Täter kümmern, oder die Ermittlungen erschweren.

Die Menschen, die da mitmachen sind genauso schuldig wie die Straftäter und müssen ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist gut, heute über diesen Bericht zu diskutieren, aber wir haben schon viele Berichte behandelt. Wir kennen uns und wissen daher, dass gewisse Mitgliedstaaten, wie Russland zum Beispiel, die Handlungsfähigkeit unseres Menschenrechtsgerichtshofes blockieren, eine Weiterentwicklung erschweren und sich bei der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung von Menschen, die morden, foltern und andere zu Zwangsarbeit verurteilen, in den Weg stellen. Die aktuelle Situation benötigt konkrete Handlungsempfehlungen, Maßnahmen und Instrumente. Dies sollte gemeinsam getan werden, wie auch von Professor Cassese eben angesprochen. Die überall zu habende gekaufte Gewalt führt dazu, dass Straftaten begangen werden, ohne vor Strafverfolgung zittern zu müssen. Ich habe dies in einem heute wieder einigermaßen friedlichen Land – Guatemala – miterlebt. Dort kostete es damals 30 Dollar einen Menschen umbringen zu lassen. Der Täter konnte sicher sein, nicht vor Gericht gestellt zu werden.

Wir beziehen unseren Kaffee aus diesen Ländern, und genauso verhält es sich mit Ländern, in denen wir Uran, in Nordafrika Erdöl, oder Rohstoffe für unsere Handys (im Kongo) kaufen. Diese Zusammenhänge sollten wir sehen, und wenn wir diese nicht aufdecken, Druck auf die Regierungen ausüben und keine Möglichkeiten schaffen, die Schuldigen vor Gericht zu stellen, machen wir uns schuldig,

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Herta DÄUBLER-GMELIN, Deutschland, SOC

(Dok. 11934)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte zunächst Herrn Professor Cassese für seine nicht nur mündlichen Ausführungen danken, sondern auch für seine schriftliche Rede, die wir im Detail bekommen und studieren werden. Danke auch für die praktischen Hinweise.

1. bezüglich der besseren Umsetzung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes. Wir haben da schon sehr viel in unseren Empfehlungen drin, aber Sie haben das sehr viel klarer und im Detail ausgedrückt.

2. bezüglich der Einrichtung eines unabhängigen Europäischen Gremiums, das diesen schweren Beschuldigungen schwerster und systematischer Menschenrechtsverletzungen nachgehen soll.

Ich denke es wäre klug, dies lässt auch unsere Geschäftsordnung zu, diese neue Anregung in den Bericht und in die Empfehlungen aufzunehmen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch für die vielen Hinweise, Vorschläge und Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen der verschiedensten Delegationen bedanken. Natürlich ist es manchmal leichter, sich in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern zu äußern. Es ist natürlich nicht immer schön kritisiert zu werden, es ist aber notwendig. Deswegen danke ich ausdrücklich auch jenen, die Kritik und Ausführungen bezüglich anderer Länder gemacht haben, wir werden diese auch sicher aufgreifen.

Danke auch jenen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Lage und den Schwachstellen der Menschenrechte in ihren eigenen Ländern beschäftigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier die Verantwortung für alle 47 Mitgliedstaaten des Europarates tragen, sowie natürlich auch für unsere eigenen Länder. Da gibt es noch einiges zu tun.

Danke auch jenen, die in ihren Ländern sehr viel an Arbeit und Mühen investieren, um die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen, um Wiederholungen zu verhindern, und auch um Verletzungen abzumildern. Deswegen möchte ich hier vor allem den Beitrag des Kollegen Türkes nennen, der uns erst nach der Veröffentlichungen des Berichtes erreicht hat. Wir sind dankbar dafür, dass die Entschädigungszahlungen aufgenommen worden sind. Das ist ein sehr gutes Beispiel, wie wir alle voneinander lernen können. Ich denke, dass dies eine sehr gute Sache ist.

Als letzten Punkt würde ich gerne Herrn Slutsky’s Wortmeldung aus der Russischen Föderation aufgreifen. Wir sind sehr daran interessiert, dass vor allem die Menschen, die im Verantwortungsbereich der Russischen Föderation leben, ihre Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg geltend machen können. Selbstverständlich auch wenn es , wie es hier der Fall ist, Klagen aus dem Russisch-Georgischem oder Georgisch-Russischem Krieg gibt, damit diese zügig behandelt werden können. Gerade aus diesem Grund darf ich Herrn Slutsky und auch andere Kollegen daran erinnern, dass wir seit über einem Jahr darum bitten, dass das das Zusatzprotokoll 14 von der Duma ratifiziert wird.

Vielen Dank für die Unterstützung. Diese Diskussion war ein guter Schritt in diese Richtung.

Herta DÄUBLER-GMELIN, Deutschland, SOC

(Dok. 11934, mündliches Amendment Nr.1)

Danke, Herr Präsident!

Dieser Zusatzantrag nimmt genau das auf, was ich angekündigt habe: die Anregung von Professor Cassese, wie wir die Ermittlungen und damit auch den Schutz der Menschenrechte noch effizienter machten könnten. Deswegen die Formulierung, und ich denke, der Zusatzantrag passt auch an dieser Stelle sehr gut. Ich will das auch gleich ankündigen: Wir sollten ihn auch bei den Recommendations dann hinzufügen.

Vielen Dank.

Herta DÄUBLER-GMELIN, Deutschland, SOC

(Dok. 11934, mündliches Amendment Nr.2)

Herzlichen Dank, Herr Präsident!

Ich glaube, ich brauche die Zeit gar nicht, weil ich schon begründet habe, warum dieser mündliche Zusatz als Folge dessen, was Professor Cassese vorgeschlagen hat, sinnvoll ist. Er wiederholt sich hier, und ich wäre dankbar, wenn wir ihn annehmen könnten.

Danke.