AL10CR04       AS (2010) CR 04

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2010

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(1. Teil)

BERICHT

4. SITZUNG

Dienstag, 26. Januar 2010, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096)

Danke, Herr Vorsitzender!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wenn wir über Menschenhandel sprechen, dann sprechen wir über eines der schrecklichsten Übel in unserer Gesellschaft. Der Europarat hat der Bekämpfung dieses Verbrechens Priorität eingeräumt. Schließlich handelt es ich um einen der schlimmsten Verstöße gegen die Rechte und die Würde der Menschen sowie gegen die Unversehrtheit der Menschenrechte.


Der Menschenhandel hat System. Ein System, das sich in Zeiten der Globalisierung und unterstützt durch die modernen Techniken besser denn je etablieren konnte. Dabei spielen die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse eine wichtige Rolle. Auf der einen Seite gibt es Armut und Perspektivenlosigkeit, auf der anderen Seite herrscht der Wunsch nach billigen Arbeitskräften und der Erfüllung oft grenzenloser sexueller Begierden.

Menschenhandel kann als moderner Sklavenhandel bezeichnet werden. Frauen und Kinder sind davon besonders betroffen. Es ist gut und wichtig, dass der Europarat der Bekämpfung des Menschenhandels eine besondere Stellung eingeräumt hat. Gut ist auch, dass die meisten Mitgliedsstaaten seit Beschluss der Konvention im Jahr 2005 dieses Übereinkommen unterzeichnet und auch ratifiziert haben.

Viele Unterzeichner und Unterzeichnerinnen sind uns aber nicht genug: Wir wollen, dass alle unterzeichnen und ratifizieren, dass alle die Notwendigkeit und die Pflicht erkennen, sich dem Kampf gegen den Menschenhandel zu widmen – auch, damit eine wirksame, länderübergreifende Zusammenarbeit möglich wird. Außerdem drängen wir darauf, dass neben den weiteren Staaten die Europäische Union als Staatenverbund der Konvention zustimmt und sie in ihrem Geltungsbereich entsprechend umsetzt. Auch die Beobachterstaaten sind herzlich eingeladen, diese Konvention zu unterzeichnen.

Um das Übel Menschenhandel, von dem alle unsere Staaten betroffen sind, konsequenter zu verfolgen, hat der Ausschuss zur Gleichstellung von Frauen und Männern beschlossen, an der Konvention weiterzuarbeiten. Der Ihnen nun vorliegende Entwurf betont neben der Aufforderung zur Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention erneut die wichtigsten Maßnahmen, die darin verankert sind: Erstens die Verfolgung der Täter, dann, nicht weniger wichtig, der Schutz der Opfer, die Prävention und ein wirksames Monitoring.

Gerade der Fokus auf Opferschutz sowie die Einrichtung einer eigenen Monitoringgruppe, der Experten- und Expertinnengruppe für die Bekämpfung des Menschhandels, genannt GRETA, machen die Europaratskonvention so besonders. Selbstverständlich muss die Verbrechensbekämpfung weiterhin ein wichtiges Ziel bleiben, aber die Berücksichtigung der Opfer, die Realisierung dieser spezifischen Situation sowie deren Schutz sind nicht nur eine wesentliche Aufgabe des Europarates, der sich der Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hat, sondern auch eine Möglichkeit, diesem Verbrechen besser auf die Spur zu kommen.

Um der Dringlichkeit der Anliegen im Bereich des Opferschutzes Rechnung zu tragen, ist es wichtig, dass jene Staaten, in denen die Konvention noch nicht in Kraft getreten ist, vorab schon zumindest die wichtigsten Bestimmungen des Opferschutzes unverzüglich anwenden. Das heißt etwa sensibles Vorgehen im Ermittlungsverfahren oder die Gewährung einer Erholungs- und Bedenkzeit von 30 Tagen für die Betroffenen.

Ebenso wichtig ist die Unterstützung der Opfer und die Einrichtung von mehrsprachigen Informations-, Aufnahme- und Hilfszentren. Die Prämisse muss sein: Opfer des Menschenhandels sind keine illegalen Einwanderer und benötigen speziellen Schutz.


Das GRETA-Komitee hat sich vor etwa einem Jahr bereits konstituiert. Selbstverständlich könnte es besser arbeiten, wenn sämtliche Mitgliedsstaaten schon unterzeichnet hätten. Nach dem erfolgreichen Hammerbergischen Vorbild einer unabhängigen Monitoringgruppe soll GRETA der Garant dafür werden, dass die Maßnahmen, die in der Konvention und dem vorliegenden Entwurf verankert sind, auch wirklich umgesetzt werden. Dabei ist die Zusammenarbeit der Staaten unerlässlich.

Damit GRETA effizient tätig sein und Unabhängigkeit garantieren kann, ist die Ausstattung mit ausreichend finanziellen und personellen Ressourcen notwendig. Wir fordern daher die Mitgliedsstaaten des Europarates – uns selbst sozusagen – auf, dafür Sorge zu tragen, dass diese Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Der Kampf gegen den Menschenhandel, dem sich der Europarat schon seit zig Jahren zugewandt hat, gipfelte im Jahr 2005 in der Konvention des Europarates gegen den Menschenhandel. Dabei hat der Europarat in der Bekämpfung des Menschenhandels wichtige Standards markiert. Die parlamentarische Versammlung und der Ministerrat werden aufgefordert, dass diese Standards auch weiterhin maßgebend bleiben und die Konvention von 2005 eine Vorrangstellung behält; das gilt auch für die Monitoringgruppe GRETA.

Es muss verhindert werden, dass Eitelkeiten und mangelnde Koordination den Kampf gegen den Menschenhandel bremsen und der Fokus gerade in der so notwendigen Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, der OSZE und den Vereinten Nationen auf einer sachlichen Ebene bleibt. Ziel muss sein, vereint und damit effizient gegen den Menschenhandel vorzugehen.

Eine wichtige Grundlage dafür haben die Vereinten Nationen mit dem Palermo-Protokoll geschaffen – das ist das Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität – und Zusatzprotokolle zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels.

Die Mitgliedsstaaten des Europarates sind im Rahmen dieses Entwurfes zu einer Entschließung bzw. einer Empfehlung aufgefordert, diese UN-Konvention im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Menschenhandels zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Auch die Europäische Union hat mit Beschlüssen einen wesentlichen Beitrag zum Vorgehen gegen den Menschenhandel geleistet, z.B. 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren, 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels, 2004 die Richtlinie des Rates über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind und denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde, und die mit den zuständigen Behörden kooperieren.

Die EU kann unseres Erachtens diesen Beitrag zur Bekämpfung des Menschenhandels noch vergrößern, indem sie als Staatenverbund der Konvention des Europarates beitritt, sie unterzeichnet und ratifiziert und die Maßnahmen in ihrem Geltungsbereich umsetzt.

Zusammenarbeit ist genauso wichtig wie die Einhaltung von Standards. Um den Dialog aller Partner und Partnerinnen, die sich dem Kampf gegen den Menschenhandel verschrieben haben, aufrechtzuerhalten, schlägt der Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern vor, in diesem Jahr eine gemeinsame Konferenz zur vorliegenden Problematik abzuhalten.

In diesem Sinn bitte ich Sie, dem vorliegenden Entwurf zuzustimmen und diese Konvention zu unterstützen. Damit helfen wir, damit helfen Sie mit, dass die Konvention des Europarates gegen den Menschenhandel endlich von allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet und ratifiziert wird und Opferschutz wie Monitoring zu einem verbindlichen Standard in der Bekämpfung dieses Verbrechens führen.

Sehr geehrte Damen und Herren, tragen wir gemeinsam dazu bei, diesem übelsten Verbrechen der Gegenwart, dem Menschenhandel, entgegenzutreten.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096)

Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender!

Heute Mittag beim Ausschuss für Chancengleichheit durften wir einen eindrucksvollen Beitrag hören. Der Vater eines Opfers von Menschenhandel ist den steinigen Weg durch sämtliche Instanzen gegangen; ein russischer Staatsbürger, der im eigenen Land vier Jahre für Gerechtigkeit gekämpft hat.

Seine Tochter, sein einziges Kind, wurde unter falschen Voraussetzungen aus Russland weggelockt. Man bot ihr einen Vertrag als Übersetzerin an, den sie auch unterschrieb. Sie hatte zwei russische Universitäten absolviert und wollte in Zypern als Übersetzerin arbeiten. Sie landete in einem Etablissement, einem sogenannten Cabaret, in dem sie offensichtlich angehalten wurde, alle möglichen Sex-Dienste zu leisten.

Das akzeptierte sie offenbar nicht. Sie entfloh schon nach wenigen Tagen diesem Arbeitgeber, wandte sich an die Polizei und wurde von der Polizei wieder diesem Arbeitgeber zugeführt. Ein schreckliches Schicksal, das dieser jungen Frau widerfahren ist! Aus unerfindlichen Gründen – man könnte annehmen, dass es sich um Mord handelt – fiel sie schon vierzig Minuten später aus dem 5. Stock auf die Straße.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Januar hier ein Urteil gesprochen. Neben diesem furchtbaren menschlichen Leid ist an diesem Fall auch besonders tragisch, dass dieser Vater, dessen Tochter gestorben ist oder ermordet wurde, erst nach neun Jahren Recht bekommen hat. Das sollte so nicht sein!

Wer schnell hilft, hilft doppelt – das gilt auch im Recht. Sein Recht muss man schnell erhalten, das darf nicht neun Jahre dauern! Neun Jahre, in denen alles wieder durcherlebt werden muss! Das ist oft bei der sexuellen Ausbeutung von Kindern so, wie auch in diesem Fall, wo der Vater es sich offenbar als Lebensaufgabe gegeben hat, für seine Tochter Gerechtigkeit zu erlangen.

Zum Schluss hat er uns noch mitgegeben, was ihm besonders wichtig war: Nicht, dass ihm im Urteilsspruch recht gegeben wurde, nicht, dass ihm Schadensersatz zugesprochen wurde; sondern wirklich wichtig war ihm, dass darauf aufmerksam gemacht und informiert wird, damit man sich nicht naiv von irgendwelchen Angeboten verführen lässt, die sich dann als immens gefährlich herausstellen und nicht selten mit dem Tod der Opfer enden.

Das war für mich das Eindrücklichste während der Verfassung des Berichts, was dieser Vater von diesem ermordeten Kind, seiner Tochter, zu erzählen hatte.

In diesem Sinne ist es sehr wichtig und richtig und unsere Pflicht, hier weiterzuarbeiten für den Kampf gegen den Menschenhandel. Das ist das oberste Gebot unserer Versammlung, und hier rentiert es sich, sich einzusetzen.

Herzlichen Dank.

Amendments :

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 11)

Danke, Herr Vorsitzender !

Ich bin anderer Auffassung. Ich glaube, dass das Wort „Priorität“ genau die Wichtigkeit dieser Maßnahme herausstreicht. Das Wort „importance“, also „Wichtigkeit“, wäre eine Abschwächung, und ich glaube, im Fall des Verbrechens des Menschenhandels soll man keine Abschwächungen erlauben.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 12)

Danke!

Ich bin insofern gegen diesen Antrag, als hier unterstützt wird, dass es für die Staaten, die noch nicht ratifiziert bzw. signiert haben, die Möglichkeit gibt, im innerstaatlichen Recht selbstverständlich Maßnahmen zu setzen, z.B. 30 Tage Frist, um den Opfern die Möglichkeit zu geben, sich zu sammeln, und das wäre schon ein wichtiger, richtiger Schritt in die Richtung, damit dann diese Konvention ohne großartige Implementationen im innerstaatlichen Recht auch automatisch Geltung erhält.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 14)

Mit der gleichen Begründung wie vorhin schon, um das Ganze abzukürzen.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 15)

Bei diesem Verbrechen, das eines der schlimmsten der heutigen Zeit ist, kann man nicht hart genug vorgehen, um den skrupellosen Verbrechern das Handwerk zu legen. Daher soll der Bericht so bleiben, wie er ist.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 16)

Ich bin dagegen.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 2)

Ich bin dagegen.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 12096, Amendment 17)

Ich bin dagegen, weil ich es besonders wichtig finde, dass es ein Monitoringinstrument gibt – in unserem Fall ist es GRETA. Die Überwachung ist einer der wesentlichen Punkte, damit die Konvention gut arbeiten kann.