AL10CR11
AS (2010) CR 11
Provisorische Ausgabe
SITZUNGSPERIODE 2010
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(2. Teil)
BERICHT
11. SITZUNG
Montag, 26. April 2010, 15.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Doris BARNETT, Deutschland, SOC
(Dok. 11937)
Vielen Dank, Frau Vorsitzende!
Mein Dank geht zunächst an den Kollegen Mendes Bota für seine Arbeit, ein heikles Problem anzugehen, das der Politik überall begegnet: die Beeinflussung ihrer Protagonisten durch interessierte Dritte.
Das Problem ist nicht neu – es gibt es, so lange Entscheidungen im politischen Raum getroffen werden. Neu ist dagegen allerdings, dass die Intensität zugenommen hat; man kann fast schon von Wettbewerb der Lobbyisten reden. Wie die Empfehlung zu Recht feststellt, hat die Zahl der Interessenvertretungen massiv zugenommen, was sicherlich auch der Globalisierung zu schulden ist: das Spielfeld ist viel größer.
In einer Demokratie ist es eigentlich nicht anrüchig, wenn Dritte versuchen, Entscheidungsträgern gegenüber ihre Meinung zu einem Problem zu äußern. Schließlich sollen wir als Volksvertreter auch hören, was die verschiedenen Seiten zu sagen haben, ob Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Kirchen, Unternehmer, Sozialverbände usw. Aus all dem sollen wir uns dann eine Meinung bilden, sie in Fraktion und Parlament diskutieren und dann abstimmen.
Das ist der Idealfall. Um diesen sicherzustellen, ist es schon notwendig, die Unabhängigkeit von Politik – seien es die Abgeordneten, die Verwaltung oder die Regierung – zu garantieren, damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik niocht verloren geht. Dies ist deshalb so notwendig, weil es eben Mißstände gegeben hat – Herr Bota verwies darauf -; weil aufgedeckt wurde, wie so manche „seltsame“ Entscheidung zustande kam. Die Besorgnis, die der Berichterstatter in seiner Empfehlung zum Ausdruck bringt, ist deshalb mehr als berechtigt.
Um unserer Selbstachtung willen sollten wir deshalb für Klarheit, Offenheit und Unbestechlichkeit im Meinungsfindungsprozess sorgen. Dazu können wir den Verhaltenskodex des Europaparlaments für Lobbyisten heranziehen.
Aber wenn wir diesen für uns anwenden wollen, sollten wir darauf achten, dass unser Verhaltenskodex nicht von generellem Misstrauen gegenüber den Interessenvertretern geprägt ist, weil auch das für uns Abtgeordnete die Arbeit schwierig macht. Dort heißt es z.B., dass „alle Vorstöße zu unterlassen sind, um sich Informationen zu erschleichen“ - wenn wir davon ausgehen, dass jeder sich nur etwas erschleichen will, stellen wir schon von vornherein alle ins Abseits. Denn wer will schon jemandem Informationen geben oder mit jemandem ein Gespräch führen, dem man prinzipiell Übles unterstellt? Hier würde man das Kind mit dem Bade ausschütten, denn es gibt so viele Lobbyisten, die wir gerne um Rat fragen: Arbeitnehmerorganisationen, Arbeitgeberorganisationen, Kirchen, Sozialverbände, NGOs usw.
Die vom Berichterstatter aufgestellten Forderungen sind grundsätzlich zu befürworten, auch wenn ich zugebe, dass ihre Handhabung nicht einfach werden wird:
Alleine die Definition von Lobbying und ihre Unterteilung zwischen vergüteter beruflicher Tätigkeit und der Aktivität für eine Organisation der Zivilgesellschaft wird nicht einfach.
Zur Verbesserung der Transparenz im Bereich des Lobbyismus müssen wir auch Regeln finden, auf die wir uns einigen und die wir zu Hause auch durchsetzen; bei 47 Mitgliedsstaaten wird das schwierig!
Von großer Bedeutung werden auch die Regeln werden, die für ausgeschiedene Politiker, Beamte und Mitarbeiter gelten sollen, wenn diese anschließend Lobbyarbeit machen wollen und mit ihrer Kenntnis als wandelnder „Wettbewerbsvorteil“ handelbar sind.
Gesetzentwürfe im Vorfeld mit Lobby-Organisationen zu beraten, ist gängige Praxis z.B. in Deutschland. Wir informieren uns bei Interessengruppen über deren Anliegen zu Gesetzentwürfen und haben dazu auch öffentliche Anhörungen. Diese sind für jedermann zugänglich und die Unterlagen werden im Netz veröffentlicht. Es soll nachvollziehbar sein, welche Argumente zur Abwägung standen, welche letztlich auch in Entscheidungen einfließen.
Das vom Berichterstatter vorgeschlagene „genau definierte, transparente und ehrliche Lobbying“ muss auch noch mit Leben gefüllt werden. Wir werden uns deshalb darüber verständigen müssen, wie wir das Verhältnis zwischen Verhaltensregeln für Abgeordnete und solchen für Interessenvertretern regeln wollen, und ob wir letzlich auch den sogenannten „legal footprint“ haben wollen. Der würde in jedem Gesetzgebungsverfahren offenlegen, welche Beteiligten mitgewirkt haben, welche Kontakte bis hin zum Referenten stattgefunden haben.
Ob wir das wollen, darüber müssen wir dringen reden! Denn was nicht passieren darf, ist, dass ein Gedankenaustausch mit der Zivilgesellschaft gestört, ja unmöglicht gemacht wird.
Deshalb danke ich zum Schluss dem Berichterstatter im Namen der sozialistischen Fraktion für seine Mühe, die mit dem heutigen Bericht und der Empfehlung nicht ihr Ende finden wird.
Lobbying und Transparenz in einer demokratischen Gesellschaft ist als Thema ein Herausforderung und für uns eine Daueraufgabe.
Vielen Dank.