AL10CR22       AS (2010) CR 22

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2010

________________________

(3. Teil)

BERICHT

22. SITZUNG

Dienstag, 22. Juni 2010, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

 

Marieluise BECK (Deutschland, ALDE / ADLE)

(Dok. 12281)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Auch ich möchte mich bei Herrn von Sydow für den umsichtigen Bericht bedanken.

Diese Trennung von Schulkindern, die Sie angesprochen haben, finden wir nach wir nach wie vor, 15 Jahre nach Dayton, auch in Bosnien noch vor, was zeigt, wie unendlich lange es dauert, Versöhnung in einer Region herbeizuführen, die durch dramatischen Nationalismus im Blut versunken ist.

Auch wenn es ein Bemühen gibt, zu sagen, man muss sich nicht so sehr auf die Statusfrage konzentrieren, sondern eher an den Standards arbeiten, möchte ich deswegen doch kurz daran erinnern, dass die sicherlich prekäre völkerrechtliche Grundlage für die Intervention im Kosovo eine Folge eines Krieges auf dem Balkan war, bei dem die UNO und Europa viel zu lange zugeschaut hatten – ein Krieg, zunächst mit Kroatien gegen Bosnien, mit über 100 000 Opfern, mit dem Massaker von Srebrenica, das sich im kommenden Juli zum 15. Mal jähren wird, bei dem über 8000 jungen Männer und männliche Kinder aus den Händen der UNO heraus ermordet worden sind.

Mit Srebrenica und der Gefahr einer möglichen Wiederholung vor Augen wurde damals von der NATO diese Entscheidung getroffen, deren Ergebnis diese Unabhängigkeitserklärung war, für die ja schon Jahre zuvor eine gewaltfreie Bewegung unter der Führung von Herrn Rugowa jahrelang gekämpft hatte.

Ich glaube, es ist realistisch zu sagen, dass wir vom Internationalen Gerichtshof sicherlich keine ganz klare und eindeutige Antwort über die Statusfrage bekommen werden, obwohl sie den Aufbau des Landes und State Building schwierig macht.

Nehmen wir die EULEX-Mission: Sie befindet sich im Norden Mitrovicas unter dem Dach der UNMIK – also der UNO – und im Rest des Landes unter dem der Europäischen Union. Das führt zum Beispiel dazu, dass Serbien im Norden eigenständig Richter und Staatsanwälte ernannt hat, was es im südlichen Teil so nicht kann.

Dieses Durcheinander führt natürlich zu einem Verlust von Autorität und Respekt bei Institutionen und macht den Staatsaufbau, der für das Wohlsein der Menschen und die ökonomische Entwicklung dieses Landes unabdingbar ist, sehr schwer.

Insofern stößt jede internationale Mission letztlich wieder an die Statusfrage. Wir können nur hoffen, dass mit einer Perspektive, die allein die Europäische Union geben kann, sowohl Serbien als auch das Kosovo – die ja beide in die Europäische Union wollen – sich unter einem Dach wiederfinden. Das ist im Grunde genommen die Perspektive, die zu Versöhnung führen muss, und die auch die Tür nach vorne öffnet, anstatt zurückzublicken.

Immer, wenn ich in der Region bin, sage ich den Kollegen vor Ort: „Die Europäische Union bedeutet Abgabe von Souveränität, und ihr werdet euch unter einem gemeinsamen Dach wiederfinden, bei dem ihr vorher beide Souveränität habt abgeben müssen.“ Im Grunde ist die Perspektive mit der Europäischen Union eigentlich die Lösung für diese Fragen, an denen sich viele jetzt so festbeißen.

Wir müssen auf den gesamten Westbalkan, auf dem auch Bosnien nicht befriedet ist, schauen. Dort werden regionale Netzwerke hergestellt, die das, was auseinanderfallen musste, jetzt auf einer neuen Basis und mit einer anderen Geschäftsgrundlage wieder zusammenführen.

Ich glaube, nur so kann den Menschen vor Ort gedient werden.

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 12281)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Ich gehörte im Frühjahr 2008 auch zu jenen Parlamentariern, die der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo sehr skeptisch gegenüber eingestellt waren. Das betraf damals insbesondere die frühe Anerkennung durch die Schweiz. Heute aber gilt es den Blick nicht mehr zurück, sondern vielmehr nach vorne zu richten.

Daher erachte auch ich die Empfehlungen im Bericht meines sehr verehrten Kollegen von Sydow zur Stärkung der Eigenstaatlichkeit des Kosovo als sehr wertvoll. Das ist der Weg, den der Europarat gemeinsam mit dem Kosovo beschreiten soll. Dieser Weg ist nicht einfach; er benötigt ein hohes Engagement von außen in personeller wie auch in finanzieller Hinsicht.

Eine Lücke lässt der Bericht aus meiner Sicht aber leider offen, weshalb ich mich heute zu Wort gemeldet habe. Der Bericht äußert sich mit keinem Wort zur weiteren Präsenz der KFOR, der multinationalen Schutztruppe unter der Leitung der Nato, im Kosovo.

Diese Truppe, ursprünglich mit einem Bestand von über 40 000 Soldaten, leistete äußerst wichtige Dienste zum Aufbau und zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Kosovo. Heute ist die KFOR auf einen Bestand von 10 000 Soldaten reduziert worden. Das ist meines Erachtens immer noch viel, und verschlingt hohe Budgetmittel der truppenstellenden Länder.

Könnten wir diese Mittel in die Verbesserung der demokratischen und rechtsstaatlichen Standards, die Bildung oder in die anderen von Herrn von Sydow im Bericht vorgeschlagenen Aktivitäten umlagern, dann kämen wir sehr rasch ein gutes Stück voran.

Doch wie erwähnt nimmt der Bericht leider nicht Stellung zur weiteren Präsenzerfordernis der KFOR im Kosovo. Zumindest aus meiner schweizerischen Sicht aus ist das schade. Auch mein Land hält weiterhin an seiner Truppenpräsenz im Kosovo fest, was uns jährlich einige Dutzend Millionen Franken kostet.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir diese Mittel zumindest teilweise je eher desto lieber zum zivilen Aufbau des Kosovo beitragen könnten, anstatt sie in einer militärischen Operation zu verbrauchen, die hoffentlich möglichst bald als überholt zu betrachten ist, bzw. es vielleicht heute schon effektiv ist.

Herr Kollege von Sydow, vielleicht haben Sie die Güte, uns jetzt noch etwas nachzuliefern – ist die KFOR beim jetzigen Stand im Kosovo wirklich noch nötig?

Ich danke Ihnen jedenfalls schon im Voraus.

Amendments:

Doris STUMP, Schweiz, SOC

(Dok. 12281, Amendment 13)

Herr Präsident,

Geschätzte Anwesende,

Wir möchten mit diesem Antrag auf die Tatsache hinweisen, dass im Kosovo die Integrationsstrategie noch nicht eingesetzt wurde und bitten bei der Umsetzung und bei den Aktivitäten der europäischen Länder darauf Rücksicht zu nehmen. Wir bitten sie vor allem, ihre finanzielle und politische Unterstützung bei der Rücksendung von Kosovarinnen und Kosovaren zu gewährleisten.

Ich bin mit dem Änderungsantrag der Kommission einverstanden.