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AS (2010) CR 23 rev
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2010

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(3. Teil)

BERICHT

23. SITZUNG

Mittwoch, 23. Juni 2010, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12266)

Sehr geehrter Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst möchte auch ich Herrn Jensen für seinen Bericht danken.

Auch im Namen meiner Fraktion schicke ich zugleich vorweg, dass natürlich dieses Thema und der Bericht auch eine breite Diskussion in unserer Fraktion ausgelöst haben, und dass es sehr unterschiedliche Meinungen dazu gibt. Natürlich gibt es in den einzelnen Mitgliedsstaaten auch unterschiedliche Erfahrungen.

Umfragen belegen, dass in der Bevölkerung zum Teil starke Vorbehalte gegenüber dem Islam bestehen. Diese haben in den letzten Jahren nach dem 11. September zugenommen. Der Islam wird offenbar von vielen Menschen mit Fundamentalismus und Unterdrückung der Frau in Verbindung gebracht oder sogar gleichgesetzt. Gleichzeitig erleben die Muslime Diskriminierung und Ausgrenzung. Das zeigt, dass wir eine große Herausforderung für die gesellschaftliche Debatte und für die Politik haben.

Es geht darum, sich mit den Vorbehalten auseinanderzusetzen, sie kritisch auf ihren Sachgehalt zu prüfen und jedem Stereotyp und jeder Diffamierung entgegenzutreten. Die für eine liberale, aufgeklärte Diskussionskultur entscheidende Trennlinie verläuft nicht zwischen freundlichen und weniger freundlichen Darstellungen des Islams, sondern zwischen Genauigkeit und Klischee.

Wir brauchen ein differenziertes Bild vom Islam; er ist eben kein monolithischer Block, sondern umfasst verschiedene Strömungen und Einstellungen. An diesem Bild wirken auch sehr viele mit: die Medien, NGOs, Bildungseinrichtungen, Schulen, Kirchen, Religionsgemeinschaften – darunter auch die islamischen Verbände selbst –, und natürlich auch die, die sich bei einer Debatte aktiv beteiligen.


Dem Staat kommt eine besondere Verantwortung zu: Er hat die verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Garantenfunktion und muss der Diskriminierung von Menschenrechten entgegentreten. Das heißt, wir brauchen Initiativen, aktiv gegen Diskriminierung vorzugehen; wir brauchen auch eine breite Kultur- und Bildungspolitik; wir brauchen einen interkulturellen und interreligiösen Dialog, und wir brauchen natürlich auch im Rahmen des Aufenthaltsrechts und der Einbürgerungsregelungen eine breite Debatte und klare Regelungen.

Jetzt zur Debatte um ein generelles Burka-Verbot. Wir dürfen nicht dem Irrglauben verfallen, dass diese Verbotsdebatte die gesellschaftliche Aufgabe der Integration ersetzt. Es muss uns darum gehen, das gedeihliche Zusammenleben zu fördern. Ein generelles Burka-Verbot sorgt für Stigmatisierung; es ist nicht das richtige Instrument für eine bessere Integration. Es kann sogar den gegenteiligen Effekt haben, nämlich, dass muslimische Frauen zu Hause bleiben müssen und dadurch erst recht nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Der Bericht schreibt aber auch, dass es Eingrenzungen in bestimmten Bereichen geben kann. Zum Beispiel muss ein Richter, der eine Zeugin mit Burka vor sich hat, wissen, wer unter der Burka ist. Auch wenn es um Lehrerinnen geht, die an öffentlichen Schulen unterrichten, sind auf der Basis der Verfassung Einschränkungen möglich. Aber ich glaube, dass die Debatte um die Burka manchmal zu kurz springt; d.h. sie entbindet uns nicht von einer breiten gesellschaftlichen Debatte.

Einen letzten – mir sehr wichtigen – Punkt möchte ich noch erwähnen. Es gibt in Gremien der Vereinten Nationen in den letzten Jahren seitens einiger Staaten Bestrebungen, mit der Begründung, den Islam schützen zu wollen, die Geltung der Meinungsfreiheit einzuschränken. Hier sage ich ganz klar, dass auch Kritik an Religionen ein Bestandteil von Meinungsfreiheit ist.

Vielen Dank.