AL10CR34 | AS (2010) CR 34 |
DVD edition |
SITZUNGSPERIODE 2010
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(4. Teil)
BERICHT
34. SITZUNG
Donnerstag, 7. Oktober 2010, 10.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Marlene RUPPRECHT, Deutschland, SOC
(Dringlichkeitsdebatte, Dok. 12386)
Herr Präsident,
Kolleginnen und Kollegen!
Meine Fraktion und ich begrüßen es sehr, dass der Europarat sich wieder mit 12 Mio. Menschen in Europa befasst und zu dieser Thematik eine Konferenz einberufen möchte.
12 Mio. Menschen ohne einen Staat, die auch keinen Staat haben, der ihre Interessen vertritt! Keine andere so große Minderheit hat keinen Mehrheitsstaat. Die Deutschen in Österreich werden durch den deutschen Staat vertreten und umgekehrt. Tschechische Bürger in Deutschland haben einen Mehrheitsstaat in Tschechien. Diese Staaten können miteinander verhandeln. Roma haben diese Möglichkeit nicht. Wer wenn nicht wir, dieser Zusammenschluss von 47 Staaten, sollten ihre Interessen vertreten?
Die Roma sind kein Sicherheitsrisiko. Das eigentliche Problem sind die derzeitigen Rattenfänger, die durch Taten und Worte als Brandstifter agieren und unsere Basis für Menschenrechte zerstören wollen. Aber sie haben nur deswegen Erfolg, weil sie auf ein Potential von weit über 60% Antiziganismus in der Bevölkerung zurückgreifen können. Wenn wir alle dagegen gefeit wären, hätten sie keinen Erfolg. Doch die Brandstifter gewinnen damit Wahlen; sie sind das Sicherheitsrisiko, und dazu müssen wir klar Stellung beziehen.
Was können wir tun, um das Sicherheitsrisiko zu minimieren? Das Beste ist eine gute Politik. Ich bin froh, diesem Gremium der parlamentarischen Versammlung anzugehören. Sie hat schon vor 8 Jahren Beschlüsse gefasst, die im Hinblick auf die Roma wegweisend waren, und klar festgelegt, was zu tun ist.
Der damalige Beschluss hieß „Die rechtliche und soziale Lage der Roma in Europa“. Leider haben wir kurze Gedächtnisse. In diesem Beschluss wurde klar gesagt, dass ohne die selbst Betroffenen, ohne uns und über uns, nichts geschieht. Wenn das zum Leitspruch unseres Handelns wird, dann muss es gelingen.
Jetzt müssen wir die Beschlüsse, die verschiedene Bereiche betreffen, umsetzen.
Es muss in Schulen, in Bildung investiert werden. Stellen Sie sich vor, wie ein Kind sich fühlt, das in eine Schule der Mehrheitsbevölkerung geschickt wird, dessen Sprache es nicht spricht und daher nicht versteht, was dort gesprochen wird! Warum beginnen wir nicht in der Tagesstätte mit Zweisprachigkeit? Dort würden die Kinder Erzieherinnen der Mehrheitsbevölkerung in der Mehrheitssprache ansprechen und die Erzieherinnen der Roma in ihrer Minderheitensprache. Das Kind wird sich dort wohl fühlen. Warum soll das nicht gehen? Solche Projekte gilt es zu fördern.
Fördern wir Investitionen in Gesundheit. Wir haben bei den Roma die höchste Säuglingssterblichkeit; eine Säuglingssterblichkeit wie in einem Entwicklungsland mitten in Europa. Das können wir nicht dulden.
Deshalb ist es notwendig, dass wir einen Stufenplan zur Umsetzung des längst Beschlossenen aufstellen - hier in der Versammlung mit den Regierungen, aber auch in unseren nationalen Parlamenten, denn bei 12 Mio. Menschen ist jeder Staat betroffen.
12 Mio., das sind weit mehr Menschen als das Land Schweden oder das Land Slowenien Einwohner hat! Nicht die Roma sind das Problem in Europa. Unser Problem ist es, 12 Mio. Menschen an der Gesellschaft teilhaben zu lassen, die wir heute außen vor stehen lassen. Ich denke, es ist Zeit, dass wir damit beginnen.
Danke.