AL11CR04

AS (2011) CR 04

 

DVD Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2011

________________________

(1. Teil)

BERICHT

4. SITZUNG

Dienstag, 25. Januar 2011, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12462)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst möchte ich eine wichtige Bemerkung vorwegschicken: Wir beraten heute den Bericht von Dick Marty, über den wir auch später abstimmen werden. Wir beraten heute jedoch nicht das, was nach der Meinung Mancher in diesem Bericht steht. Es geht darin nicht um die Unabhängigkeit des Kosovo. Auch richtet er sich nicht gegen einzelne Volksgruppen, sondern gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen den illegalen Organhandel, gegen organisierte Kriminalität.

Nach dem Lesen des Berichts ist für uns alle klar, dass es eine ernsthafte, unabhängige und umfassende Untersuchung durch EULEX geben muss, die den genannten Hinweisen gründlich nachgeht, mit dem Ziel, die Wahrheit – unabhängig von politischen Überlegungen – ans Licht zu bringen. Wir müssen EULEX auch das Mandat und die finanzielle Ausstattung dafür geben, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu ermitteln und dann entsprechend zur Anklage zu bringen.

Ich appelliere an die jeweiligen Parteien, insbesondere an Albanien, voll mitzuwirken und diese Arbeit zu unterstützen.

Bei dieser Untersuchung muss es verlässliche Zeugenschutzprogramme geben, denn die Zeugen leben in einem Klima der Angst: Sie selbst sowie ihre Familien sind hoher Gefahr ausgesetzt.

Wir müssen uns schon aus humanitärer Sicht der Vermissten des Kosovokonfliktes annehmen. Nach wie vor wissen Familien nicht, wo ihre Angehörigen, ihre Söhne und Töchter sind. Von den ca. 6000 Vermissten, die dem Internationalen Roten Kreuz gemeldet sind, sind 1400 am Leben, 2500 tot. Über die anderen wissen wir nichts, insbesondere über die knapp 500 Personen, die nach dem Konflikt, also nach dem Juni 1999, verschwunden sind.

Deswegen braucht auch die Arbeitsgruppe Vermisste die uneingeschränkte Unterstützung, auch von Albanien und Kosovo. Sie müssen Ihr Zögern überwinden, denn nur das Wissen um die Wahrheit wird auch den Angehörigen die Möglichkeit zur letzten Trauer geben können. Nur dieses Wissen um die Wahrheit weist den Weg in die Zukunft.

Wir dürfen nicht wegschauen oder relativieren, wenn es um solch schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen geht, sei aus Gründen der politischen Stabilität oder aus anderen Gründen. Das ist unsere ureigenste Aufgabe hier in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass mit allen rechtsstaatlichen Mitteln aufgeklärt wird.

Deswegen unterstütze ich auch die Forderung nach einer Europaratskonvention, einer juristische Definition des Organhandels, damit wir Organhandel verhindern, die Opfer schützen und die Verfolgung der Täter einleiten.


Vielen Dank.

Amendments :

Holger HAIBACH, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 12462, Amendment 13 )

Herr Präsident, ich glaube im Gegensatz zu meinem Vorredner, dass dieser Satz unbedingt in diese Resolution gehört. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates ist ein politisches Gremium, und natürlich müssen wir die Dinge auch politisch beurteilen. Das ist das Eine.

Zum anderen zeigt das eben die andere, neue Herangehensweise des Berichts, nämlich dass das Definieren von Schuld und Nicht-Schuld, von Verantwortung, von Tätern und Opfern in Kriegszeiten immer schwierig ist, und dass man deshalb besonders genau schauen muss. Und genau deswegen muss dieser Satz in dem Bericht bleiben.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 12443)

Danke, Herr Präsident!

Auch im Namen der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken möchte ich mich für diesen sehr guten Bericht und vor allen Dingen das sehr wichtige Thema bedanken, das Sie, Herr Johansson, angeschnitten haben. Ich glaube, dass die Vorschläge, die in dem Bericht gemacht werden, richtig sind, und wir werden ihn unterstützen.

Wenn man sich die Liste der Staaten anschaut, die Sie in dem Bericht aufführen, dann fällt auf, dass es ja nicht nur um Länder geht, die sozusagen am Rande Europas stehen, Staaten, wo vielleicht traditionell häufiger Meinungsfreiheit verletzt wird. Es handelt sich vielmehr auch um Kernstaaten Europas, wie z.B. meinen eigenen Staat, Deutschland, wo der Geheimdienst BND lange Zeit Journalisten bespitzelt hat.

Ich möchte einige konkrete Punkte ansprechen, die in der draft recommendation erwähnt sind und die ich außerordentlich begrüße: Punkt 7 betont die Notwendigkeit, auch Informationen, die aus dem Polizei- und Justizsystem kommen, zu schützen. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Ich erinnere an die Debatte, die in den letzten Wochen vor allem in britischen Medien zum Fall Mark Kennedy gelaufen ist, einem Spitzel von Scotland Yard, der in 22 europäischen Ländern in zivilen Bewegungen aktiv war und dort auch Gesetze verletzt hat, meiner Meinung nach unter anderem auch Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Ich möchte auch Punkt 8 und 9 erwähnen, wo angesprochen wird, welche Bedeutung es hat, dass Bürger die Möglichkeit haben, Informationen, die von allgemeinem Interesse sind, öffentlich zu machen. Auch dies muss geschützt werden; das ist die ganze in den letzten Monaten ja auch sehr intensiv geführte Debatte um WikiLeaks, sowie die Debatte um die Whistleblowers. Wir haben letztes Jahr zum Schutz von Whistleblowers hier einen Bericht verabschiedet, zum dem Umsetzungen noch anstehen. Ich finde es sehr gut, dass das hier angesprochen wurde.

Auch Punkt 11 der draft recommendation möchte ich unterstützen, wo es um die technischen Überwachungsmöglichkeiten geht. Wir haben in Deutschland eine intensive Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung, die meines Erachtens sehr problematisch ist. Ich begrüße es daher, dass dies hier erwähnt wurde.

Zuletzt möchte ich auch erwähnen, dass ich den Änderungsantrag unterstütze, der Art. 6 des ungarischen Mediengesetzes betrifft. Hier ist es sehr wichtig, auch von unserer Seite her ein Signal zu setzen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Couragierter, engagierter Journalismus als „Wachhund“, wie hier gesagt wurde, ist äußerst wichtig. Wir sagen in Deutschland, es ist die 4. Säule der Demokratie, und wir sollten alles tun, um einen solchen Journalismus zu unterstützen.

Vielen Dank.

Holger HAIBACH, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 12458)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Seitdem der Kollege Díaz Tejera darüber gesprochen hat, dass der Europarat schlanker werden und auf sein Cholesterin achten soll, habe ich ehrlich gesagt ein wenig ein schlechtes Gewissen, dass ich in dieser Debatte überhaupt das Wort ergreife. Ich bin nicht sehr kompetent, um darüber zu sprechen.

Worüber ich allerdings, wenn ich mich so anschaue, mit einiger Kompetenz sprechen kann, ist Sichtbarkeit. Der Bericht des Kollegen Mignon und dessen Ko-Berichterstatters Chope, denen ich nur gratulieren kann, weist deutlich darauf hin, dass in der Arbeit des Europarats, insbesondere der Parlamentarischen Versammlung, die Sichtbarkeit stark verbessert werden muss.

Die Tatsache, dass viele nationale Parlamente sich inzwischen weigern, stellvertretenden Mitgliedern der Versammlung, aber manchmal auch Mitgliedern, wenn es um Ausschuss-Sitzungen außerhalb von Straßburg geht, die Reisekosten zu erstatten, ist aus meiner Sicht ein Symptom. Denn in Zeiten, in denen man sparen muss, spart man an den Stellen, die man etwas für weniger relevant hält. Diesem Eindruck müssen wir meines Erachtens mit aller Macht entgegentreten.

Das können wir nur, indem wir deutlich machen, wo unser spezieller Beitrag liegt, und zwar nicht nur unser spezieller Beitrag als Europarat, sondern unser spezieller Beitrag als Parlamentarische Versammlung des Europarats. In dieser speziellen Aufgabe als parlamentarische Dimension liegt unsere Stärke. Wir als Abgeordnete, die mit Kollegen aus 47 verschiedenen Nationen zusammen sitzen, haben die Möglichkeit, die „soft power“, von der sehr viel gesprochen worden ist, tatsächlich auszuüben.

Aber dafür müssen wir auch Themen aufgreifen, die tagesaktuell und auch für die Hauptstädte, aus denen wir kommen, wichtig und interessant sind, denn nur so kann diese Korrelation auch tatsächlich zustande kommen. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass wir uns konzentrieren müssen. Es wurde davon gesprochen, dass wir unser „Kerngeschäft“ in den Blick nehmen müssen, dass wir, z.B. wenn wir Motions unterschreiben, vorsichtig sein müssen, was wir unterschreiben.

Aber es bedeutet auch für diejenigen, die im Büro der Versammlung sitzen – und das lässt sich nicht mit Geschäftsordnungsrecht regeln -, dass sie sich überlegen, welche Anträge sie zu Reports machen, und welche Reports dann tatsächlich auf die Tagesordnung gelangen.

Als Ausschussvorsitzender weiß ich, dass das schwierig ist, weil natürlich jeder Berichterstatter und Ausschussvorsitzender seinen eigenen Bericht für wichtig hält und glaubt, er gehöre auf die Tagesordnung der Versammlung. Nichtsdestoweniger ist dies eine Frage von Mentalität. Diese Mentalität müssen wir ändern; diese Mentalität müssen wir in diese Parlamentarische Versammlung herein tragen. Dann können wir erfolgreich sein, und dann werden wir auch relevant und sichtbar sein – ob mit mehr Cholesterin oder ohne.

Herzlichen Dank.

Amendments :

Holger HAIBACH, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 12458, Amendment 6)

Herr Präsident,

ich finde, es ist ein wenig schwierig, wenn wir auf seiten der Parlamentarischen Versammlung darüber diskutieren, warum nationale Parlamente ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern ihrer Delegationen die Reisen nicht mehr erlauben, und auf der anderen Seite dann vom Europarat Kosten übernommen werden. Ich finde, als Parlamentarier sollten wir so viel Selbstverständnis haben, dass eine Gleichberechtigung stattfindet. Deshalb bitte ich darum, diesen Änderungsantrag abzulehnen.

Holger HAIBACH, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 12458, Amendment 2)

Danke, Herr Präsident!

Es ist im Grunde ein ähnliches Argument wie eben gerade; wenn wir tatsächlich Wert darauf legen wollen, dass unsere Arbeit vernünftig stattfindet, dann müssen wir darauf achten und dafür sorgen, dass es eine gleichberechtigte Behandlung aller Organe in diesem Hause gibt. Ich finde, das ist dann, wie ich vorhin schon gesagt habe, auch eine Frage unseres Selbstverständnisses. Deswegen finde ich, wir sollten bei dem Text bleiben, wie er ursprünglich war.