AL12CR22 |
AS (2012) CR 22 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2012
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(3. Teil)
BERICHT
22. SITZUNG
Dienstag, 26. Juni 2012, 15.30 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Edgar MAYER, Österreich, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 12948, 12951, 12944)
Frau Vorsitzende,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch ich bedanke mich für die Berichte, von denen ich einen herausgreifen möchte: jenen über die Jugendarbeitslosigkeit. Ich darf mich bei Herrn Luca Vonlontè sehr herzlich für diese hervorragende Arbeit bedanken.
Jugend ohne Perspektive, junge Menschen ohne Beschäftigung, ohne tägliche Struktur – eine ganze Generation, die praktisch ohne Zukunftschancen aufwächst. Desaströs kann man hier nur sagen. Deshalb ist es das Gebot der Stunde, in den europäischen Staaten jeden übrigen Cent in die Aus- und Weiterbildung, in die Beschäftigung von Jugendlichen zu stecken, denn jeder jugendliche Arbeitslose ist einer zu viel.
Mir ist bewusst, dass diejenigen Staaten, die unter dieser Finanzkrise extrem zu leiden haben, wie Griechenland oder Spanien, auch entsprechend hohe Arbeitslosenzahlen und damit auch eine enorm hohe Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 45% haben. Hier müssen wir massiv eingreifen und diesen Menschen eine Perspektive geben, denn die Gefahr ist groß, dass eine ganze Generation Jugendlicher ins soziale Abseits gerät.
Hier ist meines Erachtens auch die EU massiv gefordert, neben dem Diktat des Sparens (es bleibt ja niemandem unbenommen, sinnvoll zu sparen), unterstützend einzugreifen, um im Rahmen der EU-Strategie 2020 Wachstum und Beschäftigung in großem Umfang in Beschäftigungsinitiativen für Jugendliche zu investieren.
Ich möchte hier auf einige Beispiele von Lösungsansätzen aus Österreich hinweisen, ohne den Staaten Vorgaben machen oder sie belehren zu wollen. Österreich hat die Finanzkrise durch verschiedenste Maßnahmen der Regierung sehr gut gemeistert und auch im Bereich Jugendbeschäftigung sehr viel Geld in die Hand genommen. Dadurch ist Österreich im internationalen Vergleich, auch was die Arbeitslosigkeit von 3,9% betrifft, EU-weit Spitzenreiter.
Bei der Jugendarbeitslosigkeit, die im letzten Monat z.B. um 2,3% gesunken ist, liegen wir knapp hinter Deutschland. Damit hat sich der Arbeitsmarkt für Jugendliche besonders gut entwickelt; auch im Bereich der Lehrstellenangebote werden wir wegen unserer besonderen Leistungen von der EU als Best-Practice-Modell dargestellt.
Doch schaffen wir es nicht, genügend Fachkräfte für die Wirtschaft zu stellen. Jetzt gibt es über unsere Wirtschaftskammer ein Modell, nach dem wir arbeitslose Jugendliche, die einen hohen Ausbildungsgrad haben, wie z.B. in Spanien, zu uns einladen, um mit ihrem Universitätsabschluss hier eine praktische Ausbildung zu machen. Dieses Modell werden wir mit Spanien beginnen und mit Irland, Portugal usw. fortsetzen.
Wir wollen die jungen Leute nicht aus ihren Ländern weglocken, sondern ihnen eine Perspektive geben, bei uns in Österreich praktische Arbeit zu lernen. Wir freuen uns auf ein gemeinsames gutes Angebot für die europäische Jugend. Wir möchten Ihnen unser österreichisches Modell anpreisen und laden Sie ein, mitzumachen. Ein Appell an alle: Investieren wir alles, was wir können, in unsere Jugend! Damit grüße ich unsere jugendlichen Freunde, die hier auf der Galerie sind – alles Gute für Euch!
Dankeschön.
Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 12948, Antwort)
Vielen Dank, Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das war eine sehr spannende, auch kontroverse Debatte. Ich möchte allen danken, die daran teilgenommen haben, auch denjenigen, die meinen Bericht kritisiert haben.
Zu den Kritikpunkten möchte ich ein paar Worte sagen. Frau Lundgren hat zu Beginn kritisiert, dass in dem Bericht die Kompetenz des Europarates überschritten werde, da es darin auch um Wirtschaftspolitik geht. Doch ist es, wenn wir über Austeritätspolitik sprechen, m.E. nicht vermeidbar, zugleich über Wirtschaftspolitik zu sprechen. Auch machen wir uns, wenn wir die Austeritätspolitik nur kritisieren, aber keine Alternativen dazu aufzeigen, erst recht kritikwürdig. Dann wird gefragt, was denn die Alternative sei.
Ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass in der Austerität die Gefahr besteht, dass einen Teufelskreis in Gang zu setzen, der von einigen Rednern, wie dem Kollegen aus Kanada, hier auch beschrieben worden ist. Dieser Teufelskreis entsteht dann, wenn wir sparen, im öffentlichen Dienst die Löhne senken, Menschen entlassen, die Mindestlöhne senken, die Renten kürzen usw. Dann geht die Binnennachfrage zurück und es werden noch weniger Steuern gezahlt. Einen solchen Teufelskreis sollten wir auf jeden Fall verhindern; dies keine Frage von links oder rechts, sondern hier geht es einfach um ein Wirtschaftsproblem.
Ich möchte an die Rede des isländischen Finanzministers Sifgússon erinnern, der sehr schön beschrieben hat, dass der Haushalt eines Staates nicht nur eine, sondern zwei Seiten hat. Die Ideologie der Austerität geht ja immer nur auf die eine Seite, die der nötigen Ausgabensenkung ein. In Island trug man beiden Seiten des Haushalts Rechnung.
Zum einen wurden gezwungenermaßen natürlich Kürzungen vorgenommen, durch die jedoch nicht das nordische Wohlfahrtssystem infrage gestellt wurde. Zugleich wurden aber auf der anderen Seite auch Einnahmen generiert von Bessergestellten, die auch in der Krise dazu in der Lage waren. Ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben zu finden und nicht nur auf die Ausgabenseite zu schauen, das ist m.E. der richtige Weg.
Noch etwas hat Herr Sifgússon am Anfang gesagt: In Island wurden nicht alle Banken gerettet; dazu war diese kleine Volkswirtschaft gar nicht in der Lage. Die Banken wurden umstrukturiert, und ein Teil der Banken konnte nicht gerettet werden. Auch diese Umstrukturierung ist sehr wichtig, um aus der Krise herauszukommen.
Es ist zurecht sehr viel über die Situation der Jugend insbesondere in den besonders betroffenen Ländern diskutiert worden. In Spanien und Griechenland liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei annähernd 50%, in Portugal und Italien bei 35%. Diese Zahlen sind in den letzten Monaten und im letzten Jahr erst so stark angestiegen, und zwar auch als Folge von Austeritätsprogrammen.
In Griechenland hat das Austeritätsprogramm vor zwei Jahren begonnen; damals lag die Jugendarbeitslosigkeit noch bei 25%, also auch schon sehr hoch, aber bei weitem nicht so hoch wie jetzt. Genau dies ist eine der Gefahren, die in reinen Austeritätsprogrammen liegen. Ich bin absolut einverstanden mit dem, was Herr Volontè und viele Redner hier gesagt haben, nämlich, dass wir gerade in den genannten Ländern sofort dringend Programme brauchen, weil dort ja eine ganze Generation vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist.
In Spanien haben wir jetzt wieder ein Rettungspaket von nahezu 100 Mrd. Euro für die Banken beschlossen, aber keine Programme für die spanischen Jugendlichen. Was könnten wir mit diesem Geld alles an Programmen in die Wege leiten! Hier besteht doch ein großes Missverhältnis.
Ich will dem Eindruck widersprechen, ich redete einer unbegrenzten Verschuldung der Staaten das Wort; das ist nicht der Fall. Ich kritisiere gerade diese enormen Summen, die in den Bankensektor geflossen sind. Das halte ich für unverantwortliche Haushaltsführung.
Einige, wie z.B. Herr Davies, haben die heutige Krise mit der 1929 ausgelösten Weltwirtschaftskrise verglichen. Dieser Vergleich ist nicht falsch. Auch in der letzten Weltwirtschaftskrise versuchte Reichskanzler Brüning in Deutschland, durch ein radikales Sparprogramm aus der Krise herauszukommen. Das führte 1932 in Deutschland zu einer sozialen Katastrophe – es gab in den großen Städten unter den Arbeitern eine richtige Hungersnot – und zu einem gesellschaftlichen Klima, in dem die Nazis stark wurden und 1933 die Macht übernahmen.
Das zeigt die große Gefahr, ausschließlich auf ein solches Sparprogramm zu setzen. In der damaligen Weltwirtschaftskrise ging man in den USA einen anderen Weg: Roosevelt setzte eine Trennung im Bankensystem durch und führte die Banken wieder auf ihre Rolle als Diener der Realwirtschaft zurück. Zugleich wurde investiert. Dadurch kamen die USA in den dreißiger Jahren sehr gut wieder aus der Krise heraus.
Wir stehen in Europa wohl an einem Scheideweg – wollen wir in Richtung Brüning gehen, oder lieber ein wenig in Richtung Roosevelt? Ich hoffe, mein Bericht trägt dazu bei, dass wir letzteres tun.
Wie wir es nach den Wahlen in etlichen europäischen Ländern sehen konnten, besteht die ganz große Gefahr darin, dass Rechtsextremisten versuchen, aus dieser Krise Profit zu schlagen. Das wäre in der Tat eine dramatische Bedrohung für Demokratie und Sozialstaatlichkeit in Europa.
Vielen Dank.
Amendments:
Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 12948, Amendment 5)
Vielen Dank, Herr Präsident!
Es geht hier um das derzeit allgegenwärtige Problem, dass Staaten unter massiven Druck der Finanzmärkte, auch von kurzfristigen Interessen der Finanzmärkte geraten.
Der Vorschlag ist, dass wir eine Entkoppelung herstellen. Ein Beispiel: Die Europäische Zentralbank gibt gegenwärtig 1 Billion € an Privatbanken für 1 Prozent, aber Privatbanken geben das Geld jetzt an Spanien für 7 Prozent. Das ist ein großes Problem und ich glaube, die Staatsfinanzierung muss längerfristig von kurzfristigen Finanzinteressen entkoppelt werden.
Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 12948, Amendment 7)
Es geht bei diesem Änderungsantrag eigentlich nur eine sprachliche Korrektur. Wir hatten im letzten Ausschuss in Paris noch auf Anregung von Herrn Volontè den Bezug auf die soziale Marktwirtschaft eingefügt. Allerdings hat sich dadurch eine Doppelung des Begriffs unbridled economic liberalism ergeben. Deswegen wollten wir das zusammenfassen, um die sprachliche Doppelung aufzuheben. Es ist keine inhaltliche Änderung.
Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 12948, Amendment 8)
Das ist der gleiche Vorgang. Es geht darum, den 2. Satz zu streichen. Es geht nur um eine sprachliche Änderung.
Erich Georg FRITZ, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 12948, Amendment 2 - dafür)
In diesem Änderungsantrag, den wir stellen, soll der Eindruck vermieden werden, es gäbe bei den genannten Gremien tatsächlich keine demokratische Legitimation. Wir sind der Auffassung, dass das nicht zutrifft. Auch wenn es unter Umständen keine direkte Legitimation ist, so ist es doch in jedem einzelnen Fall eine demokratisch begründete, demokratisch abgeleitete und letztlich auf Wahlen zurückzuführende Legitimation. Deswegen ist der Hinweis, es seien Körperschaften, die nicht demokratisch kontrolliert und legitimiert sind, nach unserer Auffassung falsch.
Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 12948, Amendment 2 - dagegen)
Herr Präsident!
Es geht ja um den Bezug auf den IWF, die Europäische Kommission und die Zentralbank. Die Formulierung ist konkret, dass diese Institutionen Fragen über ihre demokratische Legitimität aufwerfen. Es ist nicht so, dass sie undemokratisch sind, aber es wird ja in den Programmländern von Vielen empfunden, dass es eine sehr undemokratische Vorgehensweise der Troika ist. Deswegen wäre ich dafür, dass beizubehalten und bin gegen den Antrag.
Andrej HUNKO (Allemagne, UEL/GUE)
(Dok. 12948, Amendment 1, Subamendment)
Ja das ist richtig. Es geht dabei auch darum, durch die Steuerharmonisierung die Voraussetzungen für eine Finanztransaktionssteuer zu schaffen und das macht bei Punkt 10.10 mehr Sinn als bei Punkt 10.9. Deswegen hatte ich den Antrag im Ausschuss übernommen, aber vorgeschlagen, das auf Punkt 10.10 zu verlegen.