AL12CR30
AS (2012) CR 30
Provisorische Ausgabe
SITZUNGSPERIODE 2012
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(4. Teil)
BERICHT
30. SITZUNG
Dienstag, 2. Oktober 2012, 10.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Viola von CRAMON-TAUBADEL, Deutschland, SOC
(Dok. 13018)
Herr Präsident,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Dieser nach 7 Jahren fertig gestellte, 65 Seiten umfassende Bericht beweist, dass wir es im Europarat mit unserer Aufgabe sehr ernst nehmen. Wir müssen unter Beweis stellen, dass wir einheitliche Standards gewährleisten, denen sich alle Mitgliedsstaaten freiwillig unterworfen haben.
Das ist aus meiner Sicht mit diesem Bericht hervorragend gelungen. Er berücksichtigt die Entwicklung dieses großen Landes in den letzten Jahren äußerst fair und sehr intensiv. Viele dieser Entwicklungen gingen aus unserer Sicht in die richtige Richtung, viele allerdings leider auch nicht. Beide Entwicklungen finden sich entsprechend gewichtet in diesem Bericht wieder. Wer hier also von positiven Schritten liest, kann wahrlich nicht von einer unausgewogenen oder einseitigen Stellungnahme ausgehen.
Doch müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass uns viele Entwicklungen gerade in der letzten Zeit große Sorgen bereiten, wie zum Beispiel die Frage der Gesetzesänderung zur Versammlungsfreiheit oder die Frage des Gesetzes, das NGOs verpflichtet, sich als sogenannte ausländische Agenten, foreign agents, zu deklarieren.
Ebenso Besorgnis erregend sind das Gesetz bezüglich der Verleumdung und die wiederholten Festnahmen von Oppositionellen. Alle diese Änderungen bedeuten de facto eine Einschüchterung der Zivilgesellschaft, die doch für eine tatsächliche demokratische Entwicklung unersetzlich ist und gestärkt werden sollte.
Diese Fragen müssen wir nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch analysieren und bewerten, weil sie für eine mögliche demokratische Entwicklung in der Russischen Föderation eine bedeutende Rolle spielen.
Daher bitte ich die Mitglieder der russischen Delegation, keine neuen Feindbilder zu kreieren, sondern sich selbst als Brücke zwischen der eigenen Regierung, der eigenen öffentlichen Meinung zuhause in Russland und der Arbeit des Europarats zu betrachten.
Wir hier im Europarat möchten Sie in Russland auf jeden Fall konstruktiv und kritisch auf dem Weg der gesellschaftlichen Modernisierung begleiten. Wie wollen wir sonst andere Länder im Europarat motivieren, diesen Weg zu beschreiten, wenn Russland sich langfristig dieser Aufgabe entzieht?
Daher kann auch ich die Absage des Duma-Sprechers, hier vor der Parlamentarischen Versammlung mit uns zu diskutieren, nur mit vollem Unverständnis zur Kenntnis nehmen.
Vielen Dank.
Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE
(Dok. 13018)
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst meinen herzlichen Dank an die beiden Berichterstatter, die in der Tat eine sehr schwierige Aufgabe übernommen haben.
Ich möchte noch einmal ganz deutlich machen: Durch seinen Beitritt zum Europarat hat Russland die Europäische Menschenrechtskonvention selbständig und freiwillig gezeichnet. Es geht also nicht um „westliche“ Werte, sondern um die Werte und Standards des Europarats, denen wir hier gemeinsam verpflichtet sind. Bei dem Monitoring-Bericht geht es darum, in wie weit das russische Parlament diese Standards einhält. In dem 66 Seiten umfassenden Bericht ist Positives zu vernehmen, aber eben auch Besorgniserregendes.
Gerade in letzter Zeit wurden die repressiven Maßnahmen verschärft: Repression gegen politisch aktive Bürger, Kriminalisierung von kritischem Engagement, im Einzelnen die Verschärfung des Demonstrationsgesetzes und des NGO-Gesetzes, wobei sich die NGOs, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, als „Auslandsagenten“ registrieren müssen, die Wiederaufnahme des Straftatbestands der Verleumdung, der erst 2011 von Medwedjew abgeschafft worden war, für den die Strafen jetzt aber wieder erhöht wurden, die Einführung einer schwarzen Liste für Internetseiten, die als schädlich für Kinder und Jugendliche gelten, wobei vollkommen unklar ist, was davon erfasst werden wird.
Wir haben die absolute Unverhältnismäßigkeit des Urteils gegen Pussy Riot erlebt, aufgrund dessen über 120 Abgeordnete aller Fraktionen des Deutschen Bundestages einen gemeinsamen Brief an den russischen Botschafter in Berlin geschrieben haben, und wir erleben gegenwärtig die Anklage gegen Alexej Nawalnij.
An dieser Stelle möchte ich auch an alle Berichte erinnern, die die Parlamentarische Versammlung verabschiedet hat – die Berichte von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zur selektiven Justiz in Russland, mit den Fällen von Chodorkowski, Lebedew, Wassilij Alexanjan, zu Yukos, den Bericht von Dick Marty zur Situation im Nordkaukasus, die selektive Implementierung von Urteilen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte!
Letztendlich stelle ich an die russische Delegation eine Frage, die mich schon lange umtreibt: Wo stehen Sie? Möchten Sie den Weg in Richtung Europa, Demokratie und Menschenrechte wirklich gemeinsam mit uns gehen? Will ihn Putin mit uns gehen? Ich habe daran große Zweifel.
Ich kann nur sagen: Wir sind bereit, Sie zu unterstützen, aber Ihre eigene Bereitschaft muss dann auch an Reformschritten messbar sein. Die Resolution und die Recommendation brauchen eine große Mehrheit. Es geht hier um nichts Anderes als um die Werte des Europarates – es geht um unsere Glaubwürdigkeit.