AL12CR33
AS (2012) CR 33
Provisorische Ausgabe
SITZUNGSPERIODE 2012
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(4. Teil)
BERICHT
33. SITZUNG
Mittwoch, 3. Oktober 2012, 15.30 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Fragen an Nicolae TIMOFTI, Präsident der Republik Moldau)
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich kenne und liebe Ihr Land. Deshalb möchte ich Sie in aller Offenheit fragen: Wann wird es ein wirklich funktionierendes System der sozialen und medizinischen Versorgung geben, damit der Organhandel unterbunden wird und nicht arme Moldawier zu „Ersatzteillagern“ für kranke Reiche werden? Denn der Preis für eine Niere liegt derzeit bei 2000 €, was in etwa einem 10-Jahres-Gehalt für einen Landarbeiter entspricht. Das ist schrecklich und passiert tagtäglich.
Christoph STRÄSSER, Deutschland, SOC
(Dok. 13011)
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor ca. 3 Jahren habe ich einen Auftrag aus der Mehrheit des Ausschusses für Recht und Menschenrechte bekommen, eine Definition über den Begriff des politischen Gefangenen vorzulegen, vorzubereiten, beraten zu lassen und zu entscheiden.
Das heißt, und so habe ich meinen Auftrag interpretiert, dass diejenigen, die mir diesen Auftrag erteilt haben, davon ausgehen, dass es politische Gefangene gibt und dass die Parlamentarische Versammlung sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen hat.
Ich habe diesen Auftrag seinerzeit gern übernommen, weil ich gleichzeitig noch mit einem anderen Auftrag befasst war, nämlich dem follow-up der Situation politischer Gefangener in einem Mitgliedsland des Europarates: Aserbaidschan.
Ich habe diesen Auftrag sehr ernst genommen und versucht, anhand der Materialien, die dem Europarat und dem Rechtsausschuss vorgelegen haben, eine solche Definition vorzubereiten. Ich habe dabei festgestellt, dass es in den Jahren 2001 und 2002, beauftragt durch eine Kommission des Generalsekretärs mit drei hochrangigen Experten, eine Definition für den Begriff politischer Gefangener für den Bereich des Europarates gegeben hat. Vielen, die seit längerer Zeit Mitglied dieses Hauses sind, ist dies sicherlich auch klar.
Diese Definition ist mehrfach Bestandteil von Debatten und Entscheidungen gewesen. Um Missverständnisse zu vermeiden, betone ich an dieser Stelle, dass es ist richtig ist, dass explizit und alleinstehend keine Entscheidung über den Begriff der politischen Gefangenen, auch nicht der Parlamentarischen Versammlung, stattgefunden hat.
Bitte nehmen Sie aber zur Kenntnis, dass es in den Jahren 2001 bis 2005 vier Resolutionen und dazugehörige Empfehlungen des Europarates gegeben hat, in der über die Situation politischer Gefangener in Aserbaidschan und in Armenien berichtet wurde.
Diese Berichte sind hier unter meinem Vorgänger Malcolm Bruce – welcher auch einige Geschichten darüber erzählen konnte, was ihm in seiner Zeit zugestoßen ist – von dieser Parlamentarischen Versammlung verabschiedet und angenommen worden. Deshalb muss ich davon ausgehen, dass alle diejenigen, die sich hier positiv verhalten haben, eine klare Vorstellung von dem haben, was für den Europarat der Begriff politischer Gefangener bedeutet.
Dies möchte ich vorwegnehmen, denn ich glaube, dass es hier viele Missverständnisse gibt: Wir haben eine Definition, wir haben Entscheidungen getroffen. Wer denkt, es gäbe sie nicht, stellt die Legitimation der Arbeit der Parlamentarischen Versammlung in den letzten 10 Jahren massiv infrage. Nach meinem Verständnis stellt er auch den acquis infrage, nämlich den gemeinsamen Wunsch des Europarates, sich für Menschenrechte einzusetzen, und verrät diejenigen, die auf uns hoffen.
Davon gibt es zum Glück immer noch viele, aber es sind in der letzten Zeit weniger geworden, weil sie glauben, dass der Europarat diesem Auftrag nicht mehr wirklich nachkommen kann. Wir sollten heute an dieser Stelle ganz deutliche Signale aussenden: Wir stehen an der Seite derjenigen, die uns brauchen, auch als Politikerinnen und Politiker, gerade als Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
Worum geht es heute? Formal geht es darum, ob wir diesen Begriff akzeptieren oder nicht. Dazu habe ich eine entsprechende Vorlage gemacht. Meiner Ansicht nach geht es heute aber um mehr als nur darum, nämlich um eine Weichenstellung; darum, in welche Richtung die parlamentarische Versammlung des Europarates geht.
Als ich meinen Auftrag bekam, gab es mehrere Diskussionen zur Frage der Ausgestaltung. Doch seit dem heutigen Tag gibt es eine knappe Mehrheitsentscheidung des Rechtsausschusses, in der das gar nicht mehr das Thema ist. Mit der heutigen Entscheidung wird m.E. revidiert bzw. sogar das Gegenteil dessen beschlossen, was wir seinerzeit hier einvernehmlich mit knapper Mehrheit beschlossen haben: Der Rechtsausschuss hat entschieden, dass diese parlamentarische Versammlung gar nicht dazu berechtigt ist, die Entscheidung über einen Begriff zu treffen, denn das sei die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
Damit sind dieselben Abgeordneten, die den Antrag gestellt und mir den Auftrag erteilt haben, eine Begriffsdefinition zu erarbeiten, ins Gegenteil gegangen. Heute sagen sie, eine Befassung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit solchen Menschenrechtsthemen sei schlicht unzulässig. Die einzige Entscheidung, die einzige Interpretation, dürfe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte treffen.
Ich halte das für falsch, denn wenn das durchkommt, können wir hier morgen unsere Koffer packen und in den Urlaub fahren, um es etwas überspitzt auszudrücken. Uns wird ein Recht entzogen, das diese Parlamentarische Versammlung stark gemacht hat: das Recht, sich gerade dort einzumischen, wo wir Gefährdungen für die Menschen- und Freiheitsrechte, auch für die individuellen Freiheitsrechte sehen. In Zukunft dürfen wir hierzu keine Stellung mehr nehmen, weil es nicht unsere Aufgabe ist.
Ich glaube, das kann nicht wahr sein. Auch einige derjenigen, die aus ganz anderen Gründen gegen diese Beschlussfassung stimmen werden, können das nicht wirklich wollen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates schafft sich so de facto in vielen Bereichen ab.
Mich würde interessieren, was aus dem Monitoringausschuss wird, der sich nur mit Fragen der Rechtsstaatlichkeit und des individuellen Rechtsschutzes beschäftigt? Alles das wird in Zukunft nicht mehr stattfinden können, wenn wir uns dieser Interpretation, die heute mit knapper Mehrheit von 30 zu 28 akzeptiert worden ist, anschließen.
Deshalb mein Appell, vorurteilsfrei über das zu reden, was tatsächlich in dem Papieren steht. Ich bin der Meinung, der Europarat brauche eine Definition. Viele der vorgebrachten Vorwürfe – dieser Begriff sei zu schwammig, man sollte ihn überhaupt nicht benutzen – treffen für uns nicht zu. Wir haben eine klare Definition, abgeleitet aus der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Noch heute sind wir von den zwei größten Menschenrechtsorganisationen der Welt, Amnesty International und Human Rights Watch, die in der Regel aus Konkurrenzgründen nicht zusammenarbeiten, gebrieft und unterstützt worden. Beide bitten alle Kolleginnen und Kollegen, sich nicht gegen diesen Bericht zu wenden, denn wenn dieser Bericht heute scheitert, dann wird es schwer, im Januar über den im Vordergrund stehenden Teil zu reden, nämlich die Situation politischer Gefangener in Aserbaidschan.
Das ist aus meiner Sicht politisch gewollt. Ich hoffe, dass die Mehrheit dieser Versammlung genau diesen Weg nicht mitgehen will, und dass wir vorurteilsfrei reden können. Die Definition gilt für alle Länder. Es gibt den Auftrag für Aserbaidschan.
Ich bitte Sie alle, diesen Antrag, diese Beschlussfassung, so wie sie aktuell vorliegt, zu unterstützen und sich gleichzeitig einem Änderungsantrag des Rechtsausschusses nicht anzuschließen.
Herzlichen Dank.
Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE
(Dok. 13011)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal meinen herzlichen Dank an den Berichterstatter Christoph Strässer, der eine schwierige Aufgabe übernommen hat. Ich sage jedoch ganz deutlich: WIR haben ihn damit beauftragt, weil wir natürlich ein Interesse daran haben, dass es eine Definition des Begriffs politischer Gefangener gibt und weil in verschiedenen Mitgliedsstaaten viele Menschen auch darauf warten, dass diese Definition verabschiedet wird.
Was Sie, Herr Cavuşoğlu, sagen, nämlich, es habe keine Expertenanhörung gegeben, ist falsch – die Definition ist ja nicht vom Himmel gefallen. Ich erinnere Sie, dass vielmehr am 24.6.2010 eine Anhörung im Ausschuss stattfand, an der namhafte Experten teilnahmen: Herr Stefan Drechsel, Richter am Internationalen Strafgerichtshof des ehemaligen Jugoslawien, Andrew Grotian, Beauftragter des UN-Sicherheitsrats für die Frage von politischen Gefangenen in Namibia, und der spanische Richter Javier Gómez Bermúdez, Präsident der Strafgerichtskammer.
Diese Anhörung hat ergeben, dass die Kriterien, die der Europarat in der Vergangenheit angewandt hat, weiter gültig und anwendbar sind. auch ist es keine Definition nur für ein Land, sondern sie gilt für jedes Mitgliedsland.
Amnesty International und Human Rights Watch haben uns einen Brief geschrieben, in dem sie uns auffordern, diese Definition heute zu verabschieden. Ich zitiere aus diesem Brief:
„The definition of political prisoner put forward by the rapporteur is based on a well-established set of criteria drawn up at the time in line with the European Court of Human Rights case-law.”
AI und HRW fordern uns noch einmal auf, heute die Stimme zu erheben und diese Definition zu verabschieden. Ich appelliere an uns alle, dies auch zu tun!
Ein letztes Wort: Die Lobby-Arbeit von Aserbaidschan, die ich hier erlebe, grenzt an Dreistigkeit. Wir dürfen uns nicht davon beeinflussen lassen, sondern müssen für die Sache des Europarats, die Menschenrechte, aufstehen.
Heute ist der Tag, Farbe zu bekennen für die Menschenrechte – tun wir das alle!
Viola von CRAMON-TAUBADEL, Deutschland, SOC
(Dok. 13011)
Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender!
Was Sie, Herr Cavuşoğlu, eben von sich gegeben haben, ist einfach unfassbar. Sie müssten es besser wissen – Sie waren Präsident dieser Parlamentarischen Versammlung und wissen ganz genau, was hier gespielt wird! Ich hätte nie gedacht, dass wir einen ehemaligen Präsidenten mit so einem Unsinn hören müssen. Sie hatten von Nonsens gesprochen, aber ich glaube, wir sind uns einig, dass das anders herum genauso gilt!
Zum Beitrag von Herr Kox: Wenn Sie die aserbaidschanische oder die türkische Regierung fragen: „Haben Sie politische Gefangene?“ Welche Antwort werden Sie bekommen? Machen wir uns nichts vor: Keine Regierung der Welt wird von sich zugeben, dass es in ihrem Staat politische Gefangene gibt. Dennoch wissen wir, dass es Menschen gibt, die aufgrund ihrer politischen Tätigkeit oder Überzeugung inhaftiert sind.
Manche dieser Personen werden in Administrativhaft oder U-Haft genommen, andere werden nach ihrer Verurteilung ins Gefängnis gesperrt. Unstrittige Tatsache ist, dass diese Menschen gemeinhin als politische Gefangene bezeichnet werden.
Die Befassung damit ist eine Kernaufgabe dieser parlamentarischen Versammlung, unseres Europarates. Die eben im Ausschuss vor dieser Plenumssitzung beschlossene Änderung würde, wie Herr Strässer gut ausgedrückt hat, bedeuten, dass wir als Mandatsträger nie wieder über diese politischen Gefangenen reden dürfen. Wir als Abgeordnete dürfen uns mit unserem ureigenen Thema nicht mehr befassen!
Diese hineingestimmte Änderung, dass allein der Europäische Gerichtshof für die Definition der Menschenrechte zuständig ist, bedeutet de facto eine Abschaffung unserer Arbeit.
Daher appelliere ich an alle, die ebenfalls versucht haben, politische Gefangene im Gefängnis zu besuchen und es teilweise, wie ich selbst, auch geschafft haben, für die Unterstützung dieses Berichts und gegen die hineingestimmte Änderung zu stimmen.
Auch den Vorschlag, den Herr Kox aufgebracht hat, verstehe ich eigentlich nicht. Was soll eine weitere Befassung mit der Frage im Ausschuss bringen? Wie Frau Schuster dankenswerter Weise ausgeführt hat, gab es ja zu dem Thema Anhörungen mit unterschiedlichen Experten, die genau zu diesem Ergebnis gekommen sind.
Daher möchte ich festhalten, dass ich es äußerst befremdlich finde, in welcher Form hier im Vorfeld dieses Berichts gearbeitet wurde: mit bösartigen, persönlichen Anfeindungen gegen den Berichterstatter und andere Mitglieder dieser Parlamentarischen Versammlung, mit Unterstellungen und offensichtlich nicht abgestimmten Briefen der Europäischen Anwaltsvereinigung. Solche Methoden dienen einzig und allein der Aushöhlung unserer Parlamentarischen Versammlung des Europarats.
Also bekennen Sie sich zu dem Kern Ihrer Arbeit und unterstützen Sie unseren Berichterstatter.
Vielen Dank.
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 13011)
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Bericht von Herrn Strässer führt uns vor Augen, dass wir dort, wo es um die Durchsetzung von Menschenrechten und Demokratie geht, in unseren Ausschüssen die „Behübschung“ von Zimmern vornehmen und dabei ganz vergessen, wie das Fundament unseres Europarates aussieht.
Wenn ich jetzt in der Debatte von „Einmischung in innere Angelegenheiten“ höre, sage ich mir, dass wir Gott sei Dank weit davon entfernt sind, zu sagen, dass es bei Menschenrechten keine Einmischung in innere Angelegenheiten geben darf. Im Gegenteil: Dort müssen wir uns einmischen, denn es ist die Aufgabe dieses Europarates, sich überall dort einzumischen, wo Menschenrechte verletzt werden! Ebenso wie wir uns einmischen, wenn es um Frauenhandel oder Kinderhandel geht. Das alles sind Dinge, die zu unseren Grundanliegen gehören.
Natürlich wird kein Land je sagen, es habe politische Gefangene; deshalb werden andere Begriffe dafür verwendet. Wenn in einem Mitgliedsland des Europarates 100 Journalisten wegen „Terrorismusverdachts“ in Haft sitzen, so bedeutet das, dass einfach ein anderer Begriff verwendet wurde.
Wenn der Staat seine Macht einsetzt, um Urteile zu manipulieren und Urteile politisch zu instrumentalisieren, dann handelt es sich bei den Verurteilten natürlich um politische Gefangene. Auch die Mitglieder von „Pussy Riot“ sind politische Gefangene, denn hier wurde die Justiz korrumpiert.
Beim Umgang mit dem Begriff „Terrorismus“ ist es das alte Lied – sofort sind 100 Journalisten terrorismusverdächtig. In Israel wird z.B. ein altes Gesetz, das die Briten benutzten, um die jüdische Widerstandsbewegung auszuschalten, heute dazu einsetzt, um Parlamentarier wie den Präsidenten des palästinensischen Parlaments, sowie unzählige andere Gefangene ohne Anklage und ohne zeitliche Begrenzung in Haft zu setzen. Es wird ohne jede Anklage Verwahrungshaft angeordnet.
Deshalb müssen wir uns einmischen. Der Berichterstatter hat zwei Mitgliedsstaaten genannt, aber wir können dies natürlich auf viele andere ausdehnen.
Dies ist ein Bericht, der unter einem gewissen politischen Druck hier im Hause entstanden ist, ein Bericht, der zu einer wirklich substantiellen Rückbesinnung auf unsere eigene Tätigkeit führt, und die haben wir heute mit diesem Bericht auch klar anzunehmen.
Christoph STRÄSSER, Deutschland, SOC
(Dok. 13011, Antwort)
Herzlichen Dank, Herr Vorsitzender!
Ich bedanke mich bei allen, die an dieser Diskussion teilgenommen haben, für die aus meiner Sicht fast ausschließlich konstruktiven Beiträge. In diesen Dank beziehe ich ausdrücklich einen Redner nicht mit ein; Sie werden sich sicherlich denken können, wen ich meine. Es hat mich als Parlamentarier tief betroffen gemacht, dass ein früherer Präsident dieser Versammlung bei einer Abstimmung, bei der es darum geht, dass man verurteilt, dass ein gewählter Berichterstatter nicht nach Aserbaidschan reisen darf, dagegen gestimmt hat. Das zeigt meines Erachtens, an welcher langen Leine dieser Präsident gehalten wurde.
Zu den zahlreichen Punkten, die angesprochen wurden: Ich glaube, man sollte den Ausgangspunkt noch einmal klar machen, denn es ging mit den unterschiedlichsten Ansprüchen an den Berichterstatter einiges durcheinander.
Es wurde mehrfach gesagt, ich hätte etwas Neues machen müssen. Doch war mein Auftrag, eine Definition des Begriffs „politischer Gefangener“ zu erstellen – von alt oder neu war nicht die Rede.
Ich möchte noch einmal betonen, dass wir im Ausschuss Anhörungen durchgeführt haben, bei denen viele von Ihnen auch anwesend waren. Die Ergebnisse dieser Anhörungen waren eindeutig: Es hat an der Definition, die dort vorgetragen wurde und die seit 10 Jahren in dieser Parlamentarischen Versammlung Praxis ist, keine Kritik gegeben.
An die Adresse von Herrn Kox, den ich im Übrigen sehr schätze möchte ich sagen: Wenn man einen Bericht erst nach drei Jahren vorlegt, so liegt das daran, dass die Arbeit an vielen Stellen behindert wurde.
Anregungen, die in dieser schwierigen Frage einen Konsens herbeiführen, hätte ich gerne entgegen genommen. Um solche Anregungen habe ich dringend gebeten, doch es sind keine gekommen. Das ist m.E. eine ganz klare Botschaft an alle Fraktionen, die damit zu tun hatten.
Natürlich ist es so, dass die Antwort selbstverständlich „Nein“ sein wird, wenn ich meine Regierung in Deutschland frage, ob es in unserem Land politische Gefangene gibt. Aber genau deshalb befassen wir uns doch mit diesem Thema!
Ich möchte deutlich sagen, dass ich mich in dieser Parlamentarischen Versammlung nicht als verlängerter Arm meiner Regierung empfinde. Auch würde ich jeden bitten, das für sich und sein Land ebenso zu sehen. Wir sind hier eine Institution von 47 Parlamenten und haben parlamentarische Funktionen, keine Exekutivfunktion. Ich möchte gerne die Frage diskutieren, ob es in den Ländern, über die wir sprechen, nach den Kriterien, an denen ich keine substantielle inhaltliche Kritik erhalten habe, politische Gefangene gibt.
Nach dem, wie und was hier diskutiert worden ist, und nach all den Erfahrungen, die ich in diesen drei Jahren gemacht habe, bin ich sicher, dass es in dieser Frage keinen Konsens geben wird. Darin besteht die Schwierigkeit und deshalb halte ich nichts davon, den Bericht noch einmal zurückzuverweisen.
Noch einmal zum Punkt Terrorismus. Sie, Herr Kollege Agramunt, haben die ganze Zeit Punkt 3 der Entschließung angesprochen – schauen Sie doch bitte einmal auf Punkt 4. Punkt 4 ist ein Text, den ich auf Anregung Ihres Kollegen aus Spanien, Herrn Conde, praktisch wörtlich übernommen habe, was ich jetzt fast bedaure. Das war ein Kompromissangebot, das Herr Conde angenommen hat, und jetzt stellt er Anträge, um genau dies wieder aus dem Text herauszunehmen! Das ist mir unbegreiflich. Wenn Sie Amendment 2 annehmen, verhindern sie sogar diesen Punkt.
Wir entscheiden heute auch über Gewinner und Verlierer. Was passiert, wenn wir heute ohne Entscheidung, mit einer Ablehnung und Vertagung auf andere Institutionen nach Hause gehen? Die Verlierer sind die Menschen, die auf uns schauen und hoffen.
In Aserbaidschan gibt es drei große Menschenrechtsorganisationen, die uns hier beschäftigt und mich kritisiert haben, weil ich mich zu wenig im Land aufgehalten habe und zu wenig laut gewesen bin. Ihnen will ich sagen: dieser Europarat steht auf der Seite derjenigen, die nach den Kriterien, die wir für unsere Arbeit hier festlegen, politisch verfolgt werden. Nichts anderes ist mein Ziel. Wer das anders sehen will, muss damit auch klar und deutlich zu erkennen geben, dass er nicht will, dass ich im Januar einen Bericht über die Situation politischer Gefangener in Aserbaidschan vorlege. Ich habe den Eindruck, dass das bei dem einen oder anderen gewollt ist. Diese Gelegenheit sollten wir diesen Mitgliedern nicht geben. Ich möchte die Arbeit in Aserbaidschan fortsetzen
Wenn das Amendment Nr. 2 hier angenommen wird, ist damit für mich diesem Bericht komplett die Substanz entzogen und es handelt sich damit nicht mehr um meinen Bericht. Dann kann ich der Versammlung nur empfehlen, den Bericht insgesamt abzulehnen.
Herzlichen Dank.
Amendments:
Christoph STRÄSSER, Deutschland, SOC
(Dok. 13011, Amendment 1, Subamendment 1)
Ich glaube, ich bin missverstanden worden.
Wir haben den Antrag 1 durch zwei Unteränderungsanträge ergänzt, weil wir eine falsche Themenstellung vermutet haben. Dabei bleibe ich.
Der Kern des Berichts ist nicht auf die Entwicklung in Namibia in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zurückzuführen. Ich habe in meinem Beitrag auch gesagt, dass es darum geht, solche Erfahrungen zu verwerten. Das haben wir getan und deshalb ist Ihr Antrag in dieser Form sachlich unrichtig. Ich plädiere deshalb dafür, beiden Unterergänzungsanträgen zuzustimmen. Das wäre aus meiner Sicht akzeptabel.
Christoph STRÄSSER, Deutschland, SOC
(Dok. 13011, Amendement 1, Subamendment 2)
Es ist noch einmal eine rein faktische Veränderung und Ergänzung, die den Sachverhalt richtig stellt, mehr nicht. Danke.
Christoph STRÄSSER, Deutschland, SOC
(Dok. 13011, Amendement 1, Subamendment 2)
Dankeschön.
Erstens, Herr Kollege Conde hat eigentlich die Begründung dafür geliefert, dass wir als Parlamentarische Versammlung über diesen Begriff nicht abstimmen dürfen.
Ich finde, das ist die genaue Verkehrung des Auftrages, den diese Versammlung mir gegeben hat. Deshalb bitte ich um Abstimmung, weil wir in der Sache abstimmen dürfen. Selbstverständlich sind wir neben dem Gerichtshof für die Diskussion und Entscheidung von Resolutionen zu allgemeinen menschenrechtlichen und freiheitsrechtlichen Fragen verantwortlich.
Ich wurde beauftragt, dazu etwas zu entwickeln. Was er vorschlägt, verkehrt diesen Auftrag in sein Gegenteil. Ich bitte Sie deshalb, sich nicht selbst zu entmündigen und gegen dieses Amendment zu stimmen, denn das ist unsere Kernaufgabe, für die wir gewählt wurden.
Katrin WERNER, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 13020)
Sehr geehrter Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Im Namen meiner Fraktion, der Vereinigten Europäischen Linken, möchte ich dem Berichterstatter für diesen Bericht danken. Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir uns dem Bericht zu Menschenrechten und Außenpolitik anschließen werden.
Manche Ausführungen der Resolution sind in einigen Punkten sehr allgemein gehalten, manchmal sogar zu hypothetisch. Erlauben Sie mir deshalb, dass ich auf ein paar Punkte eingehe, die sich als Konsequenz aus dieser Entschließung auf unser politisches Wirken ergeben.
Wenn wir für eine stärkere Verbindung von Menschenrechten und Außenpolitik eintreten, dann dürfen auch keine Doppelstandards eingeführt bzw. verwendet werden. Einerseits kritisieren wir die Menschenrechtssituation anderer Länder und treten mit ihnen in Menschenrechtsdialog, andererseits stellen wir aber auch Wirtschaftsinteressen über die Menschenrechte. Dies wird an folgendem Beispiel deutlich: Die deutsche Polizei hat die Miliz und die Geheimdienste in Weißrussland geschult, ihnen sogar Kameras und Transporter geliefert. Das hat die Bundesregierung auf unsere schriftliche Anfrage hin sogar verneint.
Zweitens, Menschenrechtspolitik umfasst nicht nur die politischen und wirtschaftlichen, sondern auch die sozialen und kulturellen Menschenrechte, die einer stärkeren Förderung bedürfen. Hier müssen wir auch kritisch bei unserer eigenen Politik beginnen. In unseren Mitgliedsstaaten wird viel Geld mit Rüstungsexporten gemacht, Militär und Rüstungsindustrie werden mit Milliarden subventioniert. Das wenige Geld, das im Gegensatz zur Armutsbekämpfung verwendet wird, steht in keinem Verhältnis dazu. Für die Rüstungsindustrie gibt es Panzerdeals in Milliardenhöhe und für die Armen gibt es, zugespitzt ausgedrückt, die Suppenküche.
Insgesamt müssen wir in unserer Außenwirtschaftspolitik wesentlich kritischer werden. Es kann nicht sein, dass Kinder unter Zwang arbeiten müssen, dass sie auf Baumwollplantagen, in Goldminen oder im Steinbruch ihre Kindheit und Jugend verlieren, nur damit wir in Europa Niedrigpreise bei Textilien und anderen Waren haben.
Hier braucht es klare Richtlinien für Unternehmen, die regeln und offenlegen, unter welchen menschenrechtlichen Bedingungen ihre Rohstoffe eingekauft und ihre Waren hergestellt und veredelt werden. Mit diesen Richtlinien muss auf Unternehmen eingewirkt werden, dass Waren, die durch Kinderarbeit, Ausbeutung und unwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen produziert worden sind, in unseren Mitgliedsstaaten nicht vertrieben werden.
Bei unwürdigen Lebensbedingungen müssen auch wir hier in Europa selbstkritisch sein, denn auch in Europa werden junge Mädchen verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Diesem Menschenhandel müssen wir in Europa massiv entgegenwirken und alles tun, um ihn zu unterbinden, indem wir die Lebensbedingungen in ganz Europa im Sinne der sozialen Menschenrechte verbessern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser aller Zustimmung zu dieser Entschließung muss mehr sein als eine freundliche Willensbekennung. Wir sind mit dieser Entschließung vor allem dazu verpflichtet, uns in unseren eigenen Parlamenten für eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik einzusetzen.
Eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik fängt im eigenen Land an. Nur wenn wir als gutes Beispiel voranschreiten, keine Doppelstandards haben und selbstkritisch gegenüber unseren eigenen Menschenrechtssituationen sind, können wir Menschenrechte überzeugend und ehrlich in der Außenpolitik einfordern und umsetzen.
Vilmos SZABÓ, Ungarn, SOC
(Dok. 13020)
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren!
Ich möchte dem Berichterstatter für seine ausgezeichnete Arbeit meine Anerkennung ausdrücken. Die im Bericht genannten Fragen, die positiven und negativen Beispiele trifft man ständig an.
Es ist wichtig, dass die Mitgliedsstaaten des Europarates die Grundsätze, die sie akzeptiert haben und denen sie verpflichtet sind, bekräftigen. Ebenso wichtig ist es, dass in der täglichen Praxis die guten Erfahrungen in größerem Maße gefördert werden.
Demokratie und Menschenrechte müssen von den einzelnen Mitgliedsstaaten im eigenen Land respektiert und gefördert werden. Besonders wichtig ist es, die Lösung der verschiedenen Affären friedlich anzugehen.
So wird es viel leichter, in der Außenpolitik vorbeugend zu handeln und auch die Menschenrechte nicht zu vergessen, während man pragmatisch die eigenen Wirtschaftsinteressen vertritt. Auch „humanitäre Interventionen“ zur Beilegung von Krisen lassen sich so vermeiden.
Auch ich bin der Meinung, dass die parlamentarische Diplomatie, die Medien und NGOs außerordentlich wichtig sind.
Ungarn hat in den letzten Jahrzehnten auf diesem Gebiet viel getan; hier zwei Beispiele: 2009-2012 war Ungarn Mitglied des UNO-Menschenrechtsrates und arbeitete konsequent daran, die grundlegenden Menschenrechte auf internationaler Ebene zur Geltung zu bringen.
Auch unterstützt Ungarn die Arbeit des Minderheiten-Forums der UNO, indem es die Rechte der nationalen, religiösen und sprachlichen Minderheiten fördert. Dieses Forum wird seit 2011 und für drei Jahre von der Ungarin Rita Izsák geleitet.
Doch leider muss ich auch sagen, dass die ungarische Regierung seit 2010 zu recht auch sehr viel kritisiert wird, weil in Ungarn grundlegende Menschenrechte eingeschränkt und Rechtsstaatlichkeit und demokratische Kontrolle geschwächt wurden. Das Ergebnis dieser Kritik waren geringfügige Korrekturen, jedoch keine grundlegende Kursänderung.
In der letzten Zeit hat die ungarische Regierung zudem eine außenpolitisch unverantwortliche Entscheidung getroffen. 2004 wurde in Budapest ein Armenier von einem Aserbaidschaner getötet, der zu lebenslänglichem Freiheitsentzug verurteilt wurde. Vollzogen wurde die Strafe in Ungarn. Doch Ende August 2012 wurde der Mörder von der ungarischen Regierung nach Aserbaidschan ausgeliefert, ohne dass die armenische Regierung oder die zuständigen Stellen des Europarates zuvor darüber informiert oder konsultiert worden wären. Auch versäumte die ungarische Regierung, sich davon zu überzeugen, ob der Mann nicht in seiner Heimat vom Präsidenten Aserbaidschans begnadigt würde. Die schlimmen Folgen dieses Vorgehens erfahren wir heute.
Danke, Herr Präsident.