AL13CR03 |
AS (2013) CR 03 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2013
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(1. Teil)
BERICHT
3. SITZUNG
Dienstag, 22. Januar 2013, 10.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE
(Dok. 13088)
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke Herrn von Sydow für seinen Bericht. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich kurz auf die Beiträge zweier Kollegen antworten.
Zum Einen an Herrn Hancock: Heute sind die französische und die deutsche Delegation kaum anwesend, weil in Berlin ein großer Festakt zur Unterzeichnung des Élysée-Vertrags vor 50 Jahren stattfindet.
Wenn man einen so pessimistischen Blick auf die Zukunft dieser Region wirft, wie Herr Hancock es eben getan hat, sollte man sich daran erinnern, dass es zwischen Deutschland und Frankreich, die einst als Erzfeinde galten, jetzt diese Nähe gibt, die wir nun schon seit vielen Jahren miteinander feiern. Es gibt also Chancen für Veränderungen, auch bei etwas, das historisch als tiefe Feindschaft begriffen worden war.
Zum Zweiten möchte ich darauf eingehen, was hinsichtlich der Legitimität der NATO-Intervention gesagt wurde. Es hätte den Kosovo und diese Intervention niemals gegeben, wenn es zuvor nicht Srebrenica gegeben hätte. Das völkerrechtliche und das menschenrechtliche Dilemma war jedem klar. Das serbische Militär war unter den Augen der OSZE im Kosovo am Aufmarschieren. Was sollte man angesichts eines drohenden zweiten Srebrenica – und wir alle wissen, was dort geschehen ist – tun? Das Warten auf den Sturz von Milošević war auch eine Frage der Zeit.
Das, was nun geschaffen worden ist, ist ausgesprochen schwierig. Wir lernen, dass State Building viel komplizierter ist, als wir uns das vor 15 Jahren vorgestellt haben.
Natürlich behindert dabei auch die Frage des ungeklärten Status, wobei diese Frage hier im Europarat nicht die entscheidende Rolle spielen sollte. Unsere Basis sind die universellen Menschenrechte, und dazu gehört vor allem die Botschaft, dass moderne Staaten nicht an der Illusion der ethnischen Homogenität festhalten dürfen.
Die Illusion der ethnischen Homogenität ist für das demokratische und gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen katastrophal. Das gilt für alle Staaten, besonders aber für den Balkan mit seiner großen ethnischen Vielfalt, wo wir die Staaten immer weiter aufspalten müssten, damit sie zu ethnisch homogenen Einheiten würden. Dann würden wir erst über die Abtrennung von Nordkosovo diskutieren, dann über das Preševo-Tal, dann über die Voivodina - es gibt noch viele weitere solcher Regionen.
Die Multi-Ethnizität und damit die Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit muss hier im Europarat unser roter Faden sein, damit wir sicheres Terrain unter den Füßen haben. Das ist unsere Aufgabe für die Begleitung des Kosovo.
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 13088)
Danke, Herr Präsident,
lieber Björn von Sydow!
Dieser Bericht ist wirklich tief beeindruckend.
Liebe Frau Mulić und liebe Frau Beck, ich teile ja das Prinzip der Hoffnung, das auch aus diesem Bericht herauszulesen ist. Doch sehen wir, wie oberflächlich dieser Frieden und diese Ruhe sind. Das Beispiel Deutschland/Frankreich zeigt ja, dass damals auf beiden Seiten Menschen Verantwortung hatten, die keine nationalistischen Spiele gespielt haben.
Aber wenn der serbische Präsident Nikolic versucht, ausgerechnet im Kosovo serbisch-orthodoxe Weihnachten zu feiern und daraufhin nicht einreisen darf, wenn in Presovo die serbische Polizei albanische Denkmäler abreißt, wenn die Albaner wieder anfangen, serbische Friedhöfe zu schänden, sieht man, was da direkt unter der Oberfläche kocht.
Mein Land hat ein System entwickelt, das für die NATO purer Horror ist: das „low monitoring system“. Unsere Soldaten leben nicht abgeschottet in Kasernen, sondern wie in studentischen Wohngemeinschaften mitten unter den Menschen, gehen einkaufen und kochen miteinander und laden dazu auch die Bevölkerung ein, um ein wenig mitzubekommen, wie im Kosovo die Stimmungslage ist.
Tatsache ist, dass dies die große Stunde des Europarates ist, denn es geht um Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bildungsentwicklung. Natürlich haben auch die europäischen Staaten ihre Probleme; der Europäische Rechnungshof hat KFOR und EULEX in Korruptions- und Kriminalitätsfragen kritisiert.
Ich bin froh, dass am 18. Januar unter dem Vorsitz von Lady Ashton nun zumindest im Bereich des Zolls, der Tarife und der Finanzierung der serbischen Mitrovica-Gemeinden eine kleine Normalität zustande gekommen ist und diese Gemeinden eine ganz geringe Autonomie bekommen haben. Allerdings stellte Innenminister Rexhepi dazu sofort fest, dass es für diese Gemeinden niemals eine echte Autonomie geben könne.
Die Eigenstaatlichkeit des Kosovo ist eine Tatsache, die wir anerkennen müssen. Auch dass das Budget des Kosovo zu fast 90% aus der Europäischen Union kommt, ist eine – erschreckende - Tatsache. Aber in diesem Bereich sollte der Europarat Flagge zeigen und seine Rolle spielen, denn die EU kann dies nicht unbedingt in dieser Weise tun.
Noch ein kleiner Punkt: Wie Frau Beck bin ich der Meinung, dass es niemals zum Abgehen vom Ahtisaari-Plan kommen darf.
Zuletzt möchte ich daran erinnern, dass es im Kosovo nicht nur eine serbische Minderheit gibt, sondern auch die Aschkali, die Kosovo-Ägypter, die Türken usw.
Und abschließend: Der Bericht von Björn von Sydow stellt fest, dass es keine Rückführung von Roma in den Kosovo geben darf! Das sollten sich alle unsere Staaten zu Herzen nehmen.
Vilmos SZABÓ, Ungarn, SOC
(Fragen an den Generalsekretär des Europarats, Herrn Thorbjørn JAGLAND)
Herr Generalsekretär,
Sie haben letztes Jahr im November Budapest besucht. Warum hielten Sie es nicht für notwendig, die ungarische Delegation des Europarates darüber zu informieren und sie zu treffen? Sie haben Vertreter der Regierung getroffen. Warum haben Sie nicht auch Vertreter der Opposition getroffen?
Dankeschön.
Antwort des Generalsekretärs: Das habe ich aber getan!
Noch einmal: Warum haben Sie keine Vertreter der Opposition getroffen? Sie haben Regierungsmitglieder getroffen, und die ungarische Delegation wurde nicht über Ihren Besuch informiert. Warum hielten Sie es nicht für nötig, sich mit Ihnen zu treffen?