AL13CR05

AS (2013) CR 05

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2013

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(1. Teil)

BERICHT

5. SITZUNG

Mittwoch, 23. Januar 2013, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Viola von CRAMON-TAUBADEL, Deutschland, SOC

(Dok. 13083)

Vielen Dank, Herr Präsident!

Auch ich möchte der Berichterstatterin, Frau Acketoft, ganz herzlich für ihren Bericht danken. Ich glaube, es ist gut und wichtig, dass man sich dieses Themas wieder annimmt.

Ich halte diesen Bericht für sehr ausgewogen; er enthält ganz sicher die richtigen Forderungen. Auch dem Kollegen Tiny Kox möchte ich ausdrücklich danken, denn er stellt die richtige Forderung: nicht immer auf die Vergangenheit, sondern nach vorne zu schauen. Die Parlamentarier müssen ermutigt werden, sich an einen Tisch zu setzen und das, was auf der Regierungsebene passiert, nämlich wenig, mit einem eigenen diplomatischen Format zu unterlaufen. Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorne.

Ich war 2010 die erste Abgeordnete, die nach den kriegerischen Auseinandersetzungen 2008 mithilfe der georgischen, aber auch der de facto-Regierung in Abchasien in die Gali-Region und auch nach Sochumi in Abchasien reisen und dort politische Gespräche führen konnte.

Ich konnte mir einen ersten Eindruck von der bitteren Armut der georgisch stämmigen Bevölkerung im Gali-Distrikt machen, die Frau Acketoft ja auch in ihrem Bericht beschrieben hat. Aus ganz unterschiedlichen Gründen müssen die Menschen dort seit 1992 ohne große Bewegung in dieser Armut verharren.

Die Frage der politischen Instrumentalisierung, die in dem Bericht beschrieben wird, wird in Gali mehr als offensichtlich. Weder die russische, noch die abchasische oder die georgische Regierung hat sich bislang ernsthaft um eine Verbesserung der Lebensverhältnisse dieser Bevölkerungsgruppe gekümmert.

Anschließend erhielt ich einen Einblick in die Wohn- und Lebensverhältnisse der IDPs, der Binnenflüchtlinge in Georgien. Diese leben mittlerweile in der 2., mitunter sogar schon der 3. Generation unter extrem schwierigen Bedingungen.

Um eine Perspektive für diese große Bevölkerungsgruppe zu erreichen, brauchen wir endlich eine politische Lösung. Deshalb ist der Appell des Berichts auch korrekt, die Empfehlungen aus früheren Resolutionen des Europarats endlich umzusetzen. Es ist unersetzlich, diese Dialogformate zu erweitern und über die Situation der Flüchtlinge tatsächlich zu verhandeln.

Dazu war allerdings in den letzten Jahren die Rhetorik der georgischen Regierung mit ihren unterschiedlichen sogenannten Reintegrationsministern alles andere als hilfreich. Aber vor allem kann die russische Seite zu einer Konfliktlösung beitragen. Die russische Regierung nämlich hat bedauerlicherweise den ratifizierten Sechs-Punkte-Plan von 2008 bis heute noch nicht umgesetzt.

Wie Frau Acketoft und andere Sprecher immer wieder betont haben, geht es ja um den Zugang. Ich finde es wichtig, dass wir grundsätzlich Zugang fordern, aber als erstes müssen die ratifizierten Verträge auch umgesetzt werden. Noch immer haben die EUMM-Beobachter keinen Zugang zu den Konfliktregionen Abchasien und Südossetien.

Aber insbesondere nach dem Regierungswechsel in Georgien Ende 2012 und dem ernsthaften Bemühen der georgischen Regierung mit neuen Gesichtern, einer anderen Rhetorik und ernstgemeinten Angeboten für einen intensiven Dialog, sollte meines Erachtens auch der Europarat auf die Einhaltung der Vereinbarung nachhaltig Wert legen.

Vor allem der neue Minister für die abtrünnigen Gebiete, Paata Sakareishwili, mit seiner langjährigen Erfahrung, bietet auch für die russische Seite eine große Chance zur Konfliktlösung; das Zeitfenster vor Sotchi wurde eben angesprochen. Unabhängig von einer politischen Lösung muss allerdings auch von Seiten des Europarates darauf geachtet werden, dass die Perspektiven für die Bevölkerung in den alten IDP-Unterkünften aufgezeigt werden. Ich würde für mehr Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt werben.

Vielen Dank.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13083)

Danke sehr, Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch von meiner Seite ein großes Kompliment an die Berichterstatterin, die vor allem aus humanitärer Sicht ein exzellentes Dokument vorgelegt hat.

Bei den existierenden eingefrorenen Konflikten in Nagornij Karabach, Transnistrien, Ossetien, Abchasien können sich Regierungen und Staaten vortrefflich streiten und über Jahrzehnte hin ihre Positionen austauschen. Doch die Situation derer, die bei diesen Konflikten vertrieben wurden, ist schrecklich, insbesondere die der Binnenflüchtlinge.

Wie meine Kollegin von Cramon-Taubadel konnte ich relativ früh ein abchasisches Flüchtlingslager besuchen und eine Situation feststellen, die bis heute unverändert ist und besonders durch die mangelnde Perspektive geprägt wird. Es handelt sich um jahrzehntelange Konflikte, bei denen es um diplomatische Stellungspositionen geht, genau wie z.B. in Palästina.

Bei den Binnenvertriebenen gehen ganze Generationen verloren. Im Zentrum stehen Bildungsfragen, die Wohnsituation und die Zukunftsperspektiven. Deshalb ist es wichtig, hier besonders diese humanitären Aspekte und die Ausbildungsfrage zu berücksichtigen.

Einerseits ergibt es keinen Sinn, gegen die neue georgische Regierung zu polemisieren, denn gleichzeitig kann man sagen, dass die frühere Regierung einen Aggressionskrieg geführt hat. Andererseits haben diese sogenannten Regierungen, die in Transnistrien und Abchasien miteinander Botschafter austauschen, schon etwas Operettenhaftes.

Was wir hier brauchen, ist Dialog! Es wäre gut, wenn der Präsident unserer Versammlung sich an Russland richten würde, damit eine Delegation des Europarates endlich Zugang zu Abchasien und Ossetien bekommt und sich die Situation vor Ort anschauen kann. Das halte ich für äußerst wichtig.

Es ist verständlich, wenn ein Volk nicht mehr unter dem Joch eines Mehrheitsgebietes leben möchte, aber es ist nicht akzeptabel, wenn eine kriegerische Armee dieses Gebiet wiederum kontrolliert.

Wir haben im Kosovo gesehen, dass die Rückführung in dieser Form nicht funktioniert: In Serbien wurden von der internationalen Gemeinschaft Häuser errichtet, aber es zieht niemand zurück. Deshalb ist es wichtig, dass Binnenvertriebene dort, wo sie sich derzeit befinden, eine Perspektive, eine Ausbildung und die Möglichkeit zur sozialen Integration erhalten und gleichzeitig der Dialog über den Europarat forciert wird.

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Freie Debatte)

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema, über das ich heute bei der Freien Debatte sprechen möchte, treibt uns in den Mitgliedsstaaten schon lange um, nämlich Europa und seine Zukunft.

Wir wissen, dass das europäische Projekt vor einer Bewährungsprobe steht. Die Schuldenkrise ist zu einer Vertrauenskrise geworden. Ich möchte uns heute alle daran erinnern, dass Europa für mehr steht als für Rettungsschirme und Zinsspreads.

Europa ist mehr als die EU und auch mehr als der Euro, denn wie wir alle wissen, haben wir ein ganz wichtiges gemeinsames Fundament: die Europäische Menschenrechtskonvention, der wir uns alle gemeinsam verpflichtet haben. Es ist wichtig, daran auch immer wieder unsere Bürgerinnen und Bürgern zu erinnern.

Zur Zukunft Europas gibt es viele Fragen: Was ist der beste Weg aus der Schuldenkrise? Was tun wir gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern?

All dies sind sehr wichtige Fragen, über die wir heftig diskutieren und auch streiten. Aber wir sollten uns immer wieder daran erinnern, dass das geeinte Europa eine große Errungenschaft ist - eine Kultur- und Schicksalsgemeinschaft.

Die Grundwerte sind die der Freiheitsrevolutionen von 1789 und 1989: die unveräußerliche Würde jedes Menschen, die Freiheit des Einzelnen, der Schutz von Minderheiten im Rechtsstaat und die Teilhabe aller an der Demokratie.

Für mich ist ganz klar, dass die Antwort auf all die Fragen, die uns umtreiben, nicht weniger, sondern mehr Europa sein muss - mehr Europa wagen, um ein besseres Europa zu erreichen.

Wer denkt, er könne als Nationalstaat mit neuem Protektionismus der Zukunft begegnen, wird meiner Meinung nach scheitern. Schauen wir uns in der globalisierten, multipolaren Welt um: Ich treffe viele engagierte junge Menschen in aller Welt, die mit sehr viel Dynamik ihre Chancen wahrnehmen. Dagegen wirkt der alternde Kontinent Europa manchmal zu behäbig.

Es ist nicht immer schön oder angenehm, wenn man als Mitgliedsland des Europarates kritisiert wird, aber denken wir daran, dass die Kritik uns helfen soll, für die Menschen ein besseres Europa zu erreichen. Das ist unser Auftrag.

Europa hat einen Preis, Europa hat vor allem aber auch einen großen Wert!

Vielen Dank.