AL13CR09      

AS (2013) CR 09
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2013

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(1. Teil)

BERICHT

9. SITZUNG

Freitag, 25. Oktober 2013, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Annette GROTH, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 13086)

 

Vielen Dank Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist schade, dass dieses wichtige Thema der letzte Tagesordnungspunkt ist und dementsprechend natürlich auch nicht mehr so viele Abgeordnete hier sind.

Menschenhandel ist moderne Sklaverei und einer der größten und profitabelsten Industriezweige weltweit. Laut verschiedenen Unterlagen werden mit Menschenhandel 32 Milliarden Dollar generiert. Eine Person von Europol in Griechenland meinte sogar, dass, wenn man bedenkt, dass der weltweite Drogenhandel ungefähr 50 Milliarden Profit generiert, beim Menschenhandel die Größenordnungen ähnlich sein müssten.

Eines ist klar: Menschenhandel geht sehr oft mit Drogen- und Waffenhandel einher und ist eines der größten Probleme von organisierter Kriminalität. Wegen dieser mafiösen Strukturen ist die Aufklärungsrate von Menschenhandel wahrscheinlich auch so gering. Dringt man in das Dickicht organisierter Kriminalität ein, kann dies höchst gefährlich sein.

Die von der ILO in ihrem Bericht veröffentlichten Zahlen sind sehr hoch: Weltweit sind fast 21 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit. Hier geht es hauptsächlich um Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung, nicht jedoch der sexuellen Ausbeutung. Das ist ein anderes Problem, wenn auch natürlich eng mit diesem verknüpft.

Von diesen fast 21 Millionen sind mindestens 44% Opfer von Menschenhandel. Frauen und Mädchen sind mit mindestens 55% überproportional betroffen. Dies schließt an unsere gestrige Debatte an.

Zwangsarbeit findet man in allen Bereichen. Einer der wesentlichen ist die Landwirtschaft, aber auch der Bausektor und der gesamte Tourismus-, Hotel- und Cateringbereich usw. sind betroffen.

Letztes Jahr gab es zu diesem Thema eine öffentliche Anhörung im Bundestag. Frau Ackermann, eine bekannte deutsche Nonne, die vor vielen Jahren eine Organisation zur Bekämpfung des Menschenhandels im Bereich der Prostitution ins Leben gerufen hat, die heute aber auch die Zwangsarbeit behandelt, sagte dazu, dass wir heute nicht die Täter, sondern die Opfer bestrafen.

Die Opfer würden kriminalisiert, da sie illegal im Land sind und nach Entdeckung sofort ausgewiesen werden, während viele Täter dagegen straffrei ausgingen oder nur zu geringen Haftstrafen verurteilt würden. Es darf nicht sein, dass die Opfer bestraft werden, sondern die Täter müssen kriminalisiert werden!

Laut einem Bericht von 2011 des US State Department, das offenbar die besten Zahlen hat, wurden weltweit 41 210 Opfer von Menschenhandel identifiziert, davon fast 11 000 allein in Europa. Es gab immerhin 7200 Strafverfolgungen, aber nur 4200 Verurteilungen wegen Menschenhandels.

Der Bericht hat viele Facetten. Ich möchte auf einige good practices eingehen, die es auch gibt. Was Rumänien, das stark vom Menschenhandel betroffen ist, auf diesem Gebiet leistet, finde ich hervorragend. Vor einiger Zeit hat der Internationale Gewerkschaftsbund ein Buch mit Best Practices veröffentlicht (How to combat forced labour and trafficking).

Eine der großen Gruppen, die weltweit sehr stark vom Menschenhandel betroffen sind, ist die der Roma. Rumänien hat eine nationale Agentur gegen den Menschenhandel eingerichtet, die eine Art Leitfaden veröffentlichte, in dem darauf hingewiesen wird, was man dagegen tun kann. Im Jahr 2011 hat diese Agentur bereits mehr als 1200 Veranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt, um das Bewusstsein über dieses Problem bei der Bevölkerung, den Roma, der Polizei und sämtlichen anderen Behörden des Landes zu erhöhen.

Weitere Vorzeigeländer sind Belgien und Italien. Im Gegensatz zu anderen Ländern, werden hier Opfern von Menschenhandel befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt, damit sie genügend Zeit haben, einen Prozess gegen die Täter anzustrengen. Anders als in Deutschland werden sie nicht nach 6 Wochen ausgewiesen. Die von Zwangsarbeit betroffenen Menschen sind oft schwer traumatisiert sind und sollten unbedingt die Möglichkeit haben, gegen die Täter auszusagen, anstatt wegen illegaler Grenzüberschreitung ausgewiesen zu werden.

Man sollte mehr finanzielle Ressourcen bereitstellen, um Inspektoren und Polizeikräfte in unseren Ländern zu schulen, damit diese im Stande sind, mögliche Opfer und kriminelle Strukturen zu erkennen. Dafür braucht man ein geschultes Auge. Des Weiteren sollten sie die Prozesse der Strafverfolgung einleiten können.

Es ist wichtig, die Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels zu ratifizieren, was noch nicht alle Länder getan haben. Als letzten Punkt bitte ich, die gesamte Migrations- und Immigrationsgesetzgebung dahingehend zu überprüfen, ob nicht Änderungen eingefügt werden müssen, um Opfer von Menschenhandel zu schützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, gegen die Täter zu klagen.

Dankeschön.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13086)

 

Danke sehr, Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herzlichen Dank an die Berichterstatterin für diesen Bericht, in dem sie selbst das Wort Pandemie verwendet. Der Menschenhandel, eine moderne Form der Sklaverei, entwickelt sich tatsächlich wie eine Pandemie, d.h. mit steigender Tendenz.

1888 hat Brasilien als letztes großes Land die Konvention gegen die Sklaverei unterzeichnet. Heute, im Jahre 2013, müssen wir feststellen, dass weltweit bereits 20 Millionen Menschen in Sklaverei ähnlichen Verhältnissen leben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es hinter all diesen furchtbaren Schicksalen ein gut verdienendes Netz von Kriminellen gibt, ist das erschütternd. Die organisierte Kriminalität hat immer und überall ihre Finger im Spiel.

Der Menschenhandel betrifft vorwiegend Frauen, aber auch Männer und sogar Kinder, die vor allem als Bettler benutzt werden. Wie einst bei der historischen Sklaverei, wo Menschen auf Märkten versteigert wurden, werden noch heute Kinder auf Märkten verkauft, nachdem sie z.T. verstümmelt wurden, um beim Betteln höhere Einnahmen zu erzielen.

Frauen werden auf Auktionen versteigert, um in der Sexindustrie zu arbeiten. Solche Versteigerungen gibt es in Sarajevo, Tirana, aber auch z.B. in Wien. Oft wechseln sie den Besitzer, denn die organisierte Kriminalität hat ein Staffelungssystem, um möglichst hohe Erträge zu erzielen.

Neben den Ländern mit best practices, die bereits angesprochen wurden, möchte ich auch Großbritannien nennen. In Deutschland oder Österreich, wo wir gegenwärtig 100 solcher Prozesse haben (Tendenz ebenfalls steigend), werden die Opfer der sexuellen Ausbeutung, denen die Täter natürlich die Ausweise weggenommen haben, nach kurzer Zeit ausgewiesen. Sie können dann nicht mehr im Prozess aussagen, sodass die Täter oft freigesprochen werden. Frauen, die nach Großbritannien verkauft werden, haben dagegen bisweilen mehr Glück: Manchmal informiert einer der Freier die Polizei, die das Opfer befreien kann. Sodann bekommen die Opfer eine neue Identität und dürfen im Land bleiben, um einen Prozess gegen die Täter anstrengen zu können. Was Großbritannien praktiziert, ist der richtige Weg, um die Täter zu bekämpfen und die Opfer zu schützen.

Ein weiteres Problem, das von dem Kollegen aus Frankreich angesprochen wurde: Diener unserer Staaten, Diplomaten, halten Hausangestellte wie Sklaven. Das ist ein unglaublicher Skandal. Ich weiß nicht, ob sich der Europarat speziell einmal dieses Thema angeschaut hat.

Ich möchte mich noch einmal bedanken und hoffe, dass dieser Bericht, der, wie Tiny Kox schon gesagt hat, wohl einige Nachfolgeberichte notwendig macht, eine möglichst hohe Zustimmung bekommt.

Danke.