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AS (2013) CR 13 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2013
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(2. Teil)
BERICHT
13. SITZUNG
Dienstag, 23. April 2013, 15.30 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Fragen an Didier BURKHALTER, Vorsitzender des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten)
Danke sehr, Herr Präsident!
Von einem neutralen Land zu einem anderen neutralen Land gesprochen, zu einem Thema, das aber keine Neutralität erfordert: In ganz Europa und vielen anderen Teilen der Welt wird seit einigen Jahren sehr heftig diskutiert, wie man Steuerparadiese trockenlegt und der Steuerhinterziehung einen Riegel vorschiebt und zu mehr Steuergerechtigkeit kommt. Nach Schätzungen entgehen 400 Milliarden der Steuer. Wird es hier eine europäische Solidarität geben, damit uns das zumindest in Europa gelingt?
Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE
(Fragen an Didier BURKHALTER, Vorsitzender des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten)
Herr Bundesrat!
Das für die Korruptionsbekämpfung zuständige Gremium des Europarates, die GRECO, hat sich jüngst der Schweiz angenommen. Danach wurde unser System der Parteien-, Wahl- und Abstimmungsfinanzierung scharfer Kritik unterzogen. Es kam mir beim Lesen dieser Passagen des GRECO-Berichtes quasi vor, als handle es sich beim kritisierten Staat Schweiz um ein eher korruptes, rückständiges Land, und nicht um ein solches, wie Sie es eben geschildert haben, nämlich um ein Land mit einzigartiger direkter Demokratie. Auch die Schweizer Landesregierung hat sich mit dem Bericht befasst. Was ist Ihre Meinung dazu?
Annette GROTH, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 13158)
Frau Vorsitzende!
Auch ich möchte mich herzlich für diesen Bericht bedanken. Dieser gibt zahlreiche, sehr gute Empfehlungen. Würden diese alle implementiert, wäre dies nach so langer Zeit struktureller Diskriminierung der Roma fast eine Revolution. Ich glaube, dass eine der großen Herausforderungen für die Implementierung dieser sehr guten Vorschläge die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen und der politische Wille sind.
Ich möchte aber hier auch ein paar kritische Anmerkungen machen. In Paragraph 7.1.3 ist eine anregende Umgebung für Roma-Kinder vorgesehen, in der diese gefördert werden sollen. Leider muss ich aber feststellen, dass diese für viele Roma nicht existiert. Ich habe in 2011 einen Slum unter einer großen Brücke in Belgrad besucht, in dem tausende von Roma unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, was gerade für Kinder eine Katastrophe ist. Schon allein die Möglichkeit zu bekommen, eine Schule zu besuchen, ist für diese Kinder ein großer Fortschritt. Solche Zustände herrschen leider in vielen Mitgliedstaaten des Europarates, nicht nur in Serbien.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an eine Äußerung eines prominenten Fidesz-Politikers erinnern, der die Roma vor etlichen Monaten mit Tieren verglichen hat. Ich war und bin noch immer darüber entsetzt und schockiert, habe aber einen Aufschrei durch Europa vermisst. Solche Äußerungen dürfen wir und der Europarat nicht hinnehmen, sondern müssen sie im Gegenteil aufs Schärfste verurteilen.
In jedem Fall wünsche ich diesem Report und vor allem den Empfehlungen, dass sie nach und nach verwirklicht werden, und dass wir so den Roma-Kindern eine echte Chance zur gleichberechtigten Partizipation in unseren Gesellschaften geben können.
Danke.
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 13158)
Danke, Frau Vorsitzende!
„Begrabt mich stehend, denn mein ganzes Leben lang war ich auf Knien“ – das ist eines der Roma-Sprichwörter, die den Hintergrund für eines der größten sozialen, menschlichen und rechtlichen Desaster des Europarats, des EU-Europas und der Nationalstaaten liefern.
Bis heute zeichnen in Mitgliedsstaaten des Europarates Diskriminierung, Verfolgung, Ausgrenzung, Hetzjagden, Zwangsassimilierung und Willkür die Gegenwart der 12 bis 15 Millionen Roma in Europa. Seit Jahrhunderten gibt es dieselben Vorurteile: Sie gelten als faul, dreckig, diebisch und bettelnd.
Viele dieser 12 bis 15 Millionen Roma leben isoliert und in Armut. 55% der Roma in Mitteleuropa sind von einem Abwassersystem abgeschnitten, 61% haben gar keine Toiletten, und die Arbeitslosigkeit beträgt 90-100%. Die Ärmsten unter den Roma sind natürlich die viel zu jung verheirateten Frauen und die Kinder.
Bis in die achtziger Jahre war es überall in Mitteleuropa Usus, Roma-Kinder, wenn sie überhaupt eingeschult wurden, in allgemeine Sonderschulen für geistig Behinderte zu stecken. Nur 5% der Roma-Kinder wird überhaupt eine höhere Schulausbildung ermöglicht – Bildung wird den Kindern also nach wie vor vorenthalten.
In Serbien, Bulgarien, Albanien und Rumänien sind 20 bis 40% der Roma-Kinder gar nicht eingeschult, in Bosnien sogar 80%. Wenn schon die Großeltern nicht zur Schule gehen konnten und Analphabeten waren, die Eltern Analphabeten oder Sekundaranalphabeten, dann entsteht nicht das bildungsfreundliche Klima, das notwendig ist, sondern ein generell bildungsfeindliches Umfeld. Auf diesem Boden entwickeln sich dann die organisierte Kriminalität, der Menschenhandel, die Ausbeutung von Frauen.
In drei Jahren geht die „Dekade der Roma“ (2005-2015) zu Ende. In dieser Dekade ist es passiert, dass in einem Mitgliedsland des Europarates willkürlich Roma-Siedlungen mit Bulldozern niedergewalzt wurden, dass in einem anderen Mitgliedsland politisch organisierte Hetzbanden Jagd auf Roma machten. Es ist eine Schande, was hier passiert, vor allem mit den Kindern! Wir rauben diesen Kindern die Zukunft.
Ich möchte Frau Memecan noch einmal zu diesem Bericht gratulieren und hoffe, er rüttelt uns in den letzten drei Jahren dieser Dekade noch wach.
Danke.
Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE
(Dok. 13158)
Schönen Dank, Frau Vorsitzende!
Herr Schennach hat eben sehr deutlich geschildert, wie dramatisch die Situation der Roma in Europa ist. Das sage ich als Deutsche, die weiß, dass diese jahrhundertelange Verfolgung in der Mordmaschine der Nazis kulminierte.
Was wir uns nun fragen müssen jenseits dieser vielen guten Vorschläge und praktischen Ansätze, die im Alltag ohne weiteres übersetzt werden könnten, wenn denn der politische Wille da wäre, ist, weshalb wir uns hier alle einig sind - niemand wird gegen diesen Bericht stimmen – trotzdem aber so unendlich wenig passiert.
Herr Schennach hat erwähnt, dass die EU eine Dekade ausgerufen hat. Wenn man in die zerfallenden Nachfolge-Staaten Jugoslawiens schaut, sieht man, dass die Situation der Roma sich dort eher verschlechtert hat, dass ihr Abgeschnittensein vom Arbeitsmarkt und damit natürlich auch ihre Diskriminierung eher zugenommen hat, und dass sie z.T. in die Mühlen der einander bekämpfenden Ethnien geraten sind. Eigentlich will sie niemand haben.
Dass die Europäische Union, nachdem sie die Visumspflicht für Mazedonien, Serbien und andere Westbalkanländer aufgehoben hatte, nun, da es auch eine Roma-Wanderung in Westeuropäische Staaten gibt, sich sofort überlegt, ob sie nicht diese Visumsliberalisierung wieder rückgängig machen soll, weil sie mit diesen Roma in ihren Städten und Kommunen nichts anzufangen weiß, zeigt, wie weit wir von den politischen Manifestationen hier und dem realen Handeln in der Politik entfernt sind.
Das ist es, worüber wir diskutieren müssen, jenseits all dieser praktischen Vorschläge, von denen wir wissen, wo die Ansatzpunkte sind. Wir wissen, dass der Schlüssel bei der Bildung liegt, sowie bei den Müttern, die so selbstbewusst gemacht werden müssen, dass sie den Schulbesuch auch für ihre Töchter fordern und in der Familie durchsetzen können. Wir wissen, dass wir Nachmittagsbetreuung brauchen und dass wir die Roma selber einbeziehen müssen als Mediatoren für diesen Weg in moderne Gesellschaften, bei denen wir ihnen trotzdem gestatten, ihre kulturellen Eigenheiten zu behalten.
Das Problem liegt nicht in den Vorschlägen, sondern in dem fehlenden politischen Willen. Vor allem darüber müssen wir in unseren nationalen Parlamenten sprechen; nur so hat dieser Bericht dann auch wirklich Sinn.