AL13CR25

AS (2013) CR 25

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2013

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(3. Teil)

BERICHT

25. SITZUNG

Donnerstag, 27. Juni 2013, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dringlichkeitsdebatte: Demonstrationen und Bedrohung der Versammlungs-, Medien- und Redefreiheit, Dok. 13258)

Danke sehr, Herr Präsident!

Auch mich möchte mich zunächst bei dem Berichterstatter dafür bedanken, dass wir hier eine so grundsätzliche Debatte führen können. Es geht hier um die Versammlungs-, Rede- und Meinungsfreiheit, dazu kommt die Pressefreiheit, die 4. Gewalt in der Gewaltenteilung. Hier werden also Kernelemente der Demokratie berührt.

Wie eine Regierung mit Demonstrationen umgeht, ist meistens ein Test, der zeigt, wie demokratisch sie ist.

Auffallend ist, dass es seit der Krise, dem Arabischen Frühling und der Occupy-Bewegung immer mehr Bürgerproteste gibt, bei denen der Anlass stets relativ geringfügig ist – die einen schützen einen Park, die anderen fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt.

Doch nicht immer geht es bei einer Demonstration um ein spezifisches Anliegen, so wie in der Türkei anfänglich mit dem Gezi-Park. Ihr Ziel kann es auch sein, die Regierung zu Fall zu bringen. In meinem eigenen Land beispielsweise gab es nach dem Regierungswechsel im Jahre 2000 drei Jahre lang jede Woche Demonstrationen, um die Regierung zu stürzen.

Auch in Deutschland brachten die sogenannten Castor-Transporte den Staat und die Ordnungskräfte sicher an den Rand des Möglichen, ebenso wie in Paris bei den Massendemonstrationen gegen die Homo-Ehe.

In jedem Fall haben in einer Demokratie die Ordnungskräfte die Aufgabe, die Ordnung zu sichern, gleichzeitig aber auch die Demonstration zu ermöglichen. In solchen Situationen beweist sich eine Regierung, da beweist sich die Demokratie.

Natürlich sind wir in einer Demokratie darauf bedacht, dass Demonstrationen friedlich verlaufen. Doch wenn bei einer Demonstration, bei der es anfänglich nur um einen Park geht, die Polizei als erste beginnt, unverhältnismäßig Gewalt einzusetzen, dann wird damit eine Spirale in Gang gesetzt. Wenn die Regierung dann versucht, Demonstranten zu kriminalisieren und ihnen mit der Armee droht, dann ist das völlig inakzeptabel.

Der Europarat muss sich ganz klar zu dem Grundsatz bekennen, dass eine Armee nicht gegen innere Angelegenheiten eingesetzt werden darf. Eine Armee hat in inneren Sicherheitsfragen absolut nichts zu suchen.

Eine solche Situation ist eine große Herausforderung für ein demokratisches System, an der sich aber auch zeigt, in welcher Verfassung eine Demokratie tatsächlich ist.

Bei allem Verständnis muss ich sagen, dass der Einsatz der Ordnungskräfte in der Türkei jegliches Augenmaß verloren hat.

Selbstverständlich müssen Untersuchungen eingeleitet werden, wenn es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt, und zwar sowohl bei den Ordnungskräften als auch bei den Demonstranten. Aber diese mehreren hundert Personen, die verhaftet wurden, waren sicher nicht alle gewalttätig.

Daher appelliere ich dringlich an die türkischen Kolleginnen und Kollegen, die Gefängnisse für all die hunderte friedlicher Demonstranten zu öffnen, die verhaftet worden sind. Dadurch schafft man in einer Demokratie eine neue Qualität der Diskussion.

Danke.