AL14CR18      

AS (2014) CR 18
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2014

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(2. Teil)

BERICHT

18. Sitzung

Freitag, 11. April 2014, 10.00 Uhr

 

Andreas GROSS, Schweiz, SOC

(Dok. 13462)

Danke vielmals, Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Auch ich möchte, auch im Namen der Sozialdemokraten, Herrn Chope für diesen Bericht herzlich danken.

Er hat völlig Recht, und deshalb gibt es auch keine Abänderungsanträge. Ich freue mich feststellen zu können, dass in diesem Fall auch die Schweiz dazugelernt hat und es jetzt endlich Flüchtlingen, vor allem aber auch Asylbewerbern, gesetzlich erleichtert wird, arbeiten zu können. Wie wir heute auch gesehen haben, ist Arbeit der erfolgreichste Weg zur Integration.

Doch einen Vorwurf muss ich Ihnen machen, Herr Chope: Gestern haben Sie einige Änderungsanträge zu dem ausgezeichneten Bericht unseres christlich-sozialen Kollegen Deseyn aus Belgien gestellt. Diese betrafen Thesen, die genau erklären, weshalb wir in unseren Ländern eben solche Schwierigkeiten haben, für Ihren heutigen Bericht eine Mehrheit zu finden.

Es wird ja immer das Argument vorgeschoben, das eigene Land dürfe nicht attraktiv für Flüchtlinge bzw. Asylbewerber sein, weil sonst zu viele von ihnen kämen. Der eigentliche Grund, aus dem diese falsche Position zu Hause eine große Mehrheit hat, ist jedoch die Tatsache, dass auch die Einheimischen um ihren Arbeitsplatz fürchten und deshalb nicht wollen, dass den Flüchtlingen erlaubt wird, in größerem Umfang zu arbeiten.

Diese Besorgnis der Menschen, keine Arbeit finden zu können, von der sie gut leben können, haben Sie gestern bestritten und Abänderungsanträge gestellt, die zum Glück abgelehnt wurden. Die schönste deutsche Übersetzung für „decent work for all“ ist: Eine Arbeit, von der alle leben können und in der sie Erfüllung finden.

Wegen dieser Angst finden jene Parteien große Zustimmung, die uns daran hindern, gegenüber den Flüchtlingen und Asylbewerbern jene Maßnahmen zu ergreifen, die Sie mit Recht in ihrem Bericht vorschlagen. Deshalb ist der Bericht von gestern mit Ihrem heutigen Bericht zusammen zu sehen: Nur wenn wir in unseren Ländern allen Einheimischen die Arbeit sichern und ihnen versichern können, dass sie auch in Zukunft, trotz Krise und Globalisierung, eine Arbeit finden werden, von der sie leben können und in der sie Erfüllung finden, finden wir zu Hause im Parlament und in der Bevölkerung eine Mehrheit für Ihre offene, solidarische Flüchtlings- und Asylbewerberpolitik.

Man kann nicht offen und solidarisch anderen gegenüber sein, wenn man der eigenen Bevölkerung diese Offenheit und Solidarität verwehrt. Auf diesen Zusammenhang möchte ich Sie aufmerksam machen und Sie bitten, selbstkritisch zu reflektieren, ob Sie nicht gestern in einer Art gestimmt haben, die uns daran hindert, das, was Sie heute vorschlagen, auch zu Hause zu realisieren und mehrheitsfähig zu machen.

Vielen Dank.

Josip JURATOVIC, Deutschland, SOC

(Dok. 13462)

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich freue mich, heute zum ersten Mal im Plenum dieses Hauses sprechen zu dürfen.

Wenn wir über das Recht von Flüchtlingen auf Arbeit diskutieren, möchte ich auf drei entscheidende Dinge eingehen:

Erstens ist es trotz des international und national verbrieften Grundrechts auf Arbeit in der Realität für Flüchtlinge sehr schwer, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Die Gründe dafür sind im Bericht richtig aufgeführt.

In Deutschland haben wir deswegen praktische Lösungen im Koalitionsvertrag verankert:

- Grundsätzlich wird der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber und Geduldete nach drei Monaten erlaubt.

- Asylbewerbern und Geduldeten werden wir den frühen Spracherwerb ermöglichen.

- Wir werden das Anerkennungsgesetz für Berufsqualifikationen verbessern und notwendige Beratungsstrukturen verstärken.

Zweitens unterscheiden wir heute häufig zwischen Asylbewerbern und Menschen mit gewährtem Flüchtlingsstatus. Dieses Vorgehen hilft uns nicht weiter!

Uns muss klar sein, dass faktisch die meisten Asylbewerber langfristig in unseren Gesellschaften bleiben. Angesichts dieser Tatsache ist es menschlich verwerflich, Flüchtlinge so lange wie möglich von der gesellschaftlichen Teilhabe fernzuhalten.

Auch angesichts der Erlebnisse vieler Flüchtlinge ist nur Arbeit der richtige Weg, Würde und Anerkennung zu finden und vorhandene Traumata zu bewältigen.

Drittens stehen wir, wie heute bereits angesprochen wurde, vor einem politischen Dilemma. Wir alle haben in unseren Ländern viele Arbeitslose und prekär Beschäftigte. Diese Menschen, die unsere Wähler sind, wollen, dass wir ihre Arbeitsplätze vor billiger Konkurrenz schützen. Sie nehmen jeden zusätzlichen Arbeitnehmer als Bedrohung wahr, was in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit in Europa nachvollziehbar ist.

Trotzdem müssen wir das Recht der Flüchtlinge auf Arbeit verteidigen! Mit diesem Dilemma müssen wir umgehen. Entscheidend ist, dass für Flüchtlinge und Einheimische die gleichen Arbeitsbedingungen gelten. Es ist unser arbeitsmarktpolitischer Auftrag, keine Spaltung zuzulassen, sondern Flüchtlinge ins Miteinander einzubinden.

Abschließend möchte ich meine persönliche Erfahrung einbringen: Aus meiner Zeit als Fließbandarbeiter weiß ich, wie meine Arbeit mir geholfen hat, mich in der deutschen Gesellschaft zu integrieren.

Als hier versammelte Demokraten sind wir nicht nur wirtschaftlichen Interessen verpflichtet, sondern in erster Linie den Menschenrechten! Deswegen müssen wir Menschen, die in unseren Ländern leben, die reale Chance geben, in unseren Ländern auch arbeiten zu können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!