AL14CR27      

AS (2014) CR 27
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2014

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(3. Teil)

BERICHT

27. Sitzung

Freitag, 27. Juni 2014, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511)

Danke sehr, Herr Vorsitzender,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe den Titel „Jugendgerichtsbarkeit aus dem Blickwinkel der Kinderfreundlichkeit - von der Rhetorik zur Realität“ gewählt, weil sich unser Gerichtssystem in den letzten Jahrzehnten gewandelt und die Rechte der Kinder und Jugendlichen sich weiter entwickelt haben.

Die UNO hat uns z.B. klar gemacht, dass es eine Strafunmündigkeit gibt. Man war sich bereits vor 200 Jahren bewusst, dass Kinder, die zu Straftätern wurden, anders behandelt werden müssen als Erwachsene und dass man ein für Kinder und Jugendliche angemessenes Strafgesetzbuch braucht. Man entschied bereits damals, dass es für Kinder keine Todesstrafe geben dürfe.

Doch noch immer gibt es in manchen Ländern lebenslange Haftstrafen für Jugendliche bzw. keine Diversifikationsprogramme für sie.

Im Umgang mit jungen Menschen, die etwas angestellt haben, darf es nur immer ein einziges Ziel geben: Kein Jugendlicher darf verloren gehen. Wir müssen alles tun, um jungen Menschen die Chance der sozialen Reintegration zu geben. Deshalb ist eine Haftstrafe nur als das allerletzte Mittel anzusehen. Wenn eine Haftstrafe aufgrund der Schwere der Straftat wirklich verhängt werden muss, dann muss diese Haft dazu genutzt werden, eine Therapie zur psychosozialen Nachreifung zu ermöglichen. Auch in diesen Zeiten der Austeritätspolitik darf an solchen Therapieprogrammen nicht gespart werden!

Auch eine Berufsausbildung muss in der Haft ermöglicht werden, denn das Ziel muss immer die Reintegration der jungen Menschen sein. Der Sühnegedanke muss gegenüber jugendlichen Straftätern anders definiert sein.

Jugendgerichtsbarkeit zeichnet sich natürlich auch dadurch aus, dass sie auf unterschiedliche Aspekte eingeht. Wir dürfen die Straftat eines Jugendlichen nicht allein von der Tat selbst her sehen. Wir brauchen eine spezifische Erhebung auch des sozialen Umfelds – wenn die Umstände der Sozialisierung des Täters in seinem Leben schädlich waren, ist dies als mildernd zu betrachten. Dies ist eine der großen modernen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.

Straffällig gewordene Jugendliche müssen sowohl während der Untersuchung als auch vor Gericht und im Strafvollzug komplett von den erwachsenen Tätern getrennt werden. Es muss also Jugendstrafgerichte und Jugendstrafanstalten geben. Denn wenn ein Jugendlicher, der aus irgendeinem Grund einmal aus der Kurve seines Lebens geflogen ist, in eine normale Strafanstalt zusammen mit Erwachsenen kommt, dann startet damit erst seine „Karriere“ und er findet nicht mehr in die Integration zurück.

Wir sprechen heute darüber, dass viel zu viele junge Menschen inhaftiert sind. Dabei müssen wir uns fragen, ob nicht auch der Migrationshintergrund und die Multikulturalität in Europa einen Einfluss auf die Jugendstrafjustiz haben. Viel zu viele Jugendliche mit Migrationshintergrund geraten in Haft, auch, weil sie sich nicht ausdrücken können und das Jugendstrafsystem nicht verstehen. Auch hier muss der Migrationsaspekt verstärkt in Betracht gezogen werden.

Auch brauchen wir Alternativen zur Haft. Es sind verschiedene moderne Maßnahmen möglich, wie z.B. der außergerichtliche Tatausgleich, der Schuldspruch mit Ermahnung aber ohne Strafe, eine auf Bewährung ausgesetzter Strafe, oder auch der Schuldspruch, gefolgt von der Überführung in ein soziales Programm oder Therapie. Junge Menschen werden auf mannigfaltige Weise und mehr als früher mit der Justiz konfrontiert, weil unsere Gesellschaft vielfältiger geworden ist.

Wir müssen aufpassen, dass wir in den Gesetzen, die sich nur auf Jugendliche beziehen und ihr Leben zwischen 14 und 18 Jahren betreffen, eine gewisse Flexibilität belassen, damit Jugendliche nicht viel zu früh und unsinnigerweise kriminalisiert werden.

Wir müssen auch an das Bildungssystem appellieren, eine Auffälligkeit von Jugendlichen im Schulsystem nicht immer nur als eine Frage der Disziplinierung zu sehen, sondern nach dem Hintergrund zu fragen. Hier brauchen wir Programme, wie sie ja auch z.B. in Finnland wunderbar funktionieren. Hier können wir voneinander lernen. Wir müssen Jugendlichen immer die Hand reichen.

Deshalb ersuche ich Sie, diesem Bericht zuzustimmen. Später werde ich Ihnen erklären, warum ich gegen einige der eingebrachten Amendments bin, die diesen Bericht aufzuweichen versuchen.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Antwort des Berichterstatters)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Ich bedanke mich bei allen, die – über die Grenzen aller politischen Familien hinweg – so positiv zu diesem Bericht Stellung genommen haben.

Dies zeigt, dass dieses Thema einer kinderfreundlichen Jugendgerichtsbarkeit bei allen politischen Familien angekommen ist. Auch die Sichtweise, in diesem Bericht eindeutig auf der Seite der Jugendlichen Stellung zu nehmen, unterscheidet uns vom „legal affairs committee“.

Ich bin ausgebildeter Sozialpädagoge und habe 35 Jahre lang ehrenamtlich mit jugendlichen Straftätern gearbeitet, schwierigen, sozialproblematischen Jungen und Mädchen mit Mitgrationshintergrund – an dieser Stelle Danke für den Beitrag aus Griechenland. Ich habe in diesen Jahren die Realität gesehen. Deswegen positioniere ich mich so klar auf der Seite der jungen Menschen.

Ich möchte meiner Kollegin aus Slowenien sagen, dass wir ihren Vorschlag einstimmig aufgenommen haben, da dies eine Möglichkeit ist, aus einem „best practice“ zu lernen. Ich danke auch Frau Anttila, die sich ganz besonders engagiert hat. Auch ihren Vorschlag haben wir einstimmig aufgenommen und damit den Bericht verbessert.

Luc Recordon möchte ich Folgendes sagen: Laut UNO ist jeder Mensch unter 18 Jahren ein Kind. Diese Definition darf in diesem Bericht nicht aufgeweicht werden. Ich benötige hier keine technischen Hilfsmittel, die UNO-Kinderrechtskonvention spricht eine klare, deutliche Sprache. Der Begriff ist eindeutig definiert und muss nicht näher erklärt werden.

Ich bedanke mich für die Debatte und bitte Sie, diesen Bericht in seiner Zielrichtung zu unterstützen.

Frau Anne BRASSEUR, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates


Vielen Dank an den Berichterstatter.

Amendments zu Dok. 13511:

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 01 und Subamendment)

Dieser Unteränderungsantrag betrifft, glaube ich, nur ein Wort, wo wir gesagt haben (weiter auf Englisch).

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 02)

Frau Präsidentin, ich bin dagegen, denn wir erklären unter Punkt 6.4 ein universelles Prinzip des internationalen Rechts und der UN-Kinderrechtskonvention. Sanktionen haben hier nichts zu suchen. Wenn es zu Verbrechen kommt, werden Sanktionen an anderer Stelle behandelt. Wir sagen, eine Haftstrafe soll auf jeden Fall das letzte Mittel sein, und genau das wird in Punkt 6.4 festgestellt und entspricht dem Geiste des gesamten Berichts.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 03)

Wir haben dieses Amendment im Ausschuss einstimmig abgelehnt, denn ein Mindestalter muss klar sein, und es muss klar sein, dass es unterhalb dieses Mindestalters keine Haftstrafe geben kann. Auch hier geht es nicht um Sanktionen. Würden wir diesen Absatz herausnehmen, würden wir genau zum falschen Zeitpunkt darüber reden.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 04)

Ich denke, alle in diesem Raum kennen die UN-Konvention über die Rechte der Kinder. Sie gibt eine eindeutige Definition dafür: Alle unter 18-Jährigen sind Kinder. Unter 18 Jahren darf es keine lebenslange Haftstrafe geben.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 05)

Auch hier möchte ich mein Kontra begründen: Es schwächt den Gedanken dieses Berichtes ab. Wir appellieren an die Regierungen und Parlamente, in ihren Justizsystemen eine ganze Reihe von Diversifikationsprogrammen zu entwickeln. Das halten wir für richtig. Wir schreiben ja nicht genau vor, was jetzt im Einzelnen gemacht werden muss. Deshalb bin ich dagegen.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 06)

Ich bin dagegen. Würde das angenommen, fällt Amendment 12. Und Punkt 12 sagt: Natürlich erlassen wir Gesetze bzw. spezielle Bestimmungen für Kinder, aber wir müssen aufpassen, dass wir diese Kinder dadurch nicht kriminalisieren und dass wir eine gewisse Flexibilität behalten müssen. Es gibt Gesetze, die bestimmen, was Kinder tun und nicht tun dürfen. Wenn sie diese Gesetze übertreten, müssen wir schauen, dass wir sie nicht kriminalisieren. Das ist das Wichtige.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13511, Amendment 12)

Frau Präsidentin, das war einstimmig, der gesamte Ausschuss fand das super. Das war von der Kollegin aus Finnland.

Aber wenn ich noch 2 Sekunden habe, ich habe das vorhin vergessen… (weiter auf Englisch)