AL15CR09      

AS (2015) CR 09
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2015

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(1. Teil)

BERICHT

09. Sitzung

Freitag, 30. Januar 2015, 10.00 Uhr

Doris FIALA, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 13647)

Geschätzter Präsident,

meine Damen und Herren!

Im Namen der ALDE-Fraktion danke ich dem Berichterstatter sehr herzlich für seinen wichtigen Bericht.

Er ist eine sehr gute Einführung in für uns ungewohnte Herausforderungen.

Es leuchtet ein, dass der Zeugenschutz zur Aufklärung von Verbrechen sehr zentral ist. Wichtig ist der Zeugenschutz vor allem dort, wo wegen fehlender Beweise ein Strafverfahren effektiv von Zeugenaussagen abhängt, die Zeugen aber nicht ohne Schutz aussagen wollen, weil sie an Leib und Leben bedroht sind.

Im Zeugenschutzprogramm werden gemäß Experten denn auch nur Zeugen aufgenommen, die in einem Verfahren tatsächlich substantielle Aussagen machen und deswegen erheblich gefährdet sind – und so, dass das Programm nicht zum Untertauchen missbraucht werden kann.

Ein Zeugenschutzprogramm ist ein großer Einschnitt im Leben einer gefährdeten Person, die unter Umständen vollends aus ihrem Umfeld herausgerissen und an einem unbekannten Ort untergebracht wird und alles verlässt, was ihr lieb, gewohnt und wichtig war.

Die organisierte Kriminalität mit grenzüberschreitenden Reichweiten hat in Europa aufgrund der Globalisierung aber zugenommen. Niemand ist heute eine Insel, und nur in Zusammenarbeit mit anderen Ländern kann – wenn überhaupt – dem organisierten Verbrechen, dem Menschenhandel oder auch dem Kriminaltourismus angemessen begegnet werden.

Ohne die Kooperation aussagewilliger Straftäter und ohne Insiderwissen ist das Zerschlagen krimineller Strukturen unmöglich. Daher sind auch ausgeklügelte Zeugenschutzmaßnahmen sehr wichtig.

Identitätswechsel ist nicht banal für die Betroffenen. Gemäß dem Berichterstatter sind die Differenzen unserer Mitgliederländer in der Erfahrung und der Qualität und guten Umsetzung jedoch immer noch sehr groß. Die Versammlung fordert daher die Mitgliedsstaaten richtigerweise auf, Mechanismen für Zeugenschutz einzurichten, sowie bestehende Mechanismen zu überprüfen und mit anderen Strafverfolgungsbehörden eng zusammenzuarbeiten.

Vermutlich unter anderem auch, um Korruption vorzubeugen, empfiehlt der Bericht, angemessene finanzielle Mittel und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Auch Statistiken über die Ereignisse zu erstellen, und bei Fällen von organisierter Kriminalität und Terrorismus die Zahl der Verurteilungen aufgrund von Aussagen zu überprüfen hat Sinn, und regelmäßiger Informationsaustausch ist von sehr großer Bedeutung.

Zum Schutze der Rechtsstaatlichkeit weist der Bericht korrekterweise darauf hin, dass das Recht auf einen fairen Prozess und das Recht auf Verteidigung respektiert werden müssen.

Im Namen der ALDE bitte ich deshalb die Versammlung, die Empfehlungen an das Ministerkomitee zu unterstützen. Eine wichtige Maßnahme ist es, eine Bilanz im Hinblick auf die Umsetzung der Empfehlungen über den Schutz von Zeugen zu ziehen. Auch muss eine umfassende Studie zur Gestaltung und zum Ablauf von Zeugenschutzprogrammen erarbeitet werden. Die Ergebnisüberprüfung allgemein scheint auch der ALDE von besonderer Bedeutung.

Ich danke Ihnen, wenn auch Sie den Bericht gutheißen.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13647)

Danke sehr, Herr Präsident!

Ich möchte Arcadio Díaz Tejera herzlichst zu diesem Bericht gratulieren, denn dieser greift eine wichtige Entwicklung in unseren Rechtssystemen, in unserer Art der Strafverfolgung, in der Arbeit von Staatsanwaltschaften auf.

Der internationale Terrorismus und die organisierte Kriminalität sind technisch immer ein paar Schritte voraus. Jedes Rechtssystem, das auf rechtsstaatlichen Grundlagen basiert, hinkt daher der Geschwindigkeit der internationalen technologischen Realität der Kriminalität hinterher.

Das Instrument des Zeugenschutzprogramms wurde erst in den letzten Jahren und auf unterschiedliche Weise in unseren Mitgliedsstaaten eingerichtet. Mein Land, Österreich, kennt dieses Instrument erst seit vier Jahren, und es wurde adaptiert.

Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten und es müssen verschiedene Dinge bedacht werden. Einerseits bedeutet die Flucht in das Zeugenschutzprogramm Straflosigkeit. Andererseits entledigt sich ein Mensch, der ins Zeugenschutzprogramm geht, damit nicht der rechtlichen Verantwortung für seine Taten.

Deshalb brauchen wir hier verschiedene Ausformungen. Es kann Haftverschonung geben: Ein Zeuge gelangt in ein Zeugenschutzprogramm, obwohl er eigentlich aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei in Haft gehen müsste. Das bedeutet völlige Straflosigkeit für ihn. Oder aber seine Aussage wird als strafmildernd anerkannt: Die Verantwortung des Zeugen für die eigenen Straftaten wird anerkannt, aber seine Strafe wird abgemildert.

Es gibt hier also unterschiedliche Dinge zu beachten. Zeugenschutzprogramme müssen die Tatsache berücksichtigen, dass die vom Schutzprogramm betroffenen Zeugen oft Mittäter und Helfer waren. Das ist sehr wichtig.

Bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die ein internationales Phänomen ist, müssen die Staaten zusammenarbeiten. Hier trifft zu, was Frau Fiala in ihrer Rede betont hat: Hier geht es um Identitätsänderungen. Es sind also sehr langfristige Programme, die eine große Herausforderung für das Rechtssystem jedes Staates darstellen.

Bei der Korruption hingegen geht es eher um nationalstaatliche Fragen. Im ersten Zeugenschutzprogramm in Österreich war ein Zeuge eines großen staatlichen Konzerns geständig und ermöglichte dadurch erst die Untersuchung der Korruption. Für sein Mitwirken an diesen Vorfällen war er hierbei nach wie vor verantwortlich, erfuhr jedoch eine bedeutende Strafmilderung, in diesem Fall Hafterleichterung.

Im Bereich des Terrorismus ist das Zeugenschutzprogramm die einzige Chance, sehr große Erfolge zu erzielen. Meine sozialdemokratische Fraktion stimmt daher mit Freude diesem Bericht zu.

Großes Kompliment.

Judith OEHRI, Liechtenstein, ALDE / ADLE

(Dok. 13650)

Danke sehr, Herr Präsident!

Im Namen der ALDE-Gruppe danke ich Frau Quintanilla für diesen einfühlsamen Bericht. Sie hat sehr anschaulich dargestellt, mit welchen Hindernissen Menschen mit einer Beeinträchtigung zu kämpfen haben. Diese Hindernisse können in Bauweisen, gesellschaftlichen Barrieren oder sogar Gewalt bestehen.

Es wurde im Bericht sehr schön dargelegt, dass es nicht die Beeinträchtigung schlechthin gibt, sondern Art und Ausprägung sehr unterschiedlich sind. Auch die Art und Weise, wie die einzelnen Länder mit diesen Herausforderungen umgehen, variiert.

Die Ideallösung gibt es wohl nicht. Dennoch muss dieses Thema trotz Spardrucks auf der Agenda der Staaten bleiben. Die von der Berichterstatterin aufgeworfene Befürchtung, dass zuerst bei Programmen für Behinderte und Frauen gespart wird, ist nicht von der Hand zu weisen.

Die Umsetzung der Konventionen lässt, so auch in meinem Land, oft zu wünschen übrig. Aber ich möchte davor warnen, daraus zu schließen, dass zu diesen Ländern nichts oder zu wenig für diese Gruppen getan wird. Oft ist es in kleinen Ländern eine Frage der personellen Ressourcen, nicht des politischen Willens. Für Liechtenstein kann ich z.B. sagen, dass wir ein sehr fortschrittliches Behindertengleichstellungsgesetz haben, obwohl die Konvention – leider – noch nicht ratifiziert wurde.

Ich gebe ein Beispiel für den Zugang zum Arbeitsmarkt. Aus meiner Sicht gibt es hier zwei Gruppen, die wir anschauen müssen: 1. Menschen, die mit einer Beeinträchtigung auf die Welt gekommen sind, und 2. Menschen, die im Laufe ihres Lebens eine Beeinträchtigung erleiden.

Bei der ersten Gruppe ist es essentiell, dass diese jungen Menschen eine Ausbildung absolvieren können. In Liechtenstein haben sie einen Rechtsanspruch, eine Ausbildung zu absolvieren, sei es in der freien Wirtschaft oder einem geschützten Rahmen. Wer keine Ausbildung machen kann, findet dort die Strukturen vor.

Bei der 2. Gruppe hat Liechtenstein zusammen mit der Schweiz ein Meldesystem eingeführt: Die Arbeitgeber sind verpflichtet, eine Meldung an die zuständige Sozialversicherung zu erstatten, wenn ein Arbeitnehmer durch Krankheit oder Unfall mindestens 6 Wochen nicht mehr arbeiten und nicht an den Arbeitsplatz zurückkehren kann. So kann die Sozialversicherung frühzeitig eingreifen und mit Arbeitgeber und –nehmer eine Lösung finden, sodass der Arbeitsplatz erhalten bleibt.

Wenn intern keine Lösung möglich ist, dann extern. In diesem Prozess bietet die Sozialversicherung Unterstützung in Form von Hilfsmitteln wie PC, höhenverstellbaren Tischen oder auch einem angepassten Auto. Sie hat die Möglichkeit, Lohnzuschüsse zu geben, und z.T. werden auch Umschulungen in eine neue Tätigkeit vorgenommen.

Daneben gibt es Institutionen, wo insbesondere für psychisch erkrankte Menschen die Belastbarkeit trainiert wird. Das ist zunehmend wichtig, denn diese Arten von Beeinträchtigung steigen.

Ich halte es für sehr wichtig, dass in den verschiedenen Ländern verschiedene Lösungsmöglichkeiten angeboten werden, denn wie gesagt gibt es sehr unterschiedliche Beeinträchtigungen. Ebenso unterschiedlich müssen - im Rahmen der Möglichkeiten der Länder - auch die Lösungsansätze sein.

Danke.