AL15CR22

AS (2015) CR 22
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(3. Teil)

BERICHT

22. Sitzung

Dienstag, 23. Juni 2015, 15.30 Uhr

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE
(Fragen an den Generalsekretär des Europarats, Herrn Thorbjørn JAGLAND)

Vielen Dank, Herr Generalsekretär!

Sie kümmern sich dankenswerter Weise um zwei Schlüsselereignisse in der Ukraine im Jahr 2014, nämlich die Todesschüsse auf dem Maidan und das Massaker im Gewerkschaftshaus in Odessa am 2. Mai.

Wie ist der aktuelle Stand der Aufklärung des Massakers in Odessa? Rechnen Sie hier mit besseren Fortschritten als bei der Aufklärung der Todesschüsse?

Wie sehen Sie die Situation in Odessa auch mit Blick auf den Konflikt mit Transnistrien - fürchten Sie dort eine Eskalation auch im Hinblick auf den neu ernannten Gouverneur in Odessa?

 

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 13801)

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Genug ist genug! Das höre ich von immer mehr Kolleginnen und Kollegen auf den Fluren der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Aserbaidschan ist ein wunderschönes Land, aber leider mit einer Regierung, die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte nicht achtet. Dies sind aber nun einmal die drei zentralen Werte des Europarates, und der Grund dafür, warum wir hier sind. Deshalb muss diese Versammlung die Probleme in Aserbaidschan klar benennen. Tun wir das nicht, so enttäuschen wir nicht nur die leidenden Menschen vor Ort, die dies von uns erwarten, sondern liefern am Ende sogar ein Alibi für die Regierung des Landes, für welche die Reputation des Europarates sehr wichtig ist.

Auch bin ich der Meinung, dass wir auch bei Wahlbeobachtungen kein Alibi bieten dürfen. Es hat sich mittlerweile wohl herumgesprochen, dass das Büro der OSZE in Baku geschlossen wird, und dass es, zumindest bisher, für ODIHR keine Einladung zur Wahlbeobachtung gibt. Es darf nicht sein, dass wir die Kulisse für eine Wahlbeobachtung bieten, bei der wir am Ende gar nicht richtig beurteilen können, ob diese Wahlen fair und frei durchgeführt worden sind. Deswegen plädiere ich dafür, die Änderungsanträge 10 und 11 anzunehmen.

Der Deutsche Bundestag hat sich vor einigen Tagen mit einem einstimmigen Beschluss, getragen von meiner Partei, den Sozialdemokraten, dem Koalitionspartner CDU und CSU, den Grünen, sowie der Linkspartei, klar zur Lage in Aserbaidschan positioniert. In diesem Beschluss fordert das Parlament u.a. die sofortige Freilassung der politischen Gefangenen.

Ich würde mir wünschen, dass diese Versammlung zu einer ähnlich klaren Sprache findet und empfehle deshalb die Annahme der Änderungsanträge 12 und 14. Das ist kein Selbstzweck, sondern es gibt viele Menschen in Aserbaidschan, die darauf warten.

Die Zeit dazu reicht nicht, die viele Betroffenen zu nennen, doch möchte ich mich wenigstens auf Leyla und Arif Yunus beziehen. Es ist herzzerreißend, von ihrer Tochter zu hören, unter welchen dramatischen Bedingungen die Eltern gefangen gehalten werden und dass sie große Sorge um ihr Leben hat. Neben den politischen gäbe es sehr gewichtige humanitäre Gründe, diese Menschen so schnell wie möglich freizulassen.

Einige Sätze zum Konflikt in Bergkarabach: Ich bin dafür, dass wir diesen Konflikt in unserem Bericht nicht benennen. Das hat jedoch nichts damit zu tun, dass ich ihn herunterspielen will oder irgendeine Form von Annexion anerkennen möchte, aber wir können doch kein Alibi für Menschenrechtsverletzungen liefern, die in Aserbaidschan stattfinden.

Aserbaidschan soll ein geachtetes Mitglied der internationalen Gemeinschaft und des Europarats sein, das ist unser gemeinsames Angebot. Doch der Schlüssel dazu liegt bei der Regierung von Aserbaidschan selbst, dieses klare Signal müssen wir setzen.

 

Ute FINCKH-KRÄMER, Deutschland, SOC
(Dok. 13801)

Herr Präsident, herzlichen Dank für das Wort!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte unterstreichen, was eben schon zur Rolle der OSZE in Aserbaidschan gesagt worden ist.

Viele von uns sind schon Teil von Wahlbeobachtungsmissionen gewesen und wir alle wissen, dass wir ohne die OSZE, insbesondere ohne das Institut für Menschenrechte und Demokratie der OSZE – ODIHR – diese Wahlbeobachtungsmissionen nicht verantwortlich und hilfreich mittragen könnten. Wir sind auf die exzellente organisatorische Vorbereitung durch ODIHR und seine Langzeitbeobachter angewiesen.

Deswegen möchte ich, wie eben schon Frank Schwabe, darum bitten, vor allem die Änderungsanträge, die sich auf die OSZE und die Wahlbeobachtung beziehen, mit zu unterstützen. Die Entwicklungen der letzten Wochen konnten noch nicht in die hervorragende Arbeit der beiden Berichterstatter einfließen, deshalb müssen wir sie über die Änderungsanträge einbringen.

Ich möchte generell noch etwas zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sagen. Alle unsere Länder sind ja auch Mitgliedsländer der OSZE und manche von uns, wie meine Kollegin Doris Barnett, die Vizepräsidentin der OSZE ist, sind auch in beiden parlamentarischen Versammlungen aktiv. Wir sollten daher jedem Versuch widerstehen, die Parlamentarische Versammlung des Europarates gegen die Parlamentarische Versammlung der OSZE auszuspielen, denn das würde bedeuten, dass wir uns gegen unsere eigenen Kollegen, zum Teil sogar gegen uns selber, ausspielen lassen.

Das kann und darf nicht passieren. Auch glaube ich, dass wir auch Aserbaidschan mittel- und langfristig einen Gefallen tun, wenn wir darauf bestehen, dass Europarat und OSZE gemeinsam arbeiten und dieselbe Sprache sprechen.
Dankeschön.

 

Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE
(Dok. 13801)

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir müssen immer wieder darüber nachdenken, wozu der Europarat eigentlich da ist, und dass die Mitgliedsländer ihm auf freiwilliger Basis beitreten. Niemand wird zum Beitritt gezwungen!

Wer dem Europarat beitritt, akzeptiert damit auch eine „Geschäftsgrundlage“, nämlich die Einhaltung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Diese sind natürlich nirgends perfekt umgesetzt, aber mit dem Beitritt wird das Versprechen abgegeben, sich in Richtung Demokratie zu bewegen.

Als ich vor einigen Jahren in Aserbaidschan unterwegs war, konnte ich sehr wohl noch junge Menschen treffen, die sich in NGOs, Umweltschutz- und Menschenrechtsgruppen engagierten. Es herrschte wenig Angst. Leider hat sich dieser Zustand verschlechtert. Heute müssen die Bürger, die sich für Demokratie oder Menschenrechte einsetzt, Angst haben. Es ist nicht nur der Kampf um die Frage, ob es politische Gefangene gibt und wie viele es sind.

Dies muss uns beunruhigen. Das kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass das Land wegen einer territorialen Auseinandersetzung unter Stress steht. Wir können diesen Stress doch nicht als Entschuldigung dafür nehmen, dass Rechtsstaats- und Menschenrechtsprinzipien infrage gestellt werden.

Diese Versammlung hat nur die Kraft, sehr laut und deutlich die Lage beim Namen zu nennen. Vor einigen Jahren wurde der Name Magnitzki hier erwähnt, der in Russland inhaftiert war. Obwohl wir deutlich sagten, dass wir uns um sein Leben sorgten, konnten wir nicht verhindern, dass er im Gefängnis zu Tode kam.

Wenn wir jetzt dramatische Warnungen über die gesundheitliche Verfassung des Ehepaares Yunus erhalten, so kann ich nur hoffen, dass wir nicht wieder ohnmächtig erkennen müssen, dass diese Versammlung nicht einmal in der Lage ist, das Leben von Menschen zu retten, bei denen wir nicht wissen, wie lange ihre prekäre Gesundheit die Gefangenschaft aushalten wird.

Deshalb bitte ich die Kollegen aus Aserbaidschan, die freiwillig hier sind, alles zu tun, damit sie sich selbst und uns ernst nehmen. Denn sonst brauchen wir uns hier nicht mehr zu treffen.

 

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 13801)

Danke sehr, Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe in meiner Funktion des Vorsitzenden des Monitoring-Ausschusses hier schon öfter gesagt, dass es eine der wichtigsten Aufgaben eines Vorsitzenden ist, hinter seinen Berichterstattern zu stehen. Auch in diesem Sinne möchte ich Pedro Agramunt und Tadeusz Iwiński für ihre Arbeit danken. Ich bedaure es sehr, dass sie hier einem übergroßen Druck ausgesetzt sind.

Alle, die als Berichterstatter im Rahmen ihrer Aufgabe für den Europarat tief in eine Gesellschaft eintauchen, geraten natürlich in Spannungen zwischen den unterschiedlichsten Interessen. Ich selbst habe in der Zeit dieser Berichterstattung meine Rolle benützt, um den beiden Rapporteuren immer wieder Informationen aus der Zivilgesellschaft zukommen zu lassen.

Ich denke, wir haben im Monitoring-Ausschuss eine sehr ausführliche Diskussion über einen Bericht, der nur einen Teilbereich eines Landes behandelt. Besonderes Augenmerk möchte ich auf jene 8 einstimmig angenommenen Änderungsanträge richten, die jetzt ja nicht mehr diskutiert werden.

Dies ist ein einstimmiger Appell, den Pluralismus in einer Gesellschaft weiterzuentwickeln, zu einer objektiven Gerichtsbarkeit gegenüber jenen Menschen zu kommen, die sich in Haft befinden. Einstimmig wurde damit auch zur Kenntnis genommen, was unser Menschenrechtskommissar bezüglich der Lage der Menschenrechte sagt. Und einstimmig auch der Appell an die Autoritäten Aserbaidschans, das OSZE-Büro umgehend wieder zu öffnen.

Abschließend möchte ich den Mitarbeiterinnen im Büro sehr herzlich danken, denn auch unser Büro spürt, dass diese Auseinandersetzung die Berichterstatter betrifft.

Meines Erachtens sollten jene Länder, die unter Monitoring oder Postmonitoring stehen, die Berichte der Rapporteure nicht immer nur als Abwehr verstehen, sondern auch als Handreichung für einen gemeinsamen Dialog und Entwicklung. In diesem Sinne geht die Arbeit in Bezug auf Aserbaidschan nach dieser Abstimmung genauso weiter und ist genauso wichtig wie zuvor.

 

Amendments zu Dok. 13801 :

 

Andreas GROSS, Schweiz, SOC
(Dok. 13801, Amendment 13)

Danke, Frau Präsidentin!

Der Respekt der Menschenwürde ist ein Grundwert, das Herzstück der Demokratie und der Menschenrechte. Diese Grundwerte dürfen nicht relativiert werden; sie sind universell gültig. Deshalb möchte ich Sie bitten, auf diesen ersten Abschnitt zu verzichten, der einen dysfunktionalen Kontext herstellt. Wenn das der Ton der Musik ist, ist es ein Misston, und Misstöne gehören nicht in ein gutes Konzert!

 

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC
(Dok. 13801, Amendment 02)

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte noch einmal eindeutig sagen, dass es hier nicht um die Bewertung des Karabach-Konflikts geht, das ist nicht unsere Aufgabe. Sondern es geht um die Frage, ob man das Argument nutzen kann, dass es einen Konflikt in Aserbaidschan und Armenien gibt, der am Ende zu Menschenrechtsverletzungen in Baku führt und diese rechtfertigt. Das ist meines Erachtens nicht der Fall. Im Ausschuss gab es eine klare Mehrheit dafür, diesem Änderungsantrag zuzustimmen und ich bitte, dem hier auch so zuzustimmen.

Vielen Dank.

 

Doris BARNETT, Deutschland, SOC
(Dok. 13801, Amendment 04)
                    
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn wir das zulassen, bedeutet das, wenn eine Organisation unfähig ist, zu kommen. Und wenn die Organisation keine Einladung von dem Land erhält, sich an den Wahlen zu beteiligen, dann haben wir die Situation. Dann kann das jeweilige Land dadurch, dass es Einladungen verschieden verteilt, erreichen, dass dann immer nur der Europarat mit genehmen Personen dazu kommt. Das halte ich für sehr gefährlich. Deswegen würde ich dagegen stimmen.

 

Doris BARNETT, Deutschland, SOC
(Dok. 13801, Amendment 10)

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir erinnern uns daran, was Ban Ki-moon heute Morgen gesagt hat: Die Institutionen sollen zusammenarbeiten, weil jede Institution ihre eigene Stärke hat. Wir sollen nicht damit anfangen, dass Mitgliedsstaaten sich aussuchen können, welche Institution sie jetzt insbesondere für Wahlen heranziehen. Es ist sehr wichtig, dass wir ODIHR immer dabei haben, denn ODIHR macht die Langzeitbeobachtungen. Für die Novemberwahlen in Aserbaidschan hat ODIHR noch keine Einladung. Deswegen die herzliche Bitte: Stimmen Sie dem Einschub zu!