AL15CR31

AS (2015) CR 31
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(4. Teil)

BERICHT

31. Sitzung

Dienstag, 29. September 2015, 15.30 Uhr

Annette GROTH, Deutschland, UEL/GUE

(Debatte zum Zeitgeschehen: Eine umfassende humanitäre und politische Antwort auf die Migrations- und Flüchtlingskrise in Europa)

Herr Präsident!

Ich spreche auf Deutsch und möchte meinem Vorredner kurz Folgendes sagen: Was die Türkei bislang in puncto Flüchtlingspolitik getan hat, ist sehr schön, aber dass die Türkei momentan einen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung führt, ist unmöglich und wird von uns entschieden abgelehnt!

Ähnlich wie bei dem Krieg im Jemen, von wo die nächsten Flüchtlinge kommen werden, ist davon kaum in den Nachrichten die Rede.

Ende letzten Monats war ich auf der Balkanroute an der Grenze zu FYROM (Mazedonien) und danach drei Tage am berühmten Budapester Bahnhof. Mein höchster Respekt und meine Bewunderung gebühren der Bevölkerung in diesen Ländern, die hauptsächlich die Flüchtlinge versorgen. Was ich dort gesehen habe, ist ein komplettes Versagen der staatlichen, aber auch der internationalen und europäischen Institutionen. Wie gesagt waren es die Bevölkerung, die lokalen Autoritäten, die sich kümmerten – alle anderen Institutionen waren nicht präsent.

Wir sagen immer, dass wir die Schleuser bekämpfen wollen. Dann müssen wir aber auch den legalen Zugang zu Europa ermöglichen, denn sonst werden wir die Menschen weiter auf die Boote zwingen und sind mit dafür verantwortlich, dass sie sterben. Allein gestern wurden 1152 Flüchtlinge vor der libyschen Küste gerettet – wie viele sind aber umgekommen, im Mittelmeer oder auf der Balkanroute, in Kroatien ober anderswo, an Erschöpfung, Lungenentzündung oder anderen, eigentlich vermeidbaren Krankheiten?

Wir müssen alles tun, dass die Kriege aufhören! Letztes Jahr hat die Welt 1800 Milliarden Dollar nur für Rüstung ausgegeben. Es müsste also kein Flüchtling im Libanon oder in jordanischen Flüchtlingslagern hungern - das Geld ist da, wir müssen es anders verteilen! Das ist unsere große Forderung, und wir machen uns schulding, wenn wir diese Gelder, die weiterhin in diese unproduktive, tödliche Maschinerie fließen, nicht endlich für die so dringend notwendige humanitäre Hilfe verwenden!

Wir müssen auch unsere lokalen Bevölkerungen mitnehmen, denn wir hatten in allen unseren Ländern ja diesen Privatisierungswahn – der soziale Wohnungsbau wurde kaputt gemacht. Deshalb haben wir in unseren Ländern kaum bezahlbare Wohnungen mehr. Das ist für arme Deutsche ebenso schlimm wie für Flüchtlinge. Beide Gruppen befinden sich nun miteinander im Wettbewerb um billigen Wohnraum, Sozialleistungen und dergleichen.

Wir können viel tun – packen wir es an und nehmen wir diese Botschaft mit in die nationalen Parlamente!

Dankeschön.

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Debatte zum Zeitgeschehen: Eine umfassende humanitäre und politische Antwort auf die Migrations- und Flüchtlingskrise in Europa)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin sehr dankbar, dass wir heute diese wichtige Debatte führen, und möchte alles unterstreichen, was Pedro Agramunt gesagt hat. Selbstverständlich genießen die Menschen hier bei uns in Europa den Schutz der Menschenrechte. Diese müssen Gültigkeit haben, das ist für uns eine Selbstverständlichkeit.

Ich sehe die Gefahr, dass wir uns hier in Europa durch diese Diskussion auseinanderdividieren könnten. Herr Kollege Rouquet hat zu Recht gesagt, dass wir einander zuhören müssen. Dann kann man die Situation verschiedener Länder vielleicht verstehen.

Italien und Griechenland wird vorgeworfen, dass sie Flüchtlinge ohne Registrierung durchwinken und weiterleiten.

Tschechien und der Slowakei wird vorgeworfen, dass sie überhaupt keine Flüchtlinge aufnehmen wollen und brutal vorgehen.

Deutschland wird vorgeworfen, dass es Flüchtlinge einlädt, weil man ihnen dort viel Geld gibt, es eine Willkommenskultur gibt, man Schilder an den Bahnhöfen hochhält und sagt, „schön, dass ihr da seid!“, und weil die Asylverfahren relativ lange dauern.

Großbritannien wird vorgeworfen, dass es wenige Flüchtlinge aufnimmt.

Ungarn wird vorgeworfen, dass es einen Zaun baut und die Schengen-Grenzen sichert.

Mit dieser Liste könnte ich beliebig fortfahren. Es ist m.E. wichtig, dass wir die verschiedenen Positionen der Mitgliedsländer verstehen und versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden.

Selbstverständlich besteht in dieser Krise auch eine Chance: Schauen Sie sich die Bevölkerungsentwicklung in Europa an – wir werden immer weniger und weniger! Da kann es auch eine Chance sein, wenn wir Menschen, die hierher kommen, aufnehmen und in den Arbeitsmarkt integrieren.

Aber selbstverständlich gilt auch, dass Etliche herkommen, die eigentlich kein Bleiberecht haben, die nicht vor politischer oder anderer Verfolgung fliehen, sondern hierherkommen, um ein besseres Leben zu haben.

Wir sollten uns im Klaren sein, dass wir die Armutsprobleme auf der Welt nicht dadurch lösen können, dass wir diese Menschen alle nach Europa bringen. Weltweit gibt es über 50 Millionen Flüchtlinge, wenn nicht noch mehr. Das können wir als Europa nicht leisten!

Deshalb ist es sehr wichtig, was für Signale wir in die Herkunftsländer der Flüchtlinge senden. Es ist doch eigentlich etwas seltsam, dass wir Flüchtlinge in Kerneuropa haben, die aus Mitgliedsländern unserer Versammlung kommen – da kann doch irgendetwas nicht richtig funktionieren! Diese Themen müssen wir besprechen.

Neulich las ich ein Buch über den Goldrausch. Manches erinnert mich heute an jene Zeit damals, als in Europa Not herrschte und die Leute dachten, in den USA könne man zu Reichtum kommen. Einigen, die nach Amerika gingen, gelang das auch. Das meldeten sie natürlich nach Hause, sodass die Nächsten hinterher kamen.

Wir werden es erleben, dass viele der Flüchtlinge, die jetzt und zukünftig zu uns nach Europa kommen, feststellen, dass das, was sie hier erwartet haben, sich nicht erfüllt. Auch das müssen wir klar ansprechen.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dieses Thema diskutieren und klarmachen, dass jene, die wirklich verfolgt werden, hierbleiben können. Dann müssen wir aber auch für jene, die ohne ein Bleiberecht hierher kommen, konsequent sein und sie wieder in ihre Heimatländer abschieben.

Herzlichen Dank.

Bernd FABRITIUS, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Debatte zum Zeitgeschehen: Eine umfassende humanitäre und politische Antwort auf die Migrations- und Flüchtlingskrise in Europa)

Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Die aktuelle Flüchtlingskrise ist eine der größten Herausforderungen der gesamten Staatengemeinschaft, nicht etwa nur der EU oder einiger verantwortungsbewusster Staaten in den letzten Jahrzehnten. Über 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht.

Die Dringlichkeit der aktuellen Situation verbietet aber gesinnungsethische Herangehensweise und erfordert eine pragmatische Realpolitik. Ich vermisse eine echte europäische Solidarität, die sich allerdings nicht in Schuldzuweisungen oft egoistisch agierender Nationalstaaten untereinander erschöpfen darf.

Signale der Menschlichkeit, die gerade auch aus Deutschland gesendet worden sind und natürlich gesendet werden, und die unserem christlichen Menschenbild entsprechen, dürfen nicht medial überzeichnet werden. Erst damit werden sie eindimensional und damit falsche Signale.

Wir benötigen dringend eine Differenzierung in der Debatte und den Lösungsansätzen: Menschen, die sich aus Krisengebieten retten müssen, benötigen unsere Hilfe akut und viel mehr als Menschen, denen es in ihrem sicheren Herkunftsland einfach nicht gefällt und die deswegen versuchen, sich ein besseres Land zu suchen. Diese Menschen sollten lieber in ihren Ländern bleiben und dort selbst zu einer Verbesserung der Lebensumstände beitragen. Migration ist sicher der falsche Weg zum Ausgleich wirtschaftlicher Gefälle, das müssen sich auch die Regierungen der Staaten sagen lassen, denen die eigenen Menschen in Scharen davonlaufen.

Noch einige Worte zu den echten Flüchtlingen: Für diese benötigen wir neben der Willkommenskultur mindestens genauso dringend eine deutliche Integrationskultur, und zwar als Signal und als Forderung einer Integration in unsere Werteordnung, von Anfang an und als unverrückbare Bedingung. Wer etwa meint, Geschlechtergleichheit stehe zur Disposition und auch vorhandene Regeln seien verhandelbar, dem müssen wir von Anfang an auch Grenzen im Umgang miteinander aufzeigen.

Grenzen zwischen Staaten sind Regulierungsinstrumente zur Wahrung staatlicher Souveränität. Verlieren sie ihre Wirkungsfähigkeit, empfinden die Bürger das als Defizit in staatlicher Handlungsfähigkeit, es ist der Beginn von Anarchie. Jeder Staat, der sich selbst und die Verantwortung für seine Bürger ernst nimmt, muss alles tun, um diese Regulierungsinstrumente zu behalten. Die Einführung von Grenzkontrollen in Deutschland war leider überfällig und ist letztlich auch darauf zurückzuführen, dass andere Staaten ihre Grenzen und damit europäische Souveränität zur Disposition gestellt haben. In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich Ungarns Bemühungen zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Schengen-Außengrenzen als klares und berechtigtes Merkmal eigener Souveränität der Schengenstaaten und als Beitrag gegen ungeregelte und unregistrierte Völkerbewegung außerhalb jeglicher staatlicher Ordnung. Das sehe ich deutlich anders als bisher von Rednern angesprochen wurde.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13866, 13867)

Frau Präsidentin!

Auch ich möchte der Berichterstatterin und den beiden Berichterstattern von ganzem Herzen für diese drei fantastischen Berichte gratulieren, denn diese legen den Finger in die Wunde und beschreiben die Tatsachen.

Es gibt kein Dublin mehr. Wer von Dublin träumt, möchte eigentlich nur ein rigides System haben. Es geht jetzt darum, dass wir als ein Kontinent, der noch im letzten Jahrhundert durch Kriege und Armut Millionen von Flüchtlingen produzierte, eine großzügige Form von Humanität und Solidarität zeigen. Man soll nicht vergessen, wie viele Menschen vor, während und nach den Weltkriegen aus Italien, dem ehemaligen Jugoslawien, Griechenland, Großbritannien, Deutschland, Irland, aber auch aus meinem Land geflohen sind und anderswo eine Heimat gefunden haben.

Ich lehne die Diskussion über Wirtschaftsflüchtlinge einerseits und Kriegsflüchtlinge andererseits komplett ab. Die Menschen, die hier auf der Flucht sind, sind in Not, sie haben Strapazen hinter sich gebracht. In Österreich haben wir an der ungarischen Grenze 11 000 Flüchtlinge pro Nacht, von denen viele frische Verletzungen tragen, die sie sich auf einem mühsamen, gefährlichen Weg quer durch mehrere Staaten zugezogen haben.

Vor 20 Jahren waren wir so glücklich, dass wir in Europa den Stacheldraht beseitigt hatten. Den Stacheldraht zwischen Ungarn und Österreich durchschnitten wir eigenhändig mit Zangen. Und nun errichten wir, ein reicher Kontinent, neue Stacheldrähte!

Deutschland zählte am Ende des Zweiten Weltkriegs 14 Millionen Flüchtlinge und 12 Millionen intern Vertriebene, und nun wird dieses Deutschland zu einem Hort des Friedens und der Sicherheit. Das ist m.E. ein schönes Zeichen.

Nach Europa kommen nur 10% der derzeit weltweit auf der Flucht befindlichen Menschen. Dies müssen wir in Europa selbst bewältigen, denn die UNO hat gegenwärtig alle Hände voll zu tun – in Kenia wird das größte Flüchtlingslager der Welt geschlossen, in dem 650 000 Menschen leben. Auch das bekommen wir natürlich in den Flüchtlingsbewegungen zu spüren.

Ich möchte auf diese unglaubliche Zivilgesellschaft hinweisen: Menschen gaben ihren Job auf, um zu helfen. Mittlerweile sind durch Österreich 150 000 Menschen gegangen, die wir menschenwürdig versorgt haben. Dies konnten wir gemeinsam mit Deutschland schaffen. Z.B. in Wien sind viele Flüchtlinge privat untergebracht. Zu hören, dass solche Helfer als soziale Invasionskollaborateure bezeichnet werden, tut weh. Wir sollten vielmehr Respekt vor ihnen haben, denn sie zeigen Solidarität, Menschlichkeit und gemeinsames Vorgehen in der gegenwärtigen Krise.

Tobias ZECH, Deutschland, PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 13866, 13867)

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren!

Vielen Dank, Herr Nicoletti, für den Bericht. Ich glaube, Sie haben in der Kernaussage der Analyse den richtigen Ton getroffen: Das jetzige System von Dublin funktioniert nicht. Das ist meiner Überzeugung nach nicht darauf zurückzuführen, dass die Überlegungen falsch waren, sondern darauf, dass Dublin nicht restriktiv angewandt wird.

Darüber hinaus war Dublin nie dafür ausgerichtet, den momentanen Zustrom von Flüchtlingen nach Europa aufzunehmen. Dublin wurde vereinbart, um den rechtsfreien Raum zwischen den nationalen Gesetzgebungen in Asylfragen zu überwinden und diese etwas zu harmonisieren, allerdings nicht weit genug. Es war ein erster Schritt.

Vor vier Jahren beantragten in Deutschland 20 000 Flüchtlinge Asyl. Dieses Jahr rechnen wir mit 800 000 Flüchtlingen. Dafür sind unsere ganzen Organisationsformen nicht ausgelegt. Deshalb muss Dublin überarbeitet und damit robuster und stabil gemacht werden.

Robust dahingehend, dass wir den Flüchtlingen gegenüber eine humanitäre Verpflichtung haben. Unter ihnen befinden sich unglaublich viele Kinder, unbegleitete Minderjährige. Diesen müssen wir ein Rechtssystem in die Hand geben, damit sie registriert werden, sobald sie europäischen Boden betreten.

Diese Registrierung ist auch eine humanitäre Aufgabe, die wir für unsere Heimatländer erfüllen müssen, denn als nationale und europäische Politiker müssen wir auch die Sicherheit in Europa wahren.

Genau diesen Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit gilt es zu finden. Wir brauchen eine humanitäre Lösung, die den ethischen Ansprüchen in Europa genügt, zugleich aber das Wesen und den Charakter der Solidarität in Europa nicht überbeansprucht.

Während der Eurokrise hatten wir in Deutschland eine Debatte zu Griechenland. Es hieß, das sei nun der Scheideweg für die Europäische Union, der Punkt, an dem Europa zerbreche. Mir war klar, dass Europa nicht am Geld zerbrechen wird.

Doch die gegenwärtige Debatte über die Art, wie wir mit der Solidarität zwischen den Mitgliedsländern und der Solidarität für die Grenzländer umgehen, kann entweder dazu führen, dass Europa, wie wir es kennen, nicht mehr überlebensfähig ist, weil kein Vertrauen mehr herrscht. Sie kann aber auch zur Sternstunde von Europa führen, aber nur dann, wenn wir uns gegenseitig vertrauen und die vernünftigen, richtigen Schritte einleiten.

Konkret brauchen wir Resettlement Center, auch in Nordafrika, damit dieser grausame Weg über das Mittelmeer verhindert wird. Wir brauchen ein einheitliches europäisches Asylrecht, damit wir keine Pull-Faktoren in verschiedenen Ländern haben. Dazu müssen wir aber auch die Sozialstandards anpassen, die wir Flüchtlingen angedeihen lassen.

Vor allem aber brauchen wir eine einheitliche europäische Liste sicherer Herkunftsstaaten. Denn es gibt Flüchtlinge aus vom Krieg bedrohten Ländern, die wir aufnehmen müssen, aber auch Flüchtlinge – beispielsweise aus dem Westbalkan –, die zu Hause zwar nicht den gleichen Standard wie wir in Mitteleuropa haben, aber auch nicht verfolgt werden.

Somit müssen wir Standards dafür schaffen, welche Länder wir für sicher halten und welche nicht. Nur dann wird das Ganze zum Erfolg führen.

Herzlichen Dank!

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 13866, 13867)

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich begrüße die schonungslose Offenheit, mit der unser italienischer Kollege Nicoletti den Zustand des Dublin-Abkommens analysiert hat und zu der Erkenntnis gekommen ist: Das Abkommen hat versagt, das System ist zusammengebrochen, eine Reform ist dringend gefragt.

Als Italiener, also an der südlichen Außengrenze des Dublin-Systems, weiß Kollege Nicoletti natürlich klar, wovon er spricht; und als sein nördlicher Nachbar in der Schweiz möchte ich ergänzen: Nicht nur das Dublin-Abkommen hat weitgehend versagt, sondern auch dessen Zwillingsstück, das Schengen-Abkommen.

Zwillingsstück für uns in der Schweiz deshalb, weil das Schweizer Volk vor genau 10 Jahren in einer denkwürdigen Volksabstimmung der Assoziierung an die Räume von Schengen und Dublin gemeinsam zugstimmt hat, mit 54% Ja allerdings relativ knapp und mit einiger Skepsis.

Deshalb sind wir heute, 10 Jahre später, besonders enttäuscht von der Tatsache, dass beide Abkommen die Erwartungen in keiner Weise erfüllt haben und wir nun vor einem Scherbenhaufen stehen. An Ursachen dafür orte ich insbesondere zwei: eine interne und eine externe.

Die interne ist, was Dublin anbetrifft, eine damals zu große Gutgläubigkeit der internationalen Staatengemeinschaft, was den ordentlichen Ablauf von Asylverfahren anbetrifft. Die externe Ursache ist das Volumen der Migrantenströme, das in dieser Größenordnung schlicht und einfach nicht vorauszusehen war.

Diese neue Form von „Völkerwanderung“ lässt aber auch noch andere Elemente innerhalb der Weltstaatengemeinschaft als gescheitert erscheinen, so etwa viele unserer Friedensbemühungen und Friedenseinsätze im Rahmen der UNO oder der OSZE.

Aber auch die kostspielige Entwicklungshilfe, wie sie seit vielen Jahrzehnten betrieben wird, hat leider bis heute in vielen Ländern der Dritten Welt alles andere als Nachhaltigkeit hinterlassen und Fortschritte gebracht. Das muss uns im Europarat wie auch in unseren Heimatstaaten bei unseren Steuerzahlern doch zu denken geben.

Deshalb hoffe ich sehr, dass unsere Debatte von heute dazu beitragen wird, dass wir einerseits zweckmäßig zur Schaffung eines echten, neuen Asylsystems beitragen können, und dass wir andererseits auch in Sachen Friedenspolitik und Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich über die Bücher gehen.

Unsere Bürgerinnen und Bürger zu Hause erwarten an diesen beiden außen- und weltpolitischen Fronten nicht bloß Worte, sondern endlich auch Taten! Und damit habe ich, sehr geehrte Frau Präsidentin, Ihre eigenen Worte von heute Nachmittag wiederholt.

Dankeschön.