AL15CR35

AS (2015) CR 35
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

________________

(4. Teil)

BERICHT

35. Sitzung

Donnerstag, 1. Oktober 2015, 15.30 Uhr

 

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13868, Teil 1, Berichterstatter)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der heutige Fortschrittsbericht ist eine Premiere, denn wir haben die Arbeitsweise des Monitoring-Ausschusses in den letzten eineinhalb Jahren verändert. Es war immer mein Ziel als Vorsitzender, diese „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ zu vermeiden – hier die neuen Mitglieder, alle unter Monitoring oder Postmonitoring stehend, und dort jene langjährigen Mitglieder, die schon ihre 40- oder 50-Jahr-Feiern haben. Wir wollten, dass künftig jedes Land unter Monitoring kommen kann.

So widmet sich dieser Bericht auch jenen Staaten, die unter dem strikten Monitoring oder Postmonitoring stehen. Daneben gibt es aber auch vier Staaten, die zum ersten Mal dem Monitoring unterzogen wurden, nämlich Andorra, Belgien, Kroatien und Zypern. Ich glaube, dass dies gelungen ist und dass damit für diese Versammlung auch ein Stück mehr Gerechtigkeit erreicht wurde.

Lassen Sie mich zwei Dinge vorausschicken: Zunächst möchte ich mich bei allen Berichterstattern des Monitoring-Ausschusses für ihre hervorragende Arbeit bedanken. Es ist eine wirklich große Aufgabe, mehrmals im Jahr ein Land zu besuchen und tief in eine Gesellschaft und ihre Probleme einzutauchen. Nicht immer wird verstanden, dass die Berichterstatter neutrale Beobachter und nicht an innenpolitischen Diskussionen beteiligt sind. Ich war in diesen Jahren als Vorsitzender stolz, immer hinter den Rapporteuren zu stehen, denn das gehört sich in dieser Funktion so. Es war eine großartige Zusammenarbeit und ich bin stolz auf Ihre Leistung.

Zum Zweiten: Nicht jeder Vorsitzende des Monitoring-Komitees kann sagen, dass bei einem Land das Monitoring beendet wurde, weil alle Empfehlungen erfüllt worden waren. Das war bei Monaco der Fall. Zudem haben wir das strikte Monitoring eines Landes beendet und es ins Post-Monitoring übergeführt, nämlich Montenegro.

Das Monitoring-Komitee war mit den Expertisen unserer Berichterstatter und den Mitgliedern des Ausschusses selbst natürlich auch ein essentieller Bestandteil der Wahlbeobachtungen. Sie kennen die Situation hinsichtlich der Credentials der russischen Delegation. Wir konnten daher das Monitoring des Mitgliedsstaats Russische Föderation nicht durchführen.

In dieser Zeit hatten wir auch zwei ad hoc-Komitees zur russischen Nachbarschaftspolitik, wo es uns gelang, die Russische Föderation an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Außerdem haben wir jetzt das ganz neue ad hoc-Komitee „Konflikte zwischen Mitgliedsstaaten“, um Lösungen für die bestehenden „frozen conflicts“ zu finden und vor allem neue „frozen conflicts“ zu verhindern.

Der ganze Fortschrittsbericht ist auch von großen Sorgen gekennzeichnet: über mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwälte, mangelndes Vertrauen in die Justiz, politische Verhaftungen, die Rolle der Minderheiten, die nicht hergestellte Medienunabhängigkeit, systematische Menschenrechtsverletzungen, Korruption, die Verletzung von Rechten von LGBT, sowie über innerpolitische Verhärtungen.

Wir appellieren in diesem Fortschrittsbericht an alle Staaten, die hier unter Monitoring stehen, im Justizsystem und einem gerechten Wahlsystem Fortschritte zu zeigen bei der Implementierung und Durchsetzung der Menschenrechte, der Bekämpfung von Korruption, der Behandlung von Gefangenen und den Rechten der Minderheiten. Wir haben auch große Sorgen in einigen Bereichen, was Flüchtlinge oder Asylsuchende betrifft, die in Gefängnissen gelandet sind.

Ich möchte jetzt speziell zu jenen Ländern kommen, die wir unter Monitoring genommen haben, wie Andorra. Wir begrüßten, dass es hier zu einer größeren Transparenz im Bereich von Wirtschaft und Steuerwesen kommt, und dass nun auch Nicht-Andorraner stärker integriert werden. Auch die Zusammenarbeit war gut. Doch haben wir wegen der de facto nicht vorhandenen Unabhängigkeit der Medien auch Sorge geäußert. Wir haben empfohlen, dringend die Empfehlungen zu Korruption und Geldwäscher zu ratifizieren.

Zu Belgien: Wir begrüßen die Bemühungen Belgiens, ein effizienter föderaler Staat zu werden. Dabei sehen wir große Fortschritte. Doch haben wir auch große Sorgen wegen der überfüllten Gefängnisse und der Inhaftierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Bei Belgien empfehlen wir die Ratifizierung der Übereinkommen gegen häusliche Gewalt und Computerkriminalität hinsichtlich rassistischer und fremdenfeindlicher Handlungen.

Zu Kroatien: Wir begrüßen die Reformschritte im Bereich der Effizienz der demokratischen Institutionen und auch die Ansätze zum Kampf gegen die Korruption, wobei wir hier dazu auffordern, noch mehr zu tun. Wir fordern Kroatien auf, die Justiz zu stärken und empfehlen dringend, die Übereinkommen über die Regional- und Minderheitensprachen und zur Verbesserung der Situation der serbischen und der Roma-Bevölkerung zu ratifizieren.

Im Falle von Zypern begrüßen wir ausdrücklich die neuen Friedensgespräche, ein ausgesprochen positives Signal! Aber auch die Schritte hinsichtlich der GRECO-Empfehlungen gegen Korruption sind positiv. Doch auch hier sind wir besorgt über die Inhaftierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden und den Bau neuer Gefängnisse. Im Falle von Zypern empfehlen wir die Ratifizierung der Charta zur Bekämpfung des Menschenhandels und des Übereinkommens zur Verhütung häuslicher Gewalt.

Sie sehen: Auch bei alten Mitgliedern gibt es z.T. Kritikpunkte, ebenso wie bei Ländern, die unter Post-Monitoring stehen, wie die Türkei. Die Situation in diesem Land besorgt uns sehr. Dieser Progress Report gibt allen Mitgliedern, alten wie neuen, Handlungsempfehlungen.

Insgesamt aber können wir als Versammlung des Europarates sagen: Dieses System des Monitorings, dieses gemeinsam Arbeiten für Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratie, zeigt Fortschritte, die bei jedem einzelnen Land zu sehen sind.

Ich hoffe sehr, dass Sie dem heute vorliegenden Bericht ein starkes Zeichen der Zustimmung geben.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussion.

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 13868, Teil 1)

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren!

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei und der Christlichen Demokraten unterstützt diesen Bericht und bekennt sich klar und eindeutig zu der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Wir sind froh, gemeinsam in dieser Wertegemeinschaft arbeiten zu können, die als wichtige Stichpunkte die Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und freie Meinungsäußerung in den Mittelpunkt stellt. Es ist gut, dass wir diesen Monitoring-Ausschuss haben, der die Aufgabe hat, darüber zu wachen, dass den Menschen in unseren 47 Mitgliedsländern diese Grundfreiheiten gewährt werden.

Wie bereits eingangs erwähnt, unterstützen wir diesen Bericht. Im Namen meiner Fraktion darf ich sagen, dass wir froh sind, dass wir seit fast zwei Jahren einen Ausschussvorsitzenden haben, der weiß, welche Bedeutung dieser Ausschuss und unsere Arbeit hat und mit viel Fingerspitzengefühl immer wieder dafür gesorgt hat, dass Streitigkeiten ausgeglichen werden konnten.

Lieber Stefan: Das war wirklich eine fantastische Arbeit, die du getan hast!

Ein entscheidender Punkt dieses Fortschrittsberichts ist meines Erachtens die Feststellung, dass eben jedes Land unserer 47 Mitgliedsländer in einen Monitoringprozess kommen kann.

Wie Kollege Andreas Gross gesagt hat, ist keine Demokratie perfekt. Vielleicht streben wir auch gar nicht an, dass jede Demokratie perfekt wird, aber verbessern kann sie sich. Es ist unsere Aufgabe, bei diesem Prozess Hilfe zu leisten und die Richtung aufzuzeigen.

Ich verstehe meine Arbeit im Monitoring-Ausschuss als Berichterstatter für eines dieser Länder auch nicht so, dass wir sagen, „alles ist schlecht“, denn damit schlagen wir dem betreffenden Land die Tür vor der Nase zu. Vielmehr müssen wir Hinweise geben, wo wir Verbesserungsmöglichkeiten sehen, damit das jeweilige Land die Möglichkeit sieht, zu sagen: Diese Hinweise sind gut. Wir nehmen sie ernst und wollen diesen Weg gemeinsam mit dem Europarat gehen.

Seien wir einmal ehrlich: Was bringt es uns, wenn wir in Resolution für Resolution hier im Europarat auf ein Land schimpfen und die politischen Gefangenen und sonstige Verfehlungen aufzählen? Sind wir nicht viel erfolgreicher, wenn wir manchmal Probleme nicht öffentlich ansprechen, sie dann aber lösen können? Ist politischen Gefangenen nicht vielleicht besser geholfen, wenn sie plötzlich freikommen, weil mit Fingerspitzengefühl vorgegangen wurde?

Ich habe größten Respekt vor meinem Kollegen John Prescott, mit dem ich dieses Monitoring gemeinsam beginnen konnte. Von ihm habe ich gelernt, dass man solche Gespräche manchmal auch hinter verschlossener Türe führt, ohne die Presse über die Gesprächsthemen zu informieren, und intern handelt, um Möglichkeiten auszuloten und Lösungen zu finden.

Ich kann nur jedem Einzelnen von uns raten, nicht als Erstes die Presse zu suchen, sondern darüber nachzudenken, welches Ziel erreicht werden soll.

Kollege Gross hatte auch von Russland gesprochen, das uns sicherlich im Januar hier beschäftigen wird. Auch hier steht außer Frage, dass wir natürlich den Gesprächsfaden mit Russland fortführen bzw. wieder aufnehmen wollen. Es kann aber auch nicht sein, dass wir der russischen Delegation hinterherlaufen. Wir brauchen also erste Signale von russischer Seite und können dann in aller Ruhe diese Gespräche führen.

Im Namen unserer Fraktion werbe ich für diesen Bericht. Stimmen Sie ihm zu, lassen Sie ihn uns diskutieren und lassen Sie uns nie vergessen, was unsere Aufgabe im Monitoring-Ausschuss ist: den Ländern, über die wir berichten, Hilfestellung zu bieten.

Abschließend noch ein herzlicher Dank an Stefan Schennach für die großartige Arbeit.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13868, Teil 1, Antwort des Berichterstatters)

Dankeschön, Herr Vorsitzender!

Ich möchte mich bei allen Rednerinnen und Rednern herzlich bedanken. Selten hat man für eine Arbeit so viel Lob bekommen. Vielen, vielen Dank!

Robert Walter und Andreas Gross haben in ihren Beiträgen an Mazedonien erinnert. Es war vielleicht eine der wichtigsten gemeinsamen Leistungen der letzten Jahre, die Menschen, die politischen Parteien in Mazedonien aus einer Situation der absoluten Sackgasse heraus und wieder zusammenzubringen.

Das kann Monitoring leisten, wenn man in seinen Bemühungen nicht nachlässt und sich vor allem nicht parteipolitisch positioniert, sondern dem betreffenden Land klar sagt: Das ist zu tun, das sind die Spielregeln des Parlaments!

Wie bereits gesagt, ist es dabei ganz wichtig, sich nicht in innenpolitische Debatten oder Spiele verwickeln zu lassen. Hier muss der Europarat neutral bleiben!

Einen Vorschlag von Jordi Xuclà, bei dem ich mich auch herzlich bedanke, nehme ich gerne auf und werde versuchen, in den letzten Monaten meines Vorsitzes noch eine Lösung zu finden. Es ist tatsächlich zu viel, wenn ein Vorsitzender 4 Länder im Detail anschauen muss. Vielleicht finden wir ein System, um diese Last besser zu verteilen.

Auch für das Büro war der Sommer dieses Jahr kurz; es hatte aufgrund dieser vielen Berichte nur sehr wenig Urlaub. Dafür möchte ich ihm meinen tiefen Dank aussprechen. Ich hatte noch nie erlebt, dass Urlaube zusammengestrichen werden, um die Arbeit beenden zu können!

Um Frano Matušić zu antworten: Ich bin im Herzen immer auf dem Balkan und weiß, was es heißt, eine Geschichte voll Krieg und Leid aufzuarbeiten. Wir wissen alle, was für ein schreckliches Kriegsverbrechen in Vukovar begangen wurde. Trotzdem muss es möglich sein, eine bereits erreichte Toleranz beizubehalten.

Ausdrücklich möchte ich mich bei jenen Ländern bedanken, die jetzt in das periodische Monitoring gefallen sind. Liebes Andorra, Belgien, Zypern und Kroatien: Es war fantastisch, wie Ihr bei diesem gemeinsamen Prozess mitgearbeitet und Missstände zugegeben habt. Genau das sollten wir unter Monitoring verstehen!

Und nun zu meinem Freund Reha Denemeç: Es tut mir leid, § 96 des Berichts ist völlig richtig, das sagt auch die Venice-Commission in ihrer Deklaration von Juni 2015!

Wenn mir noch etwas Zeit gegeben wird, möchte ich noch etwas erklären, was hier in manchen Debatten missverstanden wurde: Monitoring bedeutet, dass ein Land hinsichtlich der Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Demokratie angeschaut wird. Doch wenn wir ein Land nur unter dem Aspekt eines „frozen conflict“ betrachten, kommen wir in eine Art Jahrzehnte dauernde Endlosschleife.

Aus diesem Grund haben wir ein ad hoc-Komitee, um die „frozen conflicts“ immer wieder extra zu behandeln. Deshalb danke ich auch meinem Kollegen aus Zypern, der das in seiner vorletzten Wortmeldung so schön auseinandergehalten hat. Sehen wir also bitte nicht immer ein Land nur aus diesem einen Blickwinkel an, sonst kommen wir in der gemeinsamen Entwicklung unserer Werte hier nicht weiter.

Noch ein Wort an die Vertreter der Kurden: Natürlich ist die Situation nicht statisch und was hier steht, hängt davon ab, wann unsere Rapporteurin in der Türkei war. Ich habe extra auch am Anfang gesagt, dass wir über die Entwicklung seit April 2015, nach der Aufkündigung des Friedensprozesses, tief besorgt sind.

Ich bedanke mich nochmals bei allen, die sich an dieser Debatte beteiligt haben.