AL17CR09      

AS (2017) CR 09
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2017

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(1. Teil)

BERICHT

09. Sitzung

Freitag, 27. Januar 2017, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich SOC

(Dok. 14225 & 14219)

Danke sehr, Herr Präsident!

Ich darf namens meiner Fraktion beiden Berichterstattern für ihre vom Hintergrund her etwas unterschiedlichen Berichte danken.

Ich möchte gleich auf die kritischen Dinge eingehen. Wir sprechen von einer neuen Generation von Freihandelsabkommen, aber in erster Linie sind es politische Abkommen bei denen der Handel weniger ausmacht. Hinsichtlich CETA hat Österreich im Rahmen des Subsidiaritäts-Prüfungsverfahrens schon vor 5 Jahren die gelbe Karte gezogen, denn die so genannte Daseinsvorsorge und kommunalen Dienstleistungen – Dinge die nicht dem Liberalisierungs- und Privatisierungsdruck ausgesetzt werden sollten – werden in diesen beiden Freihandelsabkommen stark berührt. Aufgrund dieser Kritik wurde das Krankenhauswesen aus dem Abkommen herausgenommen, dieses gilt aber weiterhin für alle anderen Dienstleistungen.

Es ist ein gemischtes Abkommen, dass aber vorläufig von der EU angewandt wird. Dies bedeutet, dass es für die nationalen Parlamente nur eine Farce ist, denn da es von der EU bereits in Kraft gesetzt wurde, können sie nur zustimmen.

Ich möchte nun auf die Schiedsgerichte eingehen. Diese stellen mittlerweile eine große Anlagemöglichkeit dar. In den USA werden Milliarden Geldanlagen auf Schiedsgerichtsverfahren angelegt.

Hier gewinnen immer die Anleger, wie im Vattenfall, bei dem die finanzierenden Anleger hunderte Millionen unabhängig vom Verfahrensausgang erhielten. Eigene Kanzleien und Agenturen haben sich darauf spezialisiert, denn nationale Regierungen, die an Schiedsgerichtsverfahren teilhaben sind im Endeffekt ausgleichswillig und die Anleger, die hier zocken verdienen daran. Deshalb sprechen wir uns gegen die Schiedsgerichtseinrichtungen zwischen Staaten und Wirtschaftsgemeinschaften aus, in denen geordnete Rechtssysteme existieren, wie dies in den USA, der Europäischen Union und Kanada der Fall ist.

Warum brauchen wir hier Schiedsgerichte? Diese benötigt man nur in Fällen von mangelnder Rechtssicherheit.

Ich möchte nun auf die Beschäftigung eingehen: Kanada hat zu Europa eine negative Handelsbilanz, von der errechnet wurde, dass diese in den ersten 10 Jahren zulasten der europäischen Staaten ausgehen wird. Daher sind wir so kritisch. Derzeit findet in Österreich gerade ein Volksbegehren statt, damit das Parlament nicht dieses Abkommen unterzeichnet.

Rainer GOPP, Liechtenstein, ADLE/ALDE

(Dok. 14225 & 14219)

Herr Vorsitzender!

Werte Kollegen!

Ich danke den Berichterstattern für die vorliegenden Berichte.

Die weltweite Tendenz in dem hier untersuchten Thema bereitet mir persönlich große Sorgen.

Bei diesen Abkommen der neuen Generation nehmen wir meines Erachtens schleichend eine Tendenz zur Kenntnis, die die einen bevorteilt und die anderen, vor allem die Kleineren, vermehrt zu Ausgelieferten macht.

Gerade für exportorientierte kleinere Länder wie Liechtenstein, die kaum über einen Binnenmarkt verfügen, sind Handelsabkommen sehr wichtig. Liechtenstein geht seit Jahren einen Weg der bilateralen Freihandelsabkommen und es geht diesen Weg sehr oft mit der Schweiz gemeinsam.

An seine Grenzen stößt ein kleines Land wie meines aber sehr oft dann, wenn es mit einem Land Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abschließen möchte. Öfter war für die größeren Partner ein so genanntes Tax Information Exchange Agreement ausreichend und es war daher im Einzelfall sehr schwierig, ein DBA zu bekommen.

Ein weiterer Punkt, der mir große Sorgen bereitet, ist der Regulierungswahn, den wir uns alle auferlegen oder vielmehr sehr oft von den USA auferlegen lassen. Gerade für kleine Länder ist dies länger denn je nicht mehr zu stemmen. Es müssen administrative Apparate aufgebaut werden, die sehr teuer und unverhältnismäßig sind. Wenn kleine Unternehmen bereits einen Formularkrieg durchlaufen müssen, nur um ihre Geschäfte erledigen zu können, hat dies nichts mehr mit freiem Markt zu tun.

Man stellt leider immer öfter fest, dass genau dies den Protektionismus einzelner größerer Partner, insbesondere der USA darstellt.

Wenn es in den Handelsabkommen wie CETA oder TTIP tatsächlich um freien gleichberechtigten Handel ginge, wäre dies zu begrüßen, denn davon würden alle profitieren. Geht es aber darum, dass größere ihren Stempel aufdrücken, damit sie den Handel zu ihren Gunsten im Griff haben, ist dies eine Tendenz, die mir Angst macht.

Wenn ich dann lese, dass mit ICS auch den größeren multilateralen Unternehmen praktisch Eingriffe in die Legislative möglich sind, dann ist das für mich ein untragbarer Eingriff in die Rechtsstaatlichkeit der einzelnen Länder. Es kann und darf nicht möglich sein, dass Großkonzerne erlassene Gesetze in einzelnen Ländern einfach vor Gericht anfechten können.

Ich glaube auch länger denn je, dass sich Europa in diesen Themen verkauft. Bei all den Vorteilen, die aufgezeigt werden und die man ja auch anerkennt, ist dieses Untergraben der Rechtsstaatlichkeit für mich ein No-Go, bei dem meines Erachtens die Verhandlungen unterbrochen wurde gestoppt werden müssten.

Die Abkommen müssen davon befreit werden, Investoren beziehungsweise Großkonzernen die Möglichkeit zu geben, ökologische, demokratische und menschenrechtsrelevante Gesetze anzufechten.

Ich bin auch der Meinung, dass ausländischen Investoren hervorragende Rahmenbedingungen geboten werden müssen und diese dadurch einen entsprechenden Schutz erfahren. Hier sind aber meines Erachtens die einzelnen Staaten gefordert, entsprechend attraktive Bedingungen zu schaffen.

Die ISDS-Mechanismen in Abkommen neuester Generation sind in diesen Ländern nicht nötig.

Es darf aber nicht sei, dass jene Staaten durch Restriktionen geschützt werden, die nicht fähig sind, entsprechende Bedingungen zu schaffen. Es müssen meines Erachtens Handelsabkommen sein, die nach ethischen Grundsätzen vorliegen und alle Partner gleich behandeln. Das heißt für mich auch, dass sie keine Restriktionen und Regulierungen enthalten, die für kleinere Partner nicht machbar sind.

Tobias ZECH, Deutschland EPP/CD

(Dok. 14149, Berichterstatter)

Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Dies ist die letzte Debatte dieser Woche, bei der es um die bessere Integration und Inklusion der Sinti und Roma in den Mitgliedsstaaten des Europarats geht. Es geht um 11 Millionen Menschen, die in fast allen Mitgliedsstaaten des Europarates verteilt leben und in der Regel in jedem Land zu den Ärmsten der Armen gehören, wenig Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt, schlechte Lebensbedingungen, eine hohe Arbeitslosigkeit und eine schlechte Schulbildung haben.

Es gibt aber nicht nur Schattenseiten sondern auch positive Ergebnisse bei der Roma-Inklusion in verschiedenen Ländern, die ich besucht habe, nämlich Leuchttürme – gute Beispiele – wie Rechtsanwälte, Polizeioffiziere und erfolgreiche Geschäftsleute, die sich und die Gemeinschaft der Sinti und Roma sehr gut vertreten.

So ein Bericht ist keine Blaupause, die dazu dient in jedem Land die Integration gleich voranzutreiben, denn durch die unterschiedlichen Situationen in den Ländern müssen sie ihren eigenen Zugänge finden, um die Inklusion und Integration von Sinti und Roma zu verbessern. Es handelt sich um kein isoliertes Problem bestimmter Länder oder Regionen in Europa sondern eine gesamteuropäische Herausforderung, die wir gemeinsam angehen müssen.

Im Bericht habe ich ein paar meines Erachtens wichtige Punkte zusammengefasst. Ich denke da an den Bildungszugang, denn ohne gute Schulbildung kommt man nicht auf den Arbeitsmarkt und hat nicht ausreichende Ressourcen, um für sein eigenes Leben und sich selbst zu sorgen. So ist man dann in der Armutsspirale gefangen.

Es existieren gute Fördermöglichkeiten und -programme der Europäischen Union, der Nationalstaaten sowie der NGOs die Schulbildung bzw. Vorschulbildung zu verbessern. Dabei muss auch auf eine höhere Anwesenheitsrate der Roma-Kinder in der Schule geachtet werden. Diesbezüglich müssen die Eltern überzeugt werden, dass Schulbildung wichtig ist, dass sie die Schule als Partner ansehen und ihre Kinder hinschicken und diese nicht zuhause bleiben und am Lebensunterhalt mitverdienen müssen. Daher ist es wichtig die Kinder mit einer guten Schulbildung zu fördern aber auch von den Eltern fordert, die Kinder in die Schule zu schicken.

Zweiter Punkt ist die Zahl: Mit 11 Millionen geht es um eine der größten Minderheiten in ganz Europa. Überall erleben wir Anti-Tsiganismus und Hassparolen, was ja nichts Neues ist. Die Diskussion über Sinti und Roma stammt nicht aus dem letzten Jahrzehnt sondern ist in Europa eine seit fast 300 Jahren existierende Herausforderung und die uns auch noch länger beschäftigen wird.

Für uns als Mitglieder des Europarats und im Ausschuss ist es wichtig, dass wir entschieden gegen Hassparolen, Anti-Tsiganismus und Diskriminierung vorgehen und uns auch klar ist, wie wir immer untermauert haben, dass wir keine Toleranz fordern.

Toleranz ist der falsche Weg, denn es bedeutet Nichtbeachtung und ein Nebeneinander. Wir wollen aber kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander. Deshalb werben wir als Mitglieder des Europarats und auch ich in meinem Bericht nicht für Toleranz sondern Akzeptanz, die auf beiden Seiten hervorgerufen werden muss. Wir dürfen auch nicht dulden, denn dies ist bis zu einem gewissen Punkt schon eine Beleidigung, sondern dass wir akzeptieren und ein inkludierendes Gesellschaftsmodell ermöglichen.

Es ist notwendig, sich mit der Kultur und der Geschichte der Sinti und Roma in Europa zu befassen. Dazu wird, wie vom Ministerkomitee beschlossen, ein Roma-Institut in Europa gegründet werden mit wahrscheinlichem Sitz in Berlin, was mich als Deutschen besonders freut, um die Kultur und auch das Selbstverständnis der Sinti und Roma zu stärken.

Wichtig ist zu überlegen, wie den Ländern die zur Förderung der Inklusion zur Verfügung gestellten Mittel eingesetzt werden. In manchen Ländern funktioniert dies gut, in anderen weniger gut. Daher müssen wir uns – wie im Bericht erwähnt – für ein stärkeres Monitoring einsetzen um zu sehen, ob die Mittel dort ankommen, wo sie hinsollen. Denn es sind Kohäsionsmittel, die die Sinti und Roma, die nicht an der Bevölkerung und Gesellschaft teilhaben an sie binden. Die Überwachung der eingesetzten Mittel ist eine Aufgabe die insbesondere der Staat wahrnehmen muss. Jeder von uns nutzt NGOs als Durchführungsorganisationen, aber in der Regel werden Steuergelder eingesetzt, die auch wir als Parlamentarier überwachen müssen.

In allen Bereichen der Inklusion hat sich ein kleiner NGO-Markt entwickelt. Diese haben sich gut profiliert und sind gut in der Lösung von Problemen, die wir vorher nicht hatten. Es gibt gute Programme, die bei den Menschen gut ankommen und es gibt Programme, die sich um Themen kümmern, dir für die Menschen vor Ort nicht wichtig sind. Wichtig sind der Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt und eine diskriminierungsfreie Situation. Für dessen Sicherstellung sollten wir uns einsetzen.

Man muss des Weiteren die richtige Ebene für Integration und Inklusion finden. Für mich war bei all meinen Besuchen und Gesprächen entscheidend die Ebene zu finden, die am besten für Inklusion und Integration, nicht nur im Rahmen eines Projektes sorgen kann sondern nachhaltig. Die Kommunen treten hier nicht aktionistisch auf, denn wenn Bürgermeister sich um die Integration in ihrer Kommune kümmern, funktioniert der Zugang zum Job und zur Bildung.

Eine entscheidende Erkenntnis ist, dass man in den Kommunen ansetzen muss und starke Kommunen und Regionen braucht, denn dort funktionieren Inklusion und Integration.

Als Europarat kann uns bewusst sein, dass wir die Institution in Europa sind, die sich nicht nur einmal sondern in den letzten Jahrzehnten immer mit der Situation der Minderheiten und insbesondere mit der Situation, den Chancen und der Zukunft der Sinti und Roma auseinandergesetzt hat.

Wir werden dies auch weiterhin tun, der Bericht ist kein Schlusspunkt unserer Aufgabe sondern ein Zwischenstand, mit dem wir neue Impulse setzen und Signale aussenden können, dass wir uns weiterhin um die Minderheitenrechte und die der Sinti und Roma in Europa kümmern.

Ich möchte mit Ihnen über Best Practices diskutieren, wo was nicht funktioniert. Wir alle wissen, dass Dinge verbessert werden müssen. Wir haben aber sehr gute Programme in den unterschiedlichen Ländern und sollten unsere Erfahrungen zu diesen teilen, um voneinander zu lernen, wie Inklusion und Integration gut funktioniert. Wir müssen an langfristige Projekte glauben, denn die Integration der Sinti und Roma wird sich nicht in den nächsten 5 bis 10 Jahren komplett umsetzen lassen, denn dies ist ein langfristiges Projekt. Daher lade ich ein, dass wir weiterhin daran arbeiten.

Zum Schluss möchte ich mich noch bei der ungarischen und bulgarischen Delegation bedanken mit denen ich sehr regen Austausch auch vor Ort hatte. Dort habe ich natürlich auch mit der Regierung, der Zivilgesellschaft sowie den Communities der Sinti und Roma diskutiert. Ich möchte mich auch bei allen mitwirkenden NGOs bedanken, aber vor allem auch beim Sekretariat des Ausschusses, bei Frau Burton, die mit mir diesen Bericht geschrieben hat und auch mit mir unterwegs war. Es war eine sehr spannende und gute Arbeit.

Ich freue mich jetzt auf eine lebendige Debatte.

Tobias       ZECH, Deutschland, PPE/DC

(Dok. 14149, Antwort des Berichterstatters)

Herr Präsident!

Ich antworte vor allem auf die beiden Hinweise, die noch kamen.

Tiny Kox, es ist richtig, es geht nur mit den Menschen. Es geht nie für jemanden, sondern nur miteinander.

Ich würde mir wünschen, dass die erfolgreichen Sinti und Roma, die Polizeioffiziere, die Rechtsanwälte, die Unternehmer nicht nur in die Hauptstadt ziehen und dann vergessen, wo sie herkommen, sondern dass sie auch selbstbewusst sagen: „Ich bin Roma, ich habe studiert und ich bin erfolgreich.“

Dass Sie Beispiele geben, wie man sein Leben anders gestalten kann, das wäre mein größter Wunsch.

Überall wo wir diese Leuchttürme – diese guten Beispiele – haben, wirken sie. Aber wir erleben leider viel zu oft, dass die Menschen, die in der Roma-Siedlung, egal wo in Europa, geboren sind, die sich dann über Bildung bis zum Universitätsabschluss gekämpft haben, sich nicht mehr trauen zu sagen „Ich bin Roma“, weil sie Angst vor Diskriminierung haben.

Es wäre mein größter Wunsch, wenn diese Menschen selbstbewusst sagen würden „Ich habe es geschafft, nehmt euch ein Beispiel an mir.“

Es stimmt, wie Katalin Csöbör sagte, dass Ungarn in seiner EU-Präsidentschaft als erstes Land ein nationales Umsetzungsprojekt auf den Weg gebracht hat, das auch mannigfaltig kopiert worden ist.

Überall, wo man versucht, etwas zu verändern, wo man Projekte startet, ist es so, dass viele funktionieren und einige nicht; dort muss man nachsteuern. Wichtig ist, dass wir von dem lernen, was ihr gemacht habt, worin ihr sehr viel Erfahrung habt und dass wir versuchen, dies auch in andere Länder zu transferieren.

Auch hier gilt, dass es nur funktioniert, wenn alle zusammenarbeiten: die Zivilgesellschaft, die Community der Sinti und Roma aber auch die Parlamente und die Regierungen.

Ich danke für die Debatte. Ich hoffe, alle Fragen beantwortet zu haben und freue mich auf den weiteren Verlauf.

Tobias       ZECH, Deutschland, PPE/DC

(Dok. 14149, Sub-Amendment)

Volle Zustimmung zum Änderungsantrag.

Mein Unteränderungsantrag heißt, dass wir im Änderungsantrag das Wort „female“ durch „women and girls“ ersetzen. Das trifft es besser, liest sich auch besser und es wird verständlicher, was gemeint ist. Es ändert auch nichts am Sinn, sondern ist nur eine semantische Änderung.