AL17CR12

AS (2017) CR 12
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(2. Teil)

BERICHT

12. Sitzung

Dienstag, 25. April 2017, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC / SOC
(Dok. 14282)

Danke sehr Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte seitens unserer Fraktion den beiden Berichterstatterinnen ein großes Kompliment für die von ihnen geleistete, großartige Arbeit aussprechen.

Es wird sie vielleicht überraschen, aber ich möchte ebenfalls der Türkei danken, denn gestern wurde der italienische Journalist Gabriele del Grande, der sich im Hungerstreik befand, aus dem Gefängnis entlassen. Gleichzeitig wollen wir aber daran erinnern, dass der deutsche Journalist Deniz Yücel noch immer in Haft ist.

Ich möchte nun auf den Bericht eingehen. Wie sollen wir Serbien, Georgien und Moldawien erklären, dass sie unter Monitoring stehen, während die Türkei sich im Post-Monitoring-Verfahren befindet, was logischerweise bedeutet, dass die weiterhin offenen Punkte geklärt werden müssen. Nur haben wir heute im Zusammenhang mit der Türkei mehr offene Punkte als seinerzeit während des normalen Monitoring-Verfahrens.

Daher verstehe ich meinen Vorredner in keiner Weise, wenn er sagt, dass man sich das überlegen und bedenken sollte. Wir sind das Haus der Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Die Situation in der Türkei ist heute besonders alarmierend: Es wurden zum Beispiel zehntausende Menschen aus dem öffentlichen Sektor entlassen und können rechtlich nicht dagegen vorgehen, 150 Journalistinnen und Journalisten befinden sich in Haft usw.

Ich war mit meinem Kollegen Hunko in Diyarbakir und Mardin. Dort hat sich gezeigt, dass das Referendum weder frei noch fair war. Das Resultat von 49 % für die Opposition ist angesichts der stattgefundenen Repression ein unglaublicher Erfolg. Zählt man die Binnenflüchtlinge (IDPs) mit, liegt das Nein der Opposition bei rund 60 %.

Wir haben keine andere Möglichkeit, als das Monitoring im Sinne unseres Procederes und aus Respekt gegenüber anderer, sich im Monitoring-Verfahren befindlicher Länder, neu zu eröffnen.

Bekanntlich liegt das Problem der Türkei an der Spitze. Die Türkei hat keinen Präsidenten, denn ein Präsident ist für alle unterschiedlichen Ethnien da und die Türkei ist ein Vielvölkerstaat. Der derzeitige Präsident aber provoziert und agiert als ein Präsident für die Hälfte des Landes. Dadurch ist die Situation so dramatisch.

Ganz offensichtlich sitzen einige dem schon seit Monaten dauernden Spiel mit der Todesstrafe auf. Die erste Reaktion nach dem Referendum war, dass, jetzt, wo im Land viel zu tun war, die Todesstrafe wieder eingeführt wird. Dieses Spiel dürfen wir hier nicht weiterführen.

Daher ist die Empfehlung des Berichtes, das Monitoring-Verfahren neu zu eröffnen die einzige mögliche Option für diese Versammlung.

Danke.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC / SOC
(Dok. 14282)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Türkei ist einer der großen Staaten des Europarates und eines seiner Gründungsmitglieder. Die Türkei ist ein faszinierendes Land, das im Bereich der Flüchtlingskrise und des Terrorismus zweifellos großen Herausforderungen ausgesetzt ist.

Die Türkei hat aber eben besondere Verpflichtungen zur Einhaltung der Werte des Europarats: Menschenrechte, Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Das sind unsere drei zentralen Werte und diese werden zurzeit in der Türkei stark in Frage gestellt.

Dafür gibt es unübersehbare Beweise: zum einen die höchst problematische Entwicklung nach dem Verfassungsreferendum, inhaftierte Journalisten – in der Türkei mehr als in China und Ägypten zusammen –, nachvollziehbare und glaubwürdige Folterberichte, willkürliche Verhaftungen und Entlassungen und leider vieles mehr.

Deshalb ist es notwendig, sowohl die Entwicklung in der Türkei als auch uns selbst mit unseren eigenen Regeln ernst zu nehmen und die Türkei dementsprechend wieder in das Monitoring-Verfahren aufzunehmen, nicht als Strafe, sondern um in einen vertieften Austausch eintreten zu können.

Ich habe mich etwas über die Ausführungen des Kollegen Németh gewundert, weil ich den Eindruck hatte, dass es im Ausschuss eine überwältigende Mehrheit dafür gab, auch bei den Kolleginnen und Kollegen der EPP. Der Fraktionsvorsitzende Herr Fischer hat mir persönlich gesagt, dass er ein solches Monitoring-Verfahren auch unterstützt.

Wenn man heute in Istanbul durch die Stadt geht, spürt man meiner Meinung nach die Gespaltenheit und die Zwiespältigkeit in diesem Land. Es gibt sie aber, eben diese lebendige, unseren Werten verpflichtete Demokratie. Stefan Schennach hat darauf hingewiesen, dass es möglicherweise eine bedeutende Mehrheit gewesen wäre, die sich genau für diese Werte ausgesprochen hätte, wenn das Referendum fair und frei gewesen wäre.

Der Europarat und gerade der Menschenrechtsgerichtshof spielen gerade für diese Menschen in der Türkei eine besondere Rolle.

Deutsche Medien haben mich gefragt, wie man eigentlich wieder aus dem Monitoring herauskommt. Das ist eigentlich ziemlich einfach. Man kommt zum Beispiel wieder heraus, wenn man den Ausnahmezustand beendet, Abgeordnete freilässt und die Immunität wieder einsetzt, den Zweifeln an den Ergebnissen des Referendums Rechnung trägt und sie ausräumt, die Berichte zur Folter des CPT zur Veröffentlichung freigibt, Journalisten freilässt, zum Beispiel den deutschen Journalisten Deniz Yücel, und vieles andere.

Wir mögen unterschiedlicher Auffassung über die Frage des Monitorings sein, aber an einer Stelle können wir meines Erachtens keine unterschiedlichen Auffassungen haben: Wir haben diejenigen Kolleginnen und Kollegen zu schützen, die in Wahlbeobachtungsmissionen in Ländern des Europarats unterwegs sind.

Deshalb muss für uns völlig klar sein, dass jeglicher Angriff auf die Integrität von Wahlbeobachtern von uns gemeinschaftlich mit voller Entschiedenheit abgewiesen werden muss.

Elisabeth SCHNEIDER-SCHNEITER, Schweiz, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 14282)

Herr Vorsitzender,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Alle Macht dem Präsidenten! Der Präsident wird nicht nur Staats- sondern auch Regierungschef und er kann mit Dekreten mit Gesetzeskraft das Parlament umgehen. Und der Präsident kann die Besetzung des obersten Gerichts beeinflussen.

Zusammengefasst: Die Legislative und die Judikative werden massiv geschwächt. Alle Macht konzentriert sich auf einen einzigen Mann. Schon alleine diese künftige autokratische Verfassung steht den Grundsätzen des Europarates diametral entgegen. Hält man sich vor Augen, wie der künftige Alleinherrscher in den letzten Jahren seine Verantwortung gegenüber Minderheiten und Andersdenkenden wahrgenommen hat, dann sieht die Zukunft düster aus.

Daher stellen wir uns zurecht die Frage, wie mit der Türkei als Mitgliedsland umzugehen ist. Kommen wir mit einem offenen, direkten und kritisch-konstruktiven Dialog – wie wir Schweizer mit der Türkei umzugehen pflegen – noch weiter? Oder wie weit dürfen wir unsere bewährten Systeme fordern, um nicht als Rechtsimperialisten zu gelten?

Obwohl das Resultat des Referendums zu Recht angezweifelt wird, gibt es immerhin einen großen Teil von Menschen in der Türkei, die diesem, für uns fremden System bei vollem Bewusstsein aller Konsequenzen zugestimmt haben, ob uns das passt oder nicht.

Das volle Monitoring-Verfahren haben wir vor einigen Jahren aufgehoben, weil die Todesstrafe abgeschafft wurde, wegen der „Null-Toleranz-Strategie“ gegenüber Folter sowie wegen der Aufhebung vieler Einschränkungen der Vereinigungs-, Religions- und Meinungsfreiheit sowie der Garantie kultureller Rechte gegenüber der kurdischen Minderheit.

Die beiden Berichterstatter und eine Mehrheit der parlamentarischen Versammlung zeigten sich damals überzeugt, dass die Türkei die fraglichen Reformen fortsetzen und vollenden werde. Warnenden Stimmen wurde kein Gehör verleiht und nun stehen wir vor der Frage einer erneuten Ausweitung des Monitoring-Verfahrens.

Rückblickend gesehen, hatte der Europarat der Entwicklung dieses Landes wohl zu viel Vertrauen geschenkt. Die Ausgangslage ist aber fragiler denn je. Wie finden wir einen konstruktiven Weg im Sinne der Ziele des Europarates?

Die Situation kann und darf nicht schöngeredet werden. Aber bringt es den Dialog zwischen dem Europarat und der Türkei tatsächlich weiter, wenn wir die Türkei erneut zu einem Monitoring-Verfahren zwingen?

Was bringt ein solches Verfahren ganz konkret den Menschen in diesem Land? Wäre es zum heutigen Zeitpunkt nicht sinnvoller, das gespaltene Land viel mehr im Dialog zu begleiten und mit den bestehenden Instrumenten zu versuchen, Verbesserungen hinzubekommen, damit uns dieses Land nicht vollumfänglich entgleitet?

In diesem Sinne bedanke ich mich für diesen Bericht.

Ute FINCKH-KRÄMER, Deutschland, SOC
(Dok. 14282, Amendment 1)

Ich bin Frau Finck-Krämer und habe das Amendment Nr. 1 mit unterzeichnet. Wir wollten einfach eine Vereinheitlichung mit dem Paragraph 34 Absatz 4, wo diese Einschränkung nicht gemacht wird.