AL17CR16

AS (2017) CR 16
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2017

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(2. Teil)

BERICHT

16. Sitzung

Donnerstag, 27. April 2017, 10.00 Uhr

Axel FISCHER, Deutschland, PPE/DC / EPP/CD 
(Dok. 14298)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren und betrachten die Entwicklung in Ungarn aus zwei Gründen mit Besorgnis:

• wegen der Modifizierung des Hochschulgesetzes und

• aufgrund des noch nicht verabschiedeten Gesetzes zur Transparenz von Zivilorganisationen.

Nach der Vorlage gehe es bei der Modifizierung des Hochschulgesetzes allein darum, eine einzige Institution zu behindern, die Central European University, und bei dem Gesetz zur Transparenz von Zivilorganisationen um das Abstempeln und Schlechtmachen von Zivilorganisationen.

Wir beim Europarat wissen, dass die Zivilgesellschaft und die NGOs sehr wichtig für unsere Arbeit sind und deshalb setzen wir uns immer wieder dafür ein, dass sie die Möglichkeit haben, gut zu arbeiten, damit die Zivilgesellschaft weiterhin gut mit uns zusammenarbeiten kann.

Neben der Achtung der Autonomie der Universitäten haben die Mitgliedstaaten vielfältige Möglichkeiten, das Bildungssystem zu regeln. In Deutschland ist dies die Kompetenz der Bundesländer und von 16 Bundesländern würde eine Hochschule nach dem Modell der Central European University in 13 Ländern gar nicht erst zugelassen werden.

Die EU-Kommission hat am 26. April beschlossen, aufgrund der Hochschulgesetznovellierung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten, da sie diese unvereinbar mit der Grundfreiheit des Binnenmarkts, insbesondere mit der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit hält. Laut EU-Kommission verletze die Novelle die von der EU-Gemeinschaftscharta garantierten Rechte auf akademische Freiheit, Bildung sowie unternehmerische Freiheit und verstoße gegen die Verpflichtungen der EU im Rahmen internationaler Handelsabkommen.

Wir haben bei uns in der Fraktion auch darüber diskutiert, dass das ungarische Gesetz 28 Hochschulinstitutionen betrifft. Auf Grundlage des Gesetzes ergibt sich nicht, dass die Central European University schließen muss. Es gibt ein etwas kompliziertes Missverständnis, welches sich aus der doppelten juristischen Persönlichkeit und der englischsprachigen Gleichnamigkeit ergibt. Das Gesetz betrifft nicht die nach ungarischem Recht bestehende mitteleuropäische Universität. Die neue Regelung betreffe viel mehr die im Namen der in New York registrierten Central European University in Ungarn ausgegebenen Diplome und regle hierzu Vorschriften. Hier ist eine tatsächliche Bildungstätigkeit im eigenen Herkunftsstaat sowie ein dies betreffendes zwischenstaatliches Übereinkommen die Voraussetzung.

An der mitteleuropäischen Universität kann die wissenschaftliche Tätigkeit und das Studium auch in der Zukunft unverändert fortgeführt werden, so wie bisher.

Die Zivilorganisationen und die von ihnen vertretenen Themen haben einen Einfluss auf die öffentliche Meinung und sie nehmen damit sozusagen eine öffentliche Aufgabe wahr. In Ungarn sind öffentliche Aufgaben wahrnehmende Institutionen dazu verpflichtet über ihren Haushalt öffentlich Rechenschaft abzulegen und diese Daten sind auch auf dem richterlichen Wege einforderbar. In diesem Punkt halte ich es für beachtlich, dass die Versammlung bei der Transparenz von ausländischer Finanzierung eine von der allgemeinen Transparenz abweichende Meinung vertreten solle.

Nach Meinung des Fachausschusses des Europäischen Parlamentes ist es unbedingt erforderlich, dass diejenigen Zivilorganisationen, die finanzielle Unionsförderungen erhalten, ihre Finanzen offenlegen.

Wir hoffen sehr, dass das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU in die Wege geleitet hat, die Debatte, die wir heute führen und der heute vorgelegte Bericht, Klarheit bringen, inwieweit in Ungarn ernsthafte Probleme von uns diskutiert werden müssen und inwieweit Dinge, die hier transportiert werden, als „Fake News“ betrachtet werden können bzw. müssen.

Eine offene Diskussion ist uns wichtig und deshalb unterstützen wir den Bericht und nachher auch die Abstimmung. Wichtig ist, dass wir klar sagen, wo wir stehen. Das Hauptziel, das ist uns als EVP besonders wichtig, muss klar sein, dass man die Freiheit der Wissenschaft und Forschung in jedem Mitgliedstaat garantieren muss. Die NGOs müssen ordentlich mit uns gemeinsam im Europarat aber auch in jedem Mitgliedland arbeiten können.

Vielen Dank.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC / SOC
(Dok. 14298)

Danke schön Herr Präsident!

Ich habe gerade noch den letzten Worten meines Vorredners gelauscht. Ich möchte dem Berichterstatter herzlich für diese Resolution danken, die zur richtigen Zeit kommt, nachdem gestern das Vertrags-verletzungsverfahren eingeleitet wurde.

In meinem Nachbarland herrscht Angst bei den Menschen. Das geistige Klima hat sich verengt. In den letzten Jahren haben 600 000 junge Ungarinnen und Ungarn das Land verlassen, weil sie diese geistige Enge nicht ertragen. Nun kommt der nächste Schlag mit dem Gesetz gegen NGOs und die Hochschule.

Gerade die Central European University war und ist ein Flaggschiff, aber in Wirklichkeit, so Ministerpräsident Orbán gestern, kommen durch diese Universität illegal die Migranten herein.

In diesem Zusammenhang sei an das geistige Gut gedacht, denn schließlich soll eine Universität ja nicht in der eigenen Suppe kochen, sondern viele Lehrende sollen viel Lehre und viele Ansichten vermitteln, aber das ist ja nicht gewünscht.

Ein Vergleich zwischen autoritär regierenden Menschen ist immer möglich und so wie Erdogan seinen Gülen, braucht Orbán seinen Soros. Das ist eine beängstigende Entwicklung und das NGO-Law geht so weit, dass sogar eine karitative Hilfsorganisation wie das internationale SOS-Kinderdorf, dass drei Dörfer für Waisen- und Halbwaisenkinder in Ungarn betreibt, durch dieses Gesetz in seiner Existenz bedroht ist. Einer solchen Einengung müssen wir uns hier mit aller Kraft entgegenstellen.

Wir könnten den Ministerpräsidenten Orbán direkt zu Wort kommen lassen. Er hat gesagt, dass es sich dabei nicht um selbstständige Organisationen, sondern um Niederlassungen von internationalen Netzwerken in Ungarn handelt. Es ist keine Zivilorganisation, sondern eine die öffentliche Macht und politische Entscheidungen beeinflussen wollende internationale Lobbyorganistion. In Amerika nennt man solche Organisationen Agentenorganisationen.

Er sagt des Weiteren, dass Probleme dadurch verursacht werden, dass man die ungarische Politik im Geheimen durch ausländische Gelder beeinflussen will sowie „wir müssen auch wissen, dass hier große Raubtiere im Wasser herumschwimmen“.

Wir reden hier von NGOs! Es geht um Meinungsfreiheit, die Freiheit der Lehre, der Wissenschaft, es geht darum, dass jungen Menschen die Möglichkeit der Teilhabe an europäischem und internationalen Wissen gegeben wird, die Möglichkeit, sich in Vereinen zu organisieren. Es geht darum, Widerstand gegenüber einer geistigen Verengung zu leisten.

Am Dienstag haben wir hier gemeinsam beschlossen, die Türkei erneut ins Monitoring aufzunehmen. Wenn wir uns die von Vertragsverletzungsverfahren der EU betroffenen Bereiche anschauen – das Asylrecht, die ethnische Diskriminierung der Roma, im Bereich des Demokratieabbaus –, würde dem Europarat wirklich zu Herzen legen, nach dem Vertragsverletzungsverfahren der EU, hier ein Monitoringverfahren zu eröffnen und dies in den nächsten Monaten zu diskutieren.

Danke schön.