AL18CR31

AS (2018) CR 31
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(4. Teil)

BERICHT

31. Sitzung

Dienstag, 9. Oktober 2018, 15.30 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Frage an Khemaies JHINAOUI, Außenminister Tunesiens)

Sehr geehrter Herr Minister!

Als langjähriger Vorsitzender der Union für das Mittelmeer kenne ich Ihr Land sehr gut. Ich denke, einer der Gründe für den Erfolg der Revolution liegt darin, dass Sie in Ihrem Land schon länger eine sehr erfolgreiche Frauen- und Gewerkschaftsbewegung in Ihrem Land hatten.

Bekanntlich fressen die Revolutionen die Frauen und meine Frage an Sie lautet:

Welchen Stellenwert hat heute die Frau und welche Programme haben Sie? Immerhin hatte Tunesien schon vor der Revolution die erste Frau als Vorsitzende eines Justizausschusses in der gesamten arabischen Welt. Wie sieht heute aus und welche Schritte unternehmen Sie diesbezüglich?

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 14583, im Namen der Berichterstatterin in seiner Funktion als Ausschussvorsitzender)

Danke sehr!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Grund dafür, dass ich diesen Bericht heute vorstelle ist, dass es sich um den letzten Bericht unserer Präsidentin im Sozialausschuss handelt. Als Ausschussvorsitzender habe ich nun die Ehre, diesen Bericht über den Umgang mit palästinensischen Minderjährigen im israelischen Justizsystem vorzustellen.

Der Ausschuss hat lange auf diesem Thema gearbeitet und leider hat die israelische Delegation jegliche Kooperation mit der Berichterstatterin und mit dem Ausschuss abgelehnt. Das bedauere ich sehr. Immerhin haben wir ja 2018 in der parlamentarischen Versammlung eine Entschließung gemacht, die Entschließung 2202: Die Rolle des Europarates im israelisch-palästinensischen Friedensprozess. Das bedeutet, dass sich die Berichterstatterin kein Bild vor Ort verschaffen konnte.

Trotzdem haben wir sehr viele Informationen von UNICEF, dem Roten Kreuz und anderen NGOs erhalten. Ich kann Liliane Maurice Pasquier nur zu diesem detaillierten und balancierten Bericht beglückwünschen, der nicht im Konflikt Israel-Palästina Stellung nimmt. Er nimmt Stellung hinsichtlich der Jugendlichen und Minderjährigen in Gefängnissen. Dieser Bericht ist auf die Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen fokussiert.

Sie werden merken, dass dieser Bericht in diesem Sinne eine Partei ergreift, nämlich die der Minderjährigen. Unabhängig davon, wie sich der Konflikt gestaltet, konnten wir diesen Bericht in dieser Form mit einer sehr hohen Zustimmung im Ausschuss verabschieden.

Es lagen heute einige Amendements vor, die ich mit der Berichterstatterin besprochen habe. Diese werde ich Ihnen anschließend erklären, nur über drei von sieben wurde abgestimmt, da für die anderen kein mover im Ausschuss war und niemand sie vorangetrieben hat. Auch zu den Amendements gab es im Ausschuss eine sehr hohe Übereinstimmung.

Worum geht es eigentlich? Es geht darum, dass Jugendliche aus verschiedenen Gründen in Haft kommen, vorwiegend in militärische Haft. Alle, die sich damit befassen, bestätigen, dass von Beginn der Festnahme an, über die Staatsanwaltschaft bis hin zum Gericht Minderjährige auf eine Art behandelt werden, die mit Menschen- und Kinderrechten keineswegs vereinbar sind.

Ich habe bereits einen Bericht für eine kindergerechte Justiz gemacht, dem Sie damals mit großer Mehrheit zugestimmt haben. Diese finden wir in israelischen Gefängnissen nicht!
Hier liegt weitverbreitet eine – so könnte man es bezeichnen – systemische bzw. systematische Misshandlung vor: Verhaftungen in der Nacht, der Entzug der Möglichkeit für Eltern mit ihren Kindern in Kontakt zu treten. Das sind Dinge, die unabhängig davon, wie der Konflikt sich darstellt und wie Kinder und Jugendliche instrumentalisiert werden, für einen demokratischen Rechtsstaat einfach nicht akzeptabel sind.

Gerade in dem Bericht über kinderfreundliche Justiz war die überwiegende Mehrheit dieser Versammlung dahingehend der gleichen Meinung wie ich, dass alles getan werden muss, um zu verhindern, dass Jugendliche und Minderjährige in Gefängnisse kommen.

In diesem Fall ist allerdings das Gegenteil der Fall. Wir haben viel zu viele Kinder und Minderjährige in israelischen Gefängnissen, im Rahmen von Militärhaft, Gefängnisse, die sich noch dazu meist in besetzten Gebieten befinden. Dies bedeutet, dass der Zugang für Eltern nahezu unmöglich ist. Jegliche Form von Entzug von Schlaf, von Misshandlung sind Dinge, die unbedingt auch vom Europarat ausgesprochen werden müssen, egal in welcher Situation, egal wie Jugendliche in einem Konflikt instrumentalisiert werden.

Erstens sollten Jugendliche in Konflikten nie instrumentalisiert werden. Zweitens muss die andere Seite Menschen- und Kinderrechte garantieren sowie ein Rechtssystem, das nicht revanchistische Akte durchführt, so wie wir in all unseren Ländern das Rechtssystem nicht als ein Mittel der Revanche sehen, sondern als Hilfe zur Reintegration.

Natürlich muss man in kriminellen Fällen reagieren, aber nicht mit Folter, nicht, indem man elementare Kinder- und Menschenrechte missachtet. In diesem Sinne soll dieser Bericht aufrütteln.

Er spricht in einem Punkt auch etwas an, das mir besonders wichtig ist, weil wir dieses Problem mit der israelischen Justiz immer haben: den Einsatz eines alten Instrumentes aus der britischen Kolonialzeit, das man administrative Haft nennt. Wenn man diese administrative Haft –  gegen die es ganz schlecht Rechtsmittel gibt –  noch kombiniert mit Einzelhaft einsetzt, dann ist das eine Schande. Das hat das israelische Justiz- und Rechtssystem nicht notwendig.

Deshalb bieten wir mit diesem Bericht eine Handreichung an die Knesset, gemeinsam daran zu arbeiten, wie man in diesem Sinne und in einer sehr aufgeschaukelten, nervösen Situation trotzdem mit Minderjährigen korrekt, im Sinne der Menschen und altersgemäß umgeht.

In diesem Sinne ersuche ich Sie, diesen Bericht unserer Präsidentin, den ich hier vorstellen darf, mit einer großen Zustimmung anzunehmen.

Danke sehr.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 14583, Antwort im Namen der Berichterstatterin in seiner Funktion als Ausschussvorsitzender)

Danke schön Herr Vorsitzender!
Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Herzlichen Dank im Namen der Berichterstatterin – das getraue ich mir jetzt schon zu sagen – für diese lebendige, spannende und interessante Diskussion. Es zeigt, dass von den verschiedensten Mitgliedstaaten und fast allen Fraktionen die grundsätzliche Intention dieser Resolution gewürdigt wurde, nicht im israelisch-palästinensischen Konflikt Stellung zu nehmen, sondern Partei für das Schicksal von Minderjährigen zu ergreifen.

Prinzipiell sind wir sicher alle einer Meinung: Die Zukunft beider Staaten liegt in den Händen der nächsten Generationen, d. h. in den Händen der Kinder, die irgendwann erwachsen sein werden. Sie wachsen in einer traumatisierten Gesellschaft, in traumatisierten Familien auf und sind selbst vielfach und multipel traumatisiert.

Deshalb ist der Paragraph 8 dieser Resolution so wichtig, in dem die Berichterstatterin im Namen der Versammlung sowohl die israelischen als auch die palästinensischen Behörden auffordert, Kinder und Jugendliche in ihren Gemeinschaften über gewaltfreie Ansätze zur Beendigung von Aggression und Konflikten aufzuklären, um dem Frieden neue Impulse zu geben.

Zweitens: Ich kann nicht auf alle Einzelfälle eingehen, aber auf den Fall Dahimi muss ich kurz eingehen, da dieser gesondert im explanantory memorandum von Maury Pasquier ausgeführt wurde. Herr Gavan hat gesagt, es gehe hier um eine administrative Haft. In den Paragraphen 28 bis 35 dieses Memorandums werden die Fakten von Frau Maury Pasquier aufgeführt. Es gab keine administrative Haft.

Frau Lavie hat gemeint, dass der Bericht kein umfassendes Bild bieten würde. Diese Kritik ist schwierig anzunehmen, nachdem die israelische Delegation jegliche Zusammenarbeit mit der Berichterstatterin verweigert hat. Sie hätten es in der Hand gehabt. Frau Maury Pasquier ist eine sehr umsichtige Frau und hätte dieses Angebot auch angenommen, aber es war nicht möglich.

Ein ganz wichtiger Punkt, der in der Aussprache erwähnt wurde, ist – und da greife ich auf den Bericht über kinderfreundliche Justiz zurück – dass wir in der Welt ein Übereinkommen haben: Unter 14 Jahren ist man ein Kind und das Alter für Strafe und Haft darf nicht unter 14 Jahren angesetzt werden. Deshalb appelliert der Bericht auch in seinem § 7, dass das Mindestalter auf das, was in allen Staaten üblich ist, angepasst werden muss.

Ich weiß, ich habe als Berichterstatter Mitgliedstaaten dieser Versammlung kritisiert, weil diese die 14 Jahre unterschreiten. Es handelt sich um zwei Mitgliedstaaten, aber ich hoffe, dass wir uns in einer fruchtreichen Diskussion befinden und weiterkommen.

Der Bericht spricht nicht – wie von jemandem angemerkt – von den Nachbarn. In diesem Bericht geht es ausschließlich um Minderjährige. Ich möchte das noch einmal in das Zentrum rücken, dass dieser Bericht nicht die Aufgabe hatte den gesamten, jahrzehntelangen Konflikt einer traumatisierten Gemeinschaft aufzuarbeiten, sondern einzig und allein darauf zu schauen, dass die Kinder- und Menschenrechte und der Umgang mit Minderjährigen in einer korrekten Weise geschieht, selbst unter extremen Stress und in Ausnahmesituationen.

Viele haben behauptet, dass die Amendments den Bericht ausbalancieren. Ich behaupte, dass dieser Bericht bereits so gut balanciert ist, dass diese Amendments nicht notwendig sind.

So sieht es im Übrigen auch der Ausschuss und ich werde mir erlauben zu den einzelnen Amendments einen Kommentar abzugeben.

Vielen Dank.