AL18CR36

AS (2018) CR 36
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2018

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(4. Teil)

BERICHT

36. Sitzung

Freitag, 12. Oktober 2018, 10.00 Uhr

Ulrich OEHME, Deutschland, NR / NI
(Dok. 14607)

Herr Präsident!
Sehr geehrte Abgeordnete!

Beim Absturz der TU-154M nahe Smolensk kamen im April 2010 Menschen auf einer besonderer Mission ums Leben. Eine Delegation um Lech Kaczyński an der Spitze wollte der Toten von Katyn gedenken und wurde selbst durch dieses tragische Unglück aus dem Leben gerissen.

Worüber reden wir heute? Von uns erwarten die Menschen konstruktive Lösungen. Wir müssen behutsam vorgehen, um nicht wieder Porzellan in den Ost-West-Beziehungen zu zerschlagen.

Warum? Bei der Untersuchung der Wrackteile und des Flugschreibers, kooperierten die Rechtsschutzorgane der Republik Polen und der Russischen Föderation par excellence. Und beeindruckend unbeeindruckt von politischen Wertungen*oder Medienberichten – wie ich finde.

Aber so gemeinsam die Zusammenarbeit war, so unterschiedlich fallen inzwischen die Ergebnisse aus: Während das Interstate Aviation Committee (IAC) als Ursache die Kollision mit einem Baum durch die Verringerung der Seitenhöhe ausmacht, erkannte eine Kommission des polnischen Verteidigungsministeriums Anfang 2018 die Explosion an Bord als Hauptursache des Unglücks.

So wurde es übrigens unter Bezugnahme auf einen mutmaßlichen BND- Bericht dem polnischen Parlament vom mittlerweile verstorbenen Investigativ-Autor Jürgen Roth vorgetragen. (Zitat aus dem angeblichen BND-Bericht) „Eine mögliche Erklärung der Absturzursache der TU-154 am 10.04.2010 in Smolensk liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Sprengstoffattentat, ausgeführt durch eine Abteilung des FSB im ukrainischen Poltava, geführt durch General Juri D. aus Moskau.“ Diese Aussage wurde vom Bundesnachrichtendienst entschieden zurückgewiesen. Einen solchen Bericht gab es nicht.

Anfang September entsprach die russische Seite dem polnischen Wunsch, Bauteile des Flugzeugs unter Beteiligung polnischer Luftfahrtexperten und der Militärstaatsanwaltschaft zu untersuchen. Kopien der Informationen aus der Black Box gingen nach Warschau.

Unter Ministerpräsident Tusk hatte Polen im April 2010 die Untersuchungen in Moskau akzeptiert. Ich kann Punkt 10 der Forderung des Kollegen Pieter Omtzigt daher nicht ganz nachvollziehen.

Ihm attestierten die Medien wenig Nähe zur Objektivität. Bei seiner Untersuchung zu MH-17 präsentierte Herr Omtzigt laut niederländischen Medien einen „russischen Mann als Augenzeuge des Absturzes, der aber Asylbewerber aus der Ukraine und nie Augenzeuge des Geschehens war“. Die renommierte niederländische Zeitschrift NRC warf dem Kollegen Omtzigt vor, kontraproduktiv einen falschen Zeugen präsentiert zu haben. Auf Twitter 11.11.2017,10.12 Uhr, entschuldigte sich Herr Omtzigt öffentlich dafür.

Wenn man echt etwas in Russland erreichen will, ist genau das der verkehrte Weg.

Ein Jahr vor Smolensk leitete der damalige russische Ministerpräsident Putin seine Versöhnungsoffensive im Verhältnis zu Polen ein. Gemeinsam gedachten Putin, Tusk und Merkel im September 2009 in Gdansk (Danzig) dem 70. Jahrestag, an dem der Zweite Weltkrieg begann. Wladimir Putin und Donald Tusk nahmen das zum Anlass, eine Gemeinsame Historikerkommission zur geschichtlichen Aufarbeitung von Katyn ins Leben zu rufen.

Ich darf zum Abschluss aus dem Redemanuskript des polnischen Präsidenten die Sätze vortragen, die er 2010 nicht mehr sagen konnte: "Die tragischen Verbrechen von Katyn und der Kampf gegen die Lügen sind eine wichtige Erfahrung für künftige Generationen. Das ist Teil unserer Geschichte, unserer Erinnerungen und Identität – und es ist auch ein Teil der Geschichte Europas und der Welt. Es wird uns daran erinnern, dass Lügen mächtig sein können, aber es zeigt auch, dass die Menschen und Nationen selbst in schwierigsten Zeiten sich dafür entscheiden, die Freiheit zu wählen und die Wahrheit zu verteidigen."

Dafür stehen wir hier im Europarat.